„Ich traue ihm nicht."

Gloria verdrehte die Augen. Eigentlich war sie auch eher von der Sorte schüchtern, doch sobald wir zu Zweit hinter geschlossenen Türen saßen, strotzte sie vor Selbstbewusstsein.

„Sollst du ja auch nicht! Aber wenn er wirklich auf dich stehst, würdest du ihn ranlassen?"

Ich legte meinen Dein-Ernst-?-Blick auf und neigte meinen Kopf schief. „Ranlassen?", wiederholte ich ihre Wortwahl.

„Naja, du weißt schon. Ein paar Dates, ein paar Küssen, ein bisschen Kuscheln und Fummeln."

„Gloria!", unterbrach ich sie. „Es reicht. Er ist ein Mistkerl und ich werde mit ihm weder kuscheln, noch fummeln."

„Aber küssen?"

Ich griff nach einem Kissen und warf es in ihre Richtung. Sie wich aus und lachte.

„Was denn? Er sieht doch gut aus."

Ich seufzte. Ja, das tat er.

Wir hatten schon oft sein Facebook-Profil gestalkt. Er gehörte zu der Sorte Mensch, die Privatsphäre nicht kannten und fast täglich neue Fotos uploadeten. Wir hatten es uns zum Spaß gemacht uns regelmäßig durch seine Fotos zu klicken. Er hatte durchaus einen Hang zur Selbstdarstellung und schien mit seiner Frontkamera ein sehr intimes Verhältnis zu pflegen.

„Er sieht gut aus. Mehr aber auch nicht. Er ist ein Ekel und mit so etwas will ich nichts zu tun haben!"

Gloria grinste. „Warum hast du dich dann von ihm durch die Schule führen lassen?"

Ich hatte gehofft, dass sie diese Frage nicht stellen würde. Ich hatte nicht wirklich eine Antwort darauf. Es war einfach ein schönes Gefühl gewesen, dass er mit jemanden wie mir Zeit verbringen wollte. Das hätte ich nie für möglich gehalten.

„HA!", rief Gloria triumphierend. „Siehst du, du stehst auf ihn!"

„Red keinen Mist", bremste ich sie genervt aus. „Ich hasse ihn. Und das meine ich wirklich so."

Sie biss sich auf die Unterlippe. Dann begann sie schief zu grinsen. „Dann nutze es aus."

„Was meinst du?"

Sie machte eine Grimasse. Gloria führte sich gerne auf, als wären wir in einer Soap und als würde die Welt voller Verschwörungen sein.

„Nutze ihn aus! Brich ihm sein Herz!"

Ich begann laut loszulachen. „Ja, ist klar. Als ob Jona so etwas wie ein Herz besitzt! Da ist maximal ein schwarzes Loch, dass alles Böse anzieht und es dann an seine Mitmenschen verteilt."

„Okay, okay", lenkte Gloria ein. „Vielleicht hat er kein Herz, aber er hat ein überdimensionales Ego. Das kannst du zerstören. Stelle ihn bloß! Zeig ihm, wie es sich anfühlt, wenn man zum Gespött der Leute gemacht wird!"

Gloria schien völlig überzeugt, von dem, was sie da redete. In meinen Augen hatte sie einfach zu viele Serien gesehen, in denen Intrigen wirklich funktionierten.

„Wie soll ich das denn bitte anstellen?"

Sie verengte ihre Augen, wodurch ihre eh schon buschigen Augenbrauen noch gigantischer wirkten. „Lerne ihn besser kennen. Finde seine Schwächen heraus. Jeder Mensch hat Schwächen. Selbst er!"

„Gloria!", sagte ich nun ernst. „Du weißt, dass ich nicht so bin. Ich wüsste nicht mal, wie ich mit ihm normal reden soll."

Theatralische rollten ihre Pupillen einmal im Kreis.

„Auch wenn er ein Y-Chromosom und ein Arschloch-Gen besitzt, wirst du doch wohl in der Lage sein mit ihm zu reden. Du siehst Hammer aus und er steht auf dich. Alles, was du jetzt noch machen musst, ist seine niederen Triebe anzusprechen. Spiel mit deinen Reizen und er wird dir aufs Wort hören. Er ist ein Mann und die sind schwanzgesteuert! Nutze das aus!"

Das war so lächerlich, dass ich kichern musste

„Ich soll mit meinen Reizen spielen? Sehe ich aus, als hätte ich eine Ahnung, wie ich das mache? Bis vor kurzem hätte man mich noch als Hüpfburg benutzen können und meine Brüste waren von meinen Fettringen kaum zu unterscheiden. Wie soll ich denn da bitte mit meinen Reizen spielen?"

Gloria spuckte immer gerne große Töne, doch die Wahrheit war, dass sie mit Jungs so viel am Hut hatte, wie der Nordpol mit Südpol. Ein Junge musste sie nur angucken und schon verwandelte sich ihr Gesicht in eine Tomate. Gloria war dünn. Um genau zu sein, sah sie aus wie ein Spargel. Rundungen oder eine Taille suchte man bei ihr vergeblich. Die Pubertät ließ bei ihr immer noch auf sich warten. Nur die fiesen Pickel hatten bei ihr verraten, dass sie langsam eine Frau wurde und ihre Hormone dafür sorgen würden, dass sie sich für das andere Geschlecht interessieren würde.

„Mach, was eine Frau tut. Trage ausgeschnitten Sachen und beuge dich vor, sodass er einen vorteilhaften Blick auf deine Brüste hat. Fahre dir durch die Haare und iss eine Banane um ein bisschen Erotik in die Sache zu bringen und seine sexuellen Bedürfnisse anzusprechen."

Ich schlug mir am Rande der Verzweiflung meine Hand gegen die Stirn. „Aus welcher Teenie-Zeitung hast du dir denn diese primitiven Sachen rausgeschrieben?", zog ich sie auf.

Sie warf ihre Hände in die Luft.

„Nichts gegen die Girly Time. Die haben wirklich gute Tipps. Dank ihnen weiß ich jetzt wie ich Smokey Eyes schminken kann. Das war eine echt gute Anleitung."

„Nur weil eine Zeitung gute Schminktipps gibt, heißt das nicht, dass sie auch gut in Liebessachen sind. Einen guten Schneider frage ich schließlich aus nicht, ob er mir meine schlaffe Brust straffen kann."

Sie sah mich mahnend an. „Deine Brüste sind hübsch", widersprach Gloria mir und ignorierte meinen Einwand bezüglich der Flirt-Tipps.

„Sind sie nicht. Die hängen wie leere Hautlappen runter."

Das war der Nachteil vom schnellen Abnehmen gewesen. Die Haut an der Brust hatte sich nicht so schnell zurückbilden können, weshalb meine Brüste aussahen wie Luftballons, aus denen man die Luft herausgelassen hatte. Sie hingen vollkommen schlaff von meinem Oberkörper herunter. Der Anblick war ein Jammer. Es war das einzige Körperteil, das durch die Diät in Mitleidenschaft geraten war. Bauch und Beine waren glücklicherweise wieder straff geworden.

„Ach Quatsch", tat sie es ab. „Du siehst gut aus und genau deshalb wirst du Jona auch um den Finger wickeln können."

FATWhere stories live. Discover now