Tag 2 - Part 4

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 Sie entschieden sich gegen ein spätes Mittagessen irgendwo und futterten lieber noch belegte Brötchen, Kekse und Chips am Strand. Sie waren so richtig faule Strandgänger, die sich nicht einmal von ihrem Fleckchen wegbewegten, außer um übermütig ins Wasser zu rennen oder mal den Marsch zu einer öffentlichen Toilette (die es zum Glück im Umkreis gab) anzutreten.
Stegi hatte einen zerfledderten Collegeblock mitgenommen und kritzelte Skizzen auf das linierte Papier. Stegosauren, Delfine und Minecraft-Schwerter mit möglichen Designs, um weiter an seinem Texturepack zu arbeiten.
Als das dritte Schwert immer noch nicht ansatzweise so aussah, wie es sollte, rollte Stegi sich entnervt auf den Rücken und ließ Block und Stift neben sich liegen. Der Himmel war wieder unglaublich blau.
Tim packte sein Buch weg und sah auf Stegi herab, der seine Augen beschattete und zurückguckte. „Hm?", machte er.
Tim erwiderte nichts darauf, sondern legte sich einfach hin und packte seinen Hinterkopf auf Stegis Bauch.
„Hey!", protestierte Stegi matt. „Deine Birne ist schwer."
„Pech", meinte Tim nur und blieb liegen.
Stegi hatte keine Lust weiter zu protestieren – so gemütlich konnte das ja auch gar nicht für Tim sein – und legte seinen linken Arm über seine Augen. Die Temperaturen waren superhoch und der Wind war wie eine warmes Streichen über die Haut.
„Es müsste irgendwo zwischen unseren Städten einen See geben, wo wir beide halbswegs vernünftig hinkommen", murmelte Tim. „Dann könnten wir das öfter machen."
„Ja", stimmte Stegi zu. „Das wäre cool. Vielleicht gibt es ja einen. Wir müssen ihn nur finden."
Tim sagte nichts und Stegi sah an sich herunter zu ihm. Er starrte auf den See hinaus und schien in Gedanken weit weg zu sein. „Oder du ziehst in die Zivilisation", sagte er schließlich und Stegi schnaubte. „Zieh du doch zu mir."
Tim lachte. „Nein, ganz bestimmt nicht."
Sie schwiegen ein bisschen bedrückt. Tatsächlich hatte Stegi schon drüber nachgedacht, aber eigentlich konnte er die Youtube-Sache auch super von zu Hause aus machen und viel Zeit mit Tim und den andern verbringen – wenn auch nur im Internet.
Er hoffte, dass das genug bleiben würde, auch jetzt nachdem er Tim so kennengelernt hatte. So, wie sie gerade waren, mit Tims Kopf an Stegis Seite gelehnt, am Strand mit nichts um sie herum, was irgendwie wichtiger sein könnte.
„Irgendwann leben wir in derselben Stadt", sagte Tim. „Vielleicht in benachbarten Wohnungen. Oder so einer dummen Youtuber-WG. Dann rennen wir gegenseitig in unsere Aufnahmen und nerven uns tierisch."
Stegi war erstaunt von der Sehnsucht in Tims Stimme – oder hörte er sie nur rein, weil er sie selbst verspürte?
Das war so dumm. So lächerlich. Es war doch alles okay, so wie es war. „Bestimmt", sagte er trotzdem und seufzte. „Und dann heiraten wir."
Tim lachte. „Wenn es dann erlaubt ist. Klar."
„Was?", fragte Stegi. „Reicht dir die eingetragene Lebenspartnerschaft nicht?"
„Nö, bin anspruchsvoll."
Sie schwiegen wieder eine Weile. „Wie steht dein Hungerbalken?", fragte Stegi irgendwann.
„Noch gut voll, warum?", fragte Tim.
„Ist mir so durch den Kopf geschossen, dass wir noch das Grillzeug holen müssen. Bin aber auch noch nicht hungrig." Stegi legte den Kopf zur Seite und sah auf den See hinaus. Heute waren kaum Segelboote unterwegs, es wehte kaum Wind. Dafür war allerhand anderer Verkehr.
„Mir ist warm", sagte Tim und rappelte sich hoch. „Ich geh nochmal ins Wasser."
Stegi setzte sich auch auf. „Ich komm mit. Sonst ertrinkst du mir noch."
Tim grinste. „Du rettest mich, wenn ich ertrinke?"
Stegi zwinkerte ihm zu. „Mal schauen." Dann rannte er ohne weitere Vorwarnung ins Wasser und kraulte auf den See hinaus. Tim folgte ihm und tat so, als wäre er ein Seeungeheuer.
Stegi lachte. Er schwamm zu Tim und schlang seine Arme um Tims Hals. „Hab dich", sagte er grinsend und Tim grinste zurück und tauchte unter.
Stegi schwamm wieder zurück ans Ufer, bis er stehen konnte. Plötzlich wurde er an der Taille umschlungen und umgeworfen. Er platschte mit Tim ins Wasser und sie tollten schon wieder durchs Wasser und über den Strand.
Irgendwann war Stegi vollkommen außer Atem und wehrte sich nicht, als Tim ihn über die Schulter warf. „Kann nicht mehr", keuchte er. „Wenn du mich fallen lässt, ertrink ich hier und jetzt."
Tim lachte leise. „Das können wir nicht riskieren." Er trug Stegi ins flache Wasser und stellte ihn auf die Füße. Stegi grinste ihn an.
Tim strich ihm die nassen Haare aus dem Gesicht. „Ich fahr das Grillzeug holen."
Stegi sah ihm erstaunt nach, als er aus dem Wasser stapfte, sein Handtuch nahm und sich im Gehen abtrocknete, von ihren Sachen nur ein T-Shirt und seine Schuhe griff und weiter zum Auto lief.
O...kay? Stegi schüttelte verwirrt den Kopf und setzte sich auf sein eigenes Handtuch. Mit einem Blick aufs Handy sah er, dass es auch schon Richtung Abend ging. Vielleicht hatte Tim ja inzwischen Hunger.
Vielleicht war die Situation aber auch für Tim seltsam. Vielleicht verhielt sich Stegi auch seltsam und Tim wollte weg? Oder... Oder spürte er, dass Stegi in falsche Richtungen dachte und wollte... Keine Ahnung... Das verhindern?
Die Gedanken jagten im Kreis umeinander und Stegi saß nur da und dachte immer wieder dieselben Dinge, bis nur noch Hirnkauderwelsch rauskam. Im Endeffekt konnte er das alles nur ignorieren oder mit Tim darüber sprechen und schon der Gedanke, das anzusprechen, bescherte Stegi Bauchschmerzen und Sorgen.
Tim kam eine dreiviertel Stunde wieder mit einer großen Tüte in der Hand, wo er alles Notwendige zum Grillen eingepackt hatte. „Wieder da", sagte er grinsend und stellte die Tüte ab. Er benahm sich, als wäre nichts gewesen.
Vielleicht war Stegi ja auch nur paranoid. Vielleicht... Ach egal. Er nahm die Tüte und packte den Grill schonmal aus. „Gleich anschmeißen, oder später?"
Tim zuckte mit den Schultern. „Eher später."
Stegi nickte und musterte Tim, der sich den Nacken kratzte und gedanklich woanders zu sein schien. Es schien wirklich alles ganz, ganz normal. Aber wie gut war er schon mit Tims Körpersprache vertraut? Er konnte mehr daraus schließen, wenn sie Minecraft spielten und Tim viel oder wenig sagte.
Dieser Gedanke löste eine gewisse Traurigkeit in ihm aus. Wie seltsam das war.  


Lächerlich [Stexpert]Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum