Kapitel 4

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Ich hatte mich noch eine Weile mit Alexandre unterhalten. Zum Schluss hatten wir noch Nummern ausgetauscht, damit ich ihm den Ort zeigen konnte. Er kannte hier ja keinen außer seiner Mutter. Inzwischen war Samstag Vormittag. Ich hatte Sturmfrei und nichts zu tun. Talia und Rose hatten leider keine Zeit. Gelangweilt starrte ich auf mein Handy. Irgendwer könnte mir doch schreiben... Tatsächlich erschien nach zwei Minuten eine Nachricht. Sie war von Alexandre. Schnell öffnete ich sie. ,Hallo Lydia, kannst du mir sagen wo hier eine Bibliothek ist?
Alex'
Schnell antwortete ich ihm. ,Hi Alex, (komisch dich so zu nennen, mein Bruder heißt Alex) schön das du schreibst! Ich sterbe vor Langeweile! Wo bist du? Ich bringe dich hin, wenn du willst.'
Die Antwort erschien nach wenigen Sekunden. ,Oh merci! Ich bin bei dem Café, in dem wir uns kennengelernt haben. (:' ,Beweg dich nicht von der Stelle, ich bin gleich da!' Ich wartete keine Antwort mehr ab und sprang sofort auf. Mir fiel auf, dass ich noch im Schlafanzug war. Verdammt! In Rekordzeit tauschte ich ihn gegen einen kurzen Jumpsuit und schminkte mich leicht. Dann schnappte ich mir meine Handtasche, schlüpfte in meine geliebten Converse und ging los. Ich lief so schnell ich konnte, ohne zu rennen. Bevor ich um die letzte Ecke bog, drosselte ich mein Tempo etwas. Ich erkannte Alex schon von weitem. Vielleicht lag es auch daran, dass sich außer ihm nur zwei ältere Damen vor dem Café aufhielten, aber das war ja uninteressant. Als er mich auch sah, legte sich ein breites Grinsen auf sein Gesicht. ,,'allo Lydia" ,,Hi Alexandre" Küsschen rechts, Küsschen links, hach wie süß die Franzosen doch sind... Zusammen machten wir uns auf den Weg zur Bibliothek. Es waren nur 10 Minuten zu Fuß.
,,Hallo Lydia, mein Engelchen! Schön, dass du mal wieder da bist!", rief Mrs. Elocin mir entgegen und eilte zu mir. Sie war die Bibliothekarin und ich kannte sie schon seit ich lesen konnte. Wenn ich Zuhause Stress hatte, bin ich immer zu ihr gekommen und hab stundenlang gelesen. Strahlend umarmte sie mich. Dann musterte sie Alexandre. ,,Wer ist denn der hübsche Junge, den du da mitgebracht hast?" ,,'allo isch bin Alexandre. Isch wollte meiner Mutter ein paar Bücher mitbringön." ,,Hallo, suchst du etwas bestimmtes?" ,,Nischt direkt" ,,Na dann guck dich mal in Ruhe um! Komm Lydia, ich hab ein paar tolle Bücher für dich zurückgelegt." Jey! Das hieß ungefähr zwei Wochen keine Langeweile mehr. Wenn Mrs. Elocin mir Bücher aussuchte, waren sie immer voll nach meinem Geschmack.
Nach einer Dreiviertelstunde verließen wir eingedeckt mit Büchern die Bibliothek. Draußen blieben wir unschlüssig stehen. Tja, was jetzt? Unsere offizielle Verabredung war hiermit beendet. ,,Ähm... Willst du noch mit zu mir kommen?", stotterte er. ,,Klar, warum nicht?" Ich führte ihn erst zum Café Ellâ. Von dort übernahm er die Führung. Nach einer Viertelstunde standen wir vor einem hübschen Zweifamilienhaus. Überall wuchsen Rosen und das Haus war in einem freundlichen Orange gestrichen. Alexandre schloss die linke Tür auf und ließ mich eintreten. Hier standen bis jetzt nur die wichtigsten Möbel und einige Umzugskartons. ,,Salut Mom je suis là avec une copine!", rief er nach oben. Dann legte er die Bücher auf eine Kommode und führte mich in die Küche. ,,'Ast du Durst?" ,,Non merci", grinste ich. Das war die Hälfte meiner Französischkentnisse. ,,Ok. Und was machen wir jetzt?" ,,Keine Ahnung" Ehrlich nicht. Was sollten wir denn machen? Ich hatte keine Lust gleich wieder irgendwo hinzugehen. ,,Mir fällt auch nischts ein... Wollen wir einfach einen Film se'en?" ,,Joa" Wir gingen in sein Zimmer und entschieden uns einstimmig für 'Now you see me'.
Ungefähr nach der Hälfte des Filmes kam seine Mutter ins Zimmer. Sie sagte erst irgendwas französisches zu Alexandre, dann schlug sie sich mit der flachen Hand auf die Stirn und drehte sich zu mir. ,,Oh pardon, ich bin Claire", stellte sie sich vor, doch ich bekam keinen Ton raus. Ich kannte diese Frau. ,,...Alles okay? Geht's dir nicht gut?" ,,Doch doch! Ich... Ich hab was... vergessen. Tut mir leid, ich muss nach Hause!" Ohne auf irgendwas zu achten sprang ich auf und rannte nach draußen.
Wer war das und warum kam sie mir so bekannt vor? Wir hatten keine Bekannten in Europa und berühmt war sie sicher auch nicht. Meine Füße brachten mich zielstrebig irgendwo hin aber mein Gehirn hatte keine Ahnung wo ich war. Erst als ich vor dem Haus von Mike stand, durchzuckte mich der Geistesblitz. Diese Frau war Mikes Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Plötzlich könnte ich wieder klar denken. Schnell ging ich zur Tür und klingelte. Ich war ziemlich aus der Puste, also musste ich schnell gewesen sein. Sie konnte mich nicht überholt haben. Ein Auto stand auch nicht in der Einfahrt. Mikes Mutter Elise öffnete mir die Tür. Keine Frage, die beiden sahen sich zum Verwechseln ähnlich! ,,Oh hallo Lydia, was machst du denn hier? Falls du zu den Jungs möchtest, die sind vor fünf Minuten weggefahren. Frag mich nicht, wohin..." ,,Nein, ich möchte gerne mit Ihnen reden" ,,Ach süße, wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du mich duzen sollst?. Was möchtest du denn mit mir bereden? Na, komm erst mal rein!" ,,Danke" Sie bot mir ein Glas Selta an und wir setzten uns an die Theke in der Küche. ,,Also schieß los!" ,,Naja also..." Toll wie sollte ich ihr dass jetzt erklären? ,,Einfach raus damit!" ,,...Okay. Ich habe eine Frau, oder besser gesagt ihren Sohn kennengelernt. Die beiden sind aus Frankreich hergezogen. Und naja, die Frau war dir wie aus dem Gesicht geschnitten", erzählte ich. Es war totenstill. Vorsichtig sah ich zu Elise. Eine Träne rollte ihr über die Wange. Ich reichte ihr schnell ein Taschentuch. Hoffentlich war es richtig mit ihr zu reden. ,,Claire ist meine Zwillingsschwester. Wir waren unzertrennlich, bis sie diesen Franzosen kennengelernt hat. Er war mir und meinen Eltern von Anfang an unsympathisch. Claire und er haben sich aber geliebt. Als wir 20 waren ist sie mit ihm nach Frankreich durchgebrannt. Seitdem habe ich nie wieder etwas von ihr gehört. Ich hatte keine Möglichkeit irgendwie mit ihr in Kontakt zu treten." Erzählte sie. Ziemlich gefasst dafür, dass ihr Tränen über die Wange strömten. ,,Sie ist also wieder hier", stellte sie fest. ,,Oh, Elise, das tut mir leid. Kann ich irgendetwas für Sie tun?" ,,Dich, entschuldige", verbesserte ich mich. ,,Nein Liebes, alles gut. Ich... Ich muss zu ihr."

My Brothers Best FriendWo Geschichten leben. Entdecke jetzt