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Stas nahm mich an meinem Handgelenk und zog mich endlich aus dem Zimmer. "Es ist ja bald wieder Mitternacht. Dann ist die Blutabnahme. Also sozusagen unser Mittagessen. Dann kannst du ja gleich mal deinen Hunger stillen", erklärte er mir. Geschockt schaute ich ihn an: "Du bist doch verrückt!", ich entzog mich seinem Griff und schaute ihn entsetzt an, "ich werde das auf jedenfall nicht trinken!"
"Du bist aber jetzt ein Vampir, Isabella. Du hast keine andere Wahl", sagte Stas immer noch ruhig.
"Ich will und werde kein Menschenblut trinken! Schreibs dir aus dem Kopf!", protestierte ich. Er seufzte genervt, aber blieb still. Nach kurzem Schweigen liefen wir weiter.

Wir gingen durch einen langen Gang, der mit dunklen Wänden und einigen Gemälden beschmückt war. Es sah fast genauso aus wie in einem Schloss, das ich mal in einem Buch gesehen hab. Ich glaub das war "Die Schöne und das Biest"... Komischerweise sahen wir niemanden. "Wieso laufen hier keine Vampire rum?" Keine Antwort... Wir verließen den langen Gang und erreichten eine große Tür.

"Stas, wohin führst du mich eigentlich?" Er öffnete die gewaltige Tür und ich sah auf eine weite weiße Wiese hinaus. "Nach draußen.", sagte er schließlich. Langsam versuchte ich die frische Nachtluft einzuatmen. Endlich bin ich wieder draußen! Ich spürte wie die kalte Luft meine Lunge entlang lief. Dann atmete ich sie wieder aus. Vier Jahre saß ich in dieser Gruft fest. Nun bin ich endlich draußen! Begeistert rannte ich los und sprang auf das schneebedeckte Gras. Erstaunlicherweise war dies für mich gar nicht mehr kalt, sondern sogar angenehm warm. Ich benahm mich wie ein kleines Kind: Denn ich sprang immer wieder durch den Schnee und lachte.
"Hast du dich dann mal langsam wieder eingekriegt?", beschwerte sich der Adelige. Ich drehte mich leicht genervt zu ihm und wurde sofort wieder Ernst: "Warum hast du mich eigentlich nach draußen geführt?"
"Komm mit."
Boah, maan, er soll mal nicht so auf Geheimnistuerrei machen...

Wir näherten uns einem Wald und schon hörte ich das laute Rascheln der Tiere. Ich schaute zu Stas hoch und bemerkte, dass seine Augen rot aufleuchteten. Anscheinend durchsuchte er irgendwas.
"Isabella, hörst du das?" Ich lauschte. Stimmt! Ich hörte ein leises Ein- Ausatmen! Ich schaute angespannt in die Richtung aus der das Geräusch kam. Und tatsächlich! Da lag seelenruhig ein Reh und schlief. Irgendetwas in mir regte sich und ich blickte mit einem Auge zu Stas. "Was soll ich jetzt machen? Ganz normal das Reh anglotzen oder was?" Stas seufzte: "Nein du sollst sein Blut trinken! Wenn du kein Menschenblut willst dann bedien dich wenigstens an Tieren! Aber irgendwann wird dir das auch nicht mehr reichen." Was meinte er bloß damit? Ist mir aber auch jetzt egal, ich habe Hunger!

Gespannt wartete ich darauf, was Stas nun als nächstes tun würde. Er sprang leise und geschickt auf einen dicken Ast und ich sprang tollpatschig hinterher. "Psst! Bisschen leiser bitte! Und konzentrier dich!", fauchte er mich an. Dann flog er zum Nächsten und ich ebenso. Und so weiter... bis das Reh unter uns war. Erneut schaute ich zum Adeligen hoch. Dieser nickte mir mit den rot glühenden Augen zu, ich frag mich, ob ich wohl auch solche Augen habe?, und wir beide stürzten uns auf das Tier. Ich packte es am Hals und biss genüsslich in seine Kehle. Ich hörte noch ein leises Keuchen, das aber sogleich wieder verschwand.

Das Blut floss langsam meinen Hals herrunter und stillte meinen Hunger. Jedoch nicht ganz. Verwirrt riss ich mich los und biss in ein Oberschenkel und saugte daran. Wieder nicht! "Stas? Warum werde ich nicht satt? Ich hab doch schon so viel getrunken!".
"Ich habs dir ja gesagt: Du kannst nur von Menschenblut satt werden."Das hätte er ja auch früher sagen können! "Oder du trinkst meins."
Ich starrte ihn entgeistert an.

"Was machen wir jetzt mit dem Reh? Lassen wir es hier einfach der Natur aus?" Er nickte und griff irgendwie reflexartig nach meiner Hand. Fragend schaute ich zu ihm hoch. Stas biss sich mit seinen Reißzähnen in die Unterlippe und Blut floss aus dem kleinen Löchlein. Ich schaute ihn mit großen Augen an und näherte mich ihm.
Nein! Easy! Lass das! Was tust du da?!
Ich hatte überhaupt keine Kontrolle mehr über mich.

Meine Lippen hielten kurz vor Stas' seinen an. Ich fuhr langsam mit der Zunge über seinen Kinn bis hoch zu seinem Mund und liebkoste seine wunde Stelle. Dann kam etwas, was ich überhaupt nicht wollte: Mein Dämon gab sich förmlich dahin und küsste ihn sanft.
Nein, nein... Warum?!
Stas erwiderte ihn natürlich und so wurde aus einem sanftem Kuss ein Leidenschaftlicher. Er vertiefte ihn mehr und mehr, sodass wir bald auf dem Boden waren und ich auf ihm lag. Doch dann löste sich der Adelige von mir und sah mich an. Da! Schon wieder! Sein böses Grinsen!





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