Maskerade

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Mein Spiegelbild kam mir fremd vor, als ich es in der Fensterscheibe des Busses sah. Seltsam verzerrt blickten mich meine eigenen grauen Augen an. Ich zwinkerte und das ich auf der anderen Seite tat dasselbe. Unwillkürlich lächelte ich.
Mein Haare waren lang geworden, zu lang. Probeweise hielt ich sie so zusammen, als wären sie kurz. Irgendwie wirkte es anders, nicht nur die kurzen Haare, eher als wäre ich jemand anderes. Ich blinzelte einmal um das Bild, welches in mir aufstieg zu vertreiben. Es war nicht das erste mal, dass ich mich fühlte als wäre ich nicht ich, sondern jemand anderes, jemand fremdes, versteckt unter einer Maskerade.

Als der Bus an der nächsten Haltestelle hielt, stieg ich aus. Den Blick auf die Straße vor mir gerichtet, ging ich nach Hause. In der Nacht hatte es geregnet weswegen mein Gesicht sich in den Pfützen spiegelte.
Ich schminkte mich nicht, warum auch!? Es käme mir nur so vor, als würde ich mich verstecken, tarnen. Aber generell ist doch alles nur eine Tarnung. Es ist wie ein Versteckspiel. Deine ganzes Leben suchst du eigentlich nur dich selbst unter einer Tarnung die du selbst geschaffen hast Und dann stirbst du ohne dich selbst gekannt zu haben. Eine traurige Vorstellung, aber was ist denn die Antwort auf die Frage: "Wer bist du?" Und da war ich mir momentan nicht sicher. Wer war ich denn?

Zuhause angekommenstarrte ich in den Spiegel, auf der Suche nach einer Antwort. "Wer bist du?" ,fragte ich den Menschen darin der ich war und dann doch wieder nicht. Erst nachts, als ich in meinem Bett lag, fiel mir auf, dass ich doch nur mit der Hülle eines ichs gesprochen hatte. Und wieder kamen Zweifel auf. Es waren nicht die Zweifel zu versagen. Nein, ich zweifelte an mir selbst. An der geraden Nase, den nichtvorhandenen Wangenknochen und dem Busenansatz der sich unter meinem Shirt wölbte.

In dieser Nacht schlief ich schlecht. Ich träumte, dass mein Körper voller Ameisen war und diese krabbelten in mir rauf und runter, verteilten sich von meiner Kopfhaut über den Brustkorb bis in die Zehenspitzen. Noch nie hatte ich mich in meinem Körper so unwohl, so unglaublich fremd gefühlt. Ich wollte nur raus, raus aus dieser Hülle die mich festhielt und tötete. Denn so war es letzendlich: die Ameisen kamen und schnürten mir die Luft ab. Und so starb ich, verreckte ich, wurde getötet von meinem eigenen Körper.

Am nächsten Morgen vermied ich es in den Spiegel zu blicken. Ich hatte Angst, Angst vor den Ameisen, welche meinen Körper zerstörten. Ein eigenartiges Gefühl der Schwäche hatte von mir Besitz ergriffen, aber ich blieb nicht zuhause. Ich rannte weg. Lauf lauf lauf lauf. Das flüsterte die leise Stimme, welche klang wie Fingernägel auf Schiefer. Und ich tat, was sie von mir wollte: den ganzen Tag bewegte ich mich, lief, rannte. Ich verstand nicht, dass man vor sich selbst nicht weglaufen kann.

Life gets better together (LGBT+)Where stories live. Discover now