Teil 11

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Es war noch nicht einmal neun, als mich der Lärm der Mädchen aus dem Schlaf riss. Emma hatte Violet wegen ihrer Verletzung geärgert und jetzt jagten sie sich lauthals quer durchs Haus. So schlimm konnte die Verletzung also nicht sein, wenn das größere der kleinen Monster schon wieder so laut und so schnell sein konnte. Mit verklebten Gedanken stellte ich mich auf den Flur.

„Könnt ihr nicht ein bisschen leise sein?"

Emma bremste kurz ab.

„Och, Onkelchen ist schlecht drauf."

Dann rannte sie wieder los, um vor mir und Violet sicher zu sein. Ich tapste durch das Wohnzimmer in die Küche, in der ich Martin antraf. Er schaute von seinen Cornflakes auf.

„Guten Morgen."

„Morgen. Ob er gut ist, weiß ich noch nicht. Zumindest ist er sehr laut."

„Das ist jedes Wochenende so."

„Kann man sie nicht länger wach bleiben lassen, damit sie länger schlafen?"

Martin schüttelte den Kopf.

„Sie gewöhnen sich zu schnell daran. Dann hast du ein Riesengemecker, wenn sie Montag früh in die Schule müssen."

„Fragt sich, was erträglicher ist."

„Das hier, vertrau mir."

Er schob mir die Milch rüber.

„Was machst du heute?"

„Ich muss meine Wäsche zu Sam bringen, Sara hat mir verboten, sie hier zu waschen."

„Warum eigentlich? Ich versteh nicht, warum Mama dir das verboten hat."

Ich zuckte die Schultern.

„Ich verstehe vieles nicht, was deine Mama sagt. Aber Sam hat mir angeboten, dass ich vorbeikommen und sie bei ihm waschen kann."

Das tat ich dann auch. Ich stopfte einen Koffer voll mit meinen dreckigen Klamotten und machte mich auf den Weg. Da ich mit dem Koffer nicht Martins Fahrrad benutzen konnte, machte ich einen schönen Samstagmittagspaziergang.

Verschwitzt kam ich bei Sam an. Zumindest den Berg hinauf hätte ich den Bus nehmen können. Ich hoffte, Sam hatte genug Flüssiges da, damit ich das verlorene Wasser wieder reinbekam. Doch Sam war gar nicht da. Sein Handy hörte ich hinter der verschlossenen Tür klingeln, als ich ihn anrief. Verdattert und sauer stand ich vor seiner Tür. Wo sollte ich nun meine Wäsche waschen?

Bis ich im Waschsalon in Cannstatt stand, war ich der festen Überzeugung, Waschsalons seien eine Erfindung amerikanischer Hollywood-Filme. Doch der hier war echt. Nur dass hier keine hübschen Mädchen saßen, mit denen man ins Gespräch kommen konnte. Erst abends erreichte ich Sam.

„Wo warst du heute?"

„Ein wichtiges Geschäft."

„Ich stand vor deiner Tür. Mit meiner Wäsche."

„Ups."

„Ups? Wir sollten an unserer Kommunikation arbeiten."

Sam lachte.

„Es tut mir leid. Willssu jetz vorbeikommen und sie waschen?"

„Ich komme vorbei, aber die Wäsche habe ich schon gewaschen."

„Dann komm vorbei. Bis gleich."

Ich legte auf und drehte meinen Kopf in die Richtung von Martins Zimmer

„Martin, ich würde noch ein bisschen zu Sam gehen. Ist das in Ordnung?"

Er kam die Treppe runtergelaufen und setzte sich auf die Stufen, auf meiner Augenhöhe.

„Ja, ich bringe die beiden ins Bett."

„Ist etwas?"

„Ich denke nach, über Tabea und Lena."

Ich wusste, ich konnte ihm nicht helfen, das musste er selbst machen.

„Ich komme nicht so spät nach Hause, dann unterhalten wir uns mal, gut?"

„Gerne, bis dann."

Als ich in die Wohnung kam, saß Sam schon mit einem Bier auf seinem schmalen Balkon, also setzte ich mich neben ihn und erzählte von meinem ersten Porno und der Kritik.

„Ja, das Ganze is vielleicht doch nich so leicht, wie man glaubt."

„Vor allem weiß ich nicht, ob es überhaupt das Richtige ist."

„Ach Goofy, du kanns doch nicht nach einem Versuch aufhören! Probier's doch noch mal."

„Ja, das mache ich ja, aber ich weiß nicht, ob das funktioniert."

„Darüber machen wir uns nach Dienstag Gedanken. Oder nein, noch besser, versprich mir, du bis mindestens einen Monat lang dabei. Vier Geschichten. Deal?"

Ich wusste nicht, ob ich das konnte, und vor allem wusste ich nicht, dass das alles nur eine Falle war, also sagte ich zu. Ich verabschiedete mich bald wieder von Sam, ich wollte noch mit Martin reden.


Das Leben ist ein Erdbeben und ich stehe neben dem TürrahmenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt