Teil 25

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Durch das Zuschlagen der Haustür wachte ich auf. Sam kam in die Wohnung.

„Aufstehen, ich hab Essen besorgt."

Ich rieb mir die Augen und setzte mich auf. Sam packte chinesische Fastfood-Boxen aus. Glasnudeln zum Frühstück. Das konnte heiter werden.

„Schlafmütze! Ich war schon kräftig Schadensbegrenzung betreiben. Ich hab schon eine Blume gekauft und zu Valerie gebracht. Der Blumenhändler war voll nett. Hat mir die Bedeutung der Blumen gesagt. Ich hab mich für Goldlack entschieden. Das heißt, ich sehne mich nach dir. Also nach Valerie. Dann war ich bei Sara. Ich hab ihr erklärt, dass das alles meine Schuld sei. Aber ich glaube, sie is jetz einfach nur zusätzlich sauer auf mich."

Er sah sich die Essstäbchen an, dann holte er aus der Küche zwei Gabeln.

„Komm, das Essen wird kalt."

Schweigend aßen wir die Nudeln. Es gab Zeiten, da hatte ich mich nur von Fast Food ernährt. Doch nun, nachdem ich fast zwei Wochen von Selbstgekochtem gelebt hatte, merkte ich den Unterschied. Ich bot Sam an, das Abendessen zu kochen.

„Der Herd is kaputt."

„Seit wann?"

„Seit fast nem Jahr."

„Warum lässt du ihn nicht reparieren?"

„Weil ich ihn sowieso nich benutze."

Damit war das Thema erledigt. Es gab Momente, in denen ich mich über Sam aufregen konnte, und dieser gehörte eindeutig dazu. Doch ich war nicht in der Position, mich nun aufzuregen. So schwiegen wir uns an. Sam wartete, bis ich mit dem Essen fertig war, und warf dann beide Kartons in den Müll.

„Was machst du heute?"

„Ich muss Karten bei ebay und meinem Onlinestore einstellen."

„Die, die du mit meinem Geld gekauft hast?"

„Nein, die sind hier noch zu unbekannt. Aber weißt du, es gibt ja immer Karten, die sehr selten sind. Deswegen öffne ich ab und an ein paar Päckchen und suche dann die wertvollsten heraus. Und diese stelle ich dann einzeln ins Netz."

„Sammelst du auch?"

„Dafür habe ich keine Zeit. Dann müsste ich mich noch mehr damit beschäftigen, aber ich kann mich nicht auf eine Art von Karten spezialisieren, ich muss ja von allem ein bisschen Ahnung haben. Ich kenne die wichtigsten Karten jedes Spiels, aber mehr auch nicht. Verstehst du?"

Ja, ich verstand.

„Gut. Und was machst du heute?"

Diesen Satz hatte ich oft von Linda gehört, wenn sie mit ihrem Hosenanzug in der Küche stand, die Zeitung in der einen und den Kaffee in der anderen Hand. Sie regte sich oft über das Format der Zeitung auf. Wer kam auf die Idee, eine Zeitung so groß zu machen? Sobald mehr als eine Person am Esstisch saß, konnte man die Zeitung nicht richtig auffalten. Sie sagte mir einmal, nach dem Studium musste sie sich entweder für Kinder oder für die tägliche Zeitung entscheiden. Denn beides zusammen hat an einem Tisch keinen Platz. Sie hatte sich für die Zeitung entschieden. Ich auch.

Linda stand dann in der Küche, kurz vor dem Absprung, beobachtete mich in meinen Boxershorts und fragte mich genau das. Was machst du heute? Sie fragte, obwohl sie die Antwort wusste. Ich würde schreiben und den Tag verbringen. Das, was ich an den anderen Tagen auch tat. Diese Frage war wie ein Hieb mit einem Schwert aus Worten. Wie eine unterschwellige Anschuldigung, dass ich nichts auf die Reihe brachte. Seit Jahren redete ich vom großen Durchbruch und doch tat ich jeden Tag nichts anderes als am Tag zuvor. Ich wusste nicht, ob Linda die Frage mit diesen Hintergedanken stellte, aber ich hatte eine regelrechte Phobie vor dieser Frage. Immer öfter, wenn ich aufwachte und sie noch in der Küche hörte, blieb ich im Bett und tat so, als würde ich schlafen, nur um dieser Frage zu entgehen.

Das Leben ist ein Erdbeben und ich stehe neben dem TürrahmenWhere stories live. Discover now