Tag 1 - Part 4

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 Der Bodensee war wunderschön und der Strand, an den sie fuhren, bis auf einige Menschen leer und ruhig. Auf dem See fuhren Boote und Segelschiffe und die Möwen kreischten.
Es war wirklich fast so gut wie Meer, nur dass das Wasser nicht salzig war und Schilf manchmal am Ufer stand. Auch konnte man in weiter Ferne das andere Ufer erkennen – es fehlte also ein bisschen an der Grenzenlosigkeit.
Sie waren bereits im Wasser gewesen und Stegis Herz öffnete sich immer weiter, weil es so unglaublich viel Spaß mit Tim machte. Sie alberten rum und drückten sich unter Wasser, als wären sie zwölf.
Es war etwas anderes, als im Internet. Nicht wertvoller, aber anders.
Sie lagen am Strand auf ihren Handtüchern in der warmen Sonne und Stegi fühlte sich gut. Es war eine tiefe Ruhe, die ihn komplett durchdrang und irgendwas beruhigte, das sonst immer aktiv und laut war.
Tim war schon im Alltag ein Anker für Stegi. Aber hier – mit dem Rauschen der Wellen auf diesem unglaublich großen See und dem sonnenwärmedurchtränkten Sand – konnte diese Ruhe und dieser Frieden sich in ihm entfalten.
„Ich will hier nie wieder weg", murmelte Stegi und Tim sah von seinem Buch auf und lächelte. „Dann lass uns bleiben, bis du so starken Sonnenbrand hast, dass du freiwillig reingehst."
„Oh verdammt", fluchte Stegi und hievte sich hoch. „Bin ich schon sehr rot?" Helle Haut war wirklich ein Fluch.
„Die Sonnencreme ist bestimmt noch im Kofferraum", meinte Tim, machte aber keine Anstalten aufzustehen.
„Wo hast du den Schlüssel?", fragte Stegi.
„Hosentasche." Stegi schnappte sich Tims Hose und fischte den Autoschlüssel raus. Er sah an sich hinab. Seine Badehose ging bis zu den Knien... Er zog also nur rasch ein T-Shirt über und schlüpfte ohne Socken in seine Turnschuhe.
„Sonst noch was?", fragte er Tim. „Wenn ich schon losrenne?"
„Was zu trinken wäre ganz geil", meinte er und sah auf. „Ich weiß aber nicht, ob was im Auto ist."
„Meine Mutter hatte doch ein Sixpack Saft reingepackt, oder? Na, ich schau mal." Damit stiefelte Stegi los durch den Sand bis zum Ufer, wo der Grund wieder fester wurde.
Am Auto warf er einen prüfenden Blick in den Seitenspiegel. Er war tatsächlich um die Nase schon ein wenig rot geworden. Er schmierte sich auf Arme, Beine und ins Gesicht schon mal Creme und nahm auch eine Zwei-Liter-Flasche Fanta mit (also doch kein Saft).
Die Flasche stellte er neben Tim ab, als er wieder da war. Der setzte sich auf, murmelte „Danke" und starrte Stegi dann kurz an, bevor er breit zu grinsen begann.
„Was?", fragte Stegi stirnrunzelnd.
Tim lachte nur und wischte Stegi über die Wange und zeigte ihm dann seine weißen Finger. „Du hast es mit dem Sonnenschutz ein bisschen übertrieben. Oder ist das Kriegsbemalung?"
Stegi verwischte die Sonnencreme und seine Hand verweilte kurz da, wo Tim ihn berührt hatte. Der war inzwischen mit der Fanta beschäftigt. Stegi schüttelte das komische Gefühl ab und cremte sich ungelenk die Schultern ein.
„Komm her, das kann ja keiner mit ansehen", meinte Tim und nahm ihm die Sonnenmilch weg, um ihm den Rücken einzucremen. Tims Hände waren ein wenig kühl.
„Soll ich dich dann auch eincremen?", fragte Stegi und merkte, dass sein Mund ein wenig trocken war. Er nahm die Fantaflasche und trank einen Schluck.
„Ja, wär vielleicht besser", antwortete Tim. „Ich krieg nicht so schnell Sonnenbrand, aber am Strand weiß man ja nie."
„Hmm, genau." Er drehte sich zu Tim um, weil er seinen Rücken für eingecremt genug hielt. Tim hielt ihm die sonnenmilchigen Hände entgegen und lächelte. Stegi schnappte sich eine Hand, schmierte etwas von der Sonnencreme auf seine Hand und patschte die Tim lachend ins Gesicht.
Danach jagten sie einander über den Strand, bis Tim schließlich im See landete und Stegi ebenfalls von oben bis unten nassgepatscht war. Sie lachten immer noch und japsten dabei nach Luft.
Sie tapsten in einvernehmlichen Frieden zurück zu ihren Handtüchern. Stegi hob die Sonnencreme auf. „Wollen wir deinen Nacken jetzt vorm Verbrennen schützen?"
Tim nickte und ließ sich auf sein Handtuch fallen. Stegi setzte sich hinter ihn und schmadderte ihn ein. „Ich beneide dich echt, dass du nicht so schnell Sonnenbrand kriegst", meinte Stegi nachdenklich. „Ich verbrenn immer wie ein verdammter Vampir."
Tim lachte glucksend. „Vielleicht solltest du mehr Zeit draußen verbringen? Je brauner man ist, desto unempfindlicher wird man auch."
„Ach nee." Stegi schmierte den Rest Sonnenmilch, den er an den Fingern hatte an seinen eigenen Oberschenkel und rückte von Tim ab. „Bin und bleibe Stubenhocker."
Er legte sich bäuchlings auf sein Handtuch. Inzwischen war die Sonne eigentlich gar nicht mehr so intensiv, es war schon kurz nach fünf, wie er mit einem Blick auf sein Handy feststellte. „Müssen wir noch einkaufen?", fragte er und sah zu Tim hoch, der neben ihm saß und zurückschaute.
„Weiß nicht. Vermutlich schon, wenn du noch was essen willst. Na, und morgen Frühstück." Tim legte sich ebenfalls hin und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
„Wir können von hier ja was futtern gehen irgendwo und morgen zum Frühstück auch irgendwo ranfahren und was vom Bäcker holen", schlug Stegi vor. Er hatte eh keine Lust, selbst etwas Essbares zusammenzuschütten – das ging bei ihm nämlich in mindestens 60 Prozent der Fälle fürchterlich schief.
„Okay", sagte Tim nur und Stegi hob leicht den Kopf, um ihn anzusehen. Er hatte die Augen geschlossen und sah aus, als wäre er kurz vorm Wegpennen. Kein Wunder, er war schließlich sehr, sehr lange Auto gefahren.
Stegi legte sein Kinn auf seine Arme und sah auf den See hinaus.
Es war einfach unglaublich, unglaublich schön, mit Tim hier zu sein. Es war, wie eine eigene kleine Dimension zwischen Alltag und Urlaub, Realität und Internet. Es war eine kleine Traumwelt.

Tim war wirklich eingeschlafen und Stegi ließ ihn in Ruhe. Seine Mutter hatte ihm eine SMS geschrieben:„Ich hoffe, ihr seid inzwischen da?" und „Wenn du dich nicht bald meldest, ruf ich Tim an! Und ja, ich hab die Nummer!"
Stegi verdrehte die Augen und war kurz davor, auf Tims Handy nachzusehen, ob sie ihre Drohung wahr gemacht hatte. „Alles gut. Kennst mich doch", schrieb er ihr und sofort kam die Antwort: „Es kann immer was passieren. Habt Spaß und esst vernünftig!"
„Sicher doch." Stegi grinste. Er sah zu Tim, der immer noch schlief und dann sah er auf den See hinaus, der unglaublich blau und schön war in der frühen Abendsonne. Inzwischen waren die Temperaturen auch ganz schön gefallen, waren vielleicht noch bei 22 Grad.
Er scrollte sich durch seine Nachrichten auf Whats app, Twitter und seine Mails, hatte aber überhaupt keine Lust, irgendwelche zu beantworten. Stattdessen legte er sich wieder hin und sah in die Wolken und dachte nach.
Über sein Leben und Varo und Tim und Minecraft und Uni und Wolken und...  


Lächerlich [Stexpert]Where stories live. Discover now