3. Konflikte

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"Was fällt dir eigentlich ein? Bist du wahnsinnig geworden?", fragte Linda entsetzt, wobei sie den im Gesicht blutverschmierten Richard wieder auf die Beine half. "Hey, er hat zuerst zugeschlagen!", keuchte Konnor, der noch immer von Kart zurückgehalten wurde. "Immer mit der Ruhe, ihr beiden", mischte sich nun auch Jefferson ein. "Gewalt bringt sowieso nichts. Wir müssen doch eine gerechte Lösung finden können, ohne uns gegenseitig die Köpfe abzureissen. Zum Beispiel könnten wir jemanden suchen, der bereit wäre, diesen Stein zu kaufen. Und dann bekommt jeder die gleiche Summe und alle sind glücklich. Für heute ist es aber ein bisschen spät, daher würde ich vorschlagen, dass wir jetzt alle ins Bett gehen und diese Angelegenheit morgen regeln." Ein Gemurmel ging durch die Menge. Jefferson war immer der Vernünftigste und der Gerechteste der Diebesgilde gewesen und ich war sehr erleichtert, dass er eingegriffen hatte."Bitte", sagte ich scheu und als alle mich ansahen, wurde ich wieder nervös. "Äh...Könntest du, Jefferson, den Diamanten bis morgen nehmen?" Entsetzt sah mich Konnor aus seiner Ecke an. "Das ist doch eine gute Idee. Es ist doch am besten, wenn wir Jefferson den Stein übergeben, bis wir unseren Käufer gefunden haben. Nur um sicher zu gehen, dass weder Konnor noch Richard mit dem Stein abhauen", stimmte auch Kart zu und lockerte allmählich seinen Griff um Konnors Ellenbogen, die er ihm schmerzhaft auf den Rücken gedreht hatte. Alle stimmten zu und gingen langsam in Richtung der Betten. Nur Konnor und Richard standen noch sichtlich unzufrieden an Ort und Stelle und funkelten sich gegenseitig immer noch zornig an. Ich ging langsam auf Jefferson zu, der mir lächelnd den Stein abnahm und ihn in einer kleinen Holzschatulle verschwinden liess. Das schlechte Gewissen überwältigte mich bei diesem Anblick, denn ich wusste, dass ich gerade eben Konnors Träume zunichte gemacht hatte und er mir nie verzeihen würde. "Konnor, es tut mir leid", flüsterte ich und wandte mich ihm zu. Er sah mich nicht an, sondern lief beleidigt aus der Hütte.

Draussen war es inzwischen kühler geworden und ein klarer, mit Sternen besetzer Nachthimmel hatte inzwischen die Welt umfangen. Es dauerte eine Weile, bis ich in der Dunkelheit seine Gestalt, die sich gehetzten Schrittes von der Hütte entfernte, ausmachen konnte. "Konnor, warte doch!", rief ich ihm nach und begann zu rennen, um ihn aufzuholen. Er schien mich nicht gehört haben, oder er ignorierte mich absichtlich. Erst als ich bei ihm war, und ihn wieder mit "Konnor, warte doch!" anflehte, blieb er abrupt stehen. "Es tut mir leid", wiederholte ich und wollte noch etwas hinzufügen, doch Konnor unterbrach mich. " Du hast alles versaut, Keitha! Einfach alles!"
"Ich weiss... Ich weiss... das mit dem Haus..." , stotterte ich, "aber so ist es doch viel fairer..." Verwundert sah mich Konnor an. "Wovon redest du da? Haus?"
"Ja, davon hast du mir doch heute erzählt", erwiderte ich zögerlich.
"Nein, darum ging es nie, Keitha, es ging um den Diamanten!"
Erschrocken sah ich ihn an. Nun verstand ich wirklich nichts mehr. "Was meinst du?"
"Diesen Diamanten haben wir schon mal gesehen, vor etwa sechs Jahren", versuchte er mir klar zu machen. "Kannst du dich etwa nicht mehr erinnern?" Als ich ihn immer noch fragend ansah, schüttelte er nur den Kopf. "Du weisst es nicht mehr", stellte er fest und schaute mich traurig an. "Komm endlich auf dem Punkt!", verlangte ich schlussendlich verwirrt. "Ich glaube, dass dieser Diamant etwas mit Vaters Verschwinden zu tun hat." Ich schaute ihn überrascht an. Das hatte ich wirklich nicht erwartet.
"Vaters Verschwinden? Vater ist tot, Konnor! Das hat uns Mutter doch auch so viele Male gesagt, das weisst du doch!", hauchte ich und meine Stimme brach, so nahe an der Verzweiflung. Unsere Eltern waren tot, unsere Mutter starb vor kaum einem Jahr an dieser schrecklichen Krankheit, an der hunderte andere ebenfalls zugrunde gingen und seither hatte Konnor die Hoffnung nicht aufgegeben, unseren vor Jahren verschwundenen Vater wieder zu finden. Zu oft, vor allem als Konnor wieder einmal gedacht hatte, Vater gesehen zu haben, hatten wir uns dieses Jahr darüber gestritten.
"Ich weiss, was du sagen willst, aber hör mir zuerst zu. Bitte", flehte er mich an und ich konnte nur ein Seufzen zur Antwort geben.
"Bevor Vater verschwand, hatte er doch dieses Mädchen in der Nähe des Waldes gefunden, weisst du noch?" Ich nickte. "Dieses Mädchen besass eben einen solchen Diamanten. Es gab nur einen Unterschied. Ihrer baumelte an einer Kette um ihren Hals. Ich hatte ihn sofort bemerkt, als Vater sie mit nach Hause gebracht hatte. Ein paar Tage später ist Vater dann mit dem Mädchen und ohne einen Abschiedsbrief hinterlassen zu haben, verschwunden. Ich bin mir sicher, dass dieser Diamant uns zu Vater hätte bringen können, wenn du ihn nicht weggegeben hättest." Ich seufzte wieder. "Das war sicher ein Zufall, oder es war nicht derselbe Stein", versuchte ich ihn verzweifelt zu überzeugen."Lass es sein, Konnor! Vater ist tot!"
"Hörst du mir überhaupt zu, Schwester?", bellte er und fuchtelte verzweifelt mit seinen Armen vor meinem Gesicht herum. "Du könntest mich wirklich auch mal unterstützen!" Wutentbrannt lief er fort, wieder in die Dunkelheit und ich konnte noch so oft nach ihm rufen, er kam nicht mehr zurück.

KeithaWhere stories live. Discover now