Prolog

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Prolog

Rückblickend bin ich nur ein kleiner, armer, mickriger Nebendarsteller. Der romantische, verträumte schwule Wicht, dessen großer Auftritt der Moment war, indem er kläglich verreckt ist. Großartig, ernsthaft. Da weht mir der Geruch der Freiheit wie eine fantastische Verlockung um die Nase, eine zauberhafte Abwechslung nach der langen Zeit der Einengung und der beraubten Möglichkeiten, und im nächsten Moment verliebt sich irgendein Spinner in mich und bringt mich einfach um. Ich meine, der Teil mit dem Verlieben ist mir nicht neu. Ich bin einfach einer dieser interessanten Menschen, in die man sich schnell verliebt. Das soll jetzt wirklich nicht eingebildet sein! Es ist einfach ein Fakt, auf den muss ich auch nicht stolz sein. Denn dafür klappen Dinge bei mir nicht, die andere Leute schon hinkriegen. Wie zum Beispiel am Leben bleiben. Da habe ich ja komplett versagt. Aber das mit der Liebe, oh ja, das war voll mein Ding. Sogar Amor liebt mich, sonst würde er nicht so verdammt viele Pfeile verschießen. Und vor lauter Verzückung über mein Sein, schießt er daneben und trifft so einen kranken Penner wie Traver. Der mich dann an einen Baum nagelt. Und ich meine das jetzt nicht zweideutig, ich meine das wortwörtlich.

Tja, und dann war's das.

Das war das Ende meiner Geschichte, meines Seins, doch die Welt drehte sich weiter als wäre nie was geschehen. Und die anderen, tja, denen blieb ja auch nichts übrig, als weiter zu ziehen. Ich war ein bisschen enttäuscht, wie sehr sich ihre Trauer in Grenzen hielt. Na ja, Robin ist schon ein bisschen ausgeflippt, das überemotionale Ding.

Die war mir sowieso von allen die liebste. Trotzdem beobachte ich jeden der vier gleichermaßen. Ich fühle mich wie ein Voyeur, oder eine heilige, über allen schwebende Mutter, ein wachsamer Späher; ach, lassen wir den göttlichen Scheiß. Das mit dem Voyeur gefällt mir am Besten.

Ja, ich beobachte sie, meine ehemaligen Zellengenossen, beneide ihr Glück und ihren Schmerz, beneide ihre Freiheit und ihre Möglichkeiten. Ich komme nicht von Ihnen los, weiß der Geier, warum ich das Leben nicht ziehen lassen kann. Ich bin noch nicht bereit dafür. Ich wollte wissen, wie es weiterging. Und ich war sehr entzückt darüber, wie die Verrückten sich durchgeschlagen haben. Bewundernswert. So farbenfroh, so intensiv, so voller Liebe und Hass und Drama, so ... lebendig.

Manchmal besuche ich auch Jonas. Doch das tut einfach zu sehr weh. Außerdem ist das nicht meine Geschichte. Ich bin schon längst gestorben, was bleibt, ist ein stinkender Haufen Knochen, mein zartes Gesichtchen ist mittlerweile bestimmt ein eingefallenes, verwesendes Gebilde, welches meinem früheren Antlitz nicht im Traum mehr ähnelt.

Es geht schon lange nicht mehr um mich. Es geht um Bone, Sunny, Ginger und Robin. Obwohl ich schon verstehen könnte, wenn auch der eine oder andere an meinem Schicksal interessiert wäre. Wie ist das so, tot sein? Also, ich würde mich nach der Antwort verzehren, vor allem, weil ich ja trotzdem ein superspannender Charakter war. Ich bin wirklich viel zu früh aus dem Leben geschieden.

Nun ja, ich muss euch aber leider enttäuschen, was die Antwort auf den Tod angeht - Ich will echt nicht Spoilern!

Denn, ha ha, keine Sorge, jeder von euch wird herausfinden, wie sich sterben anfühlt.

Früher oder später.

Und jetzt, Schluss mit Kuss, wünscht euch Puss.

Vier WeltenWhere stories live. Discover now