Kapitel 46

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"Komm schon Nick, das kann nicht dein Ernst sein!" witzelt Luke. Ich kann aber deutlich erkennen, dass Verzweiflung in seiner Stimme liegt.

"Was denn? Stimmt es nicht? Wer ist sie dann?" fragt er deutlich verwirrt.

Alle atmen enttäuscht aus.

"Hä? Was ist denn? Was hab ich denn jetzt wieder falsch gemacht?"

"Nick, sie ist meine Schwester, da hast du recht. Abe sie ist nicht nur meine Schwester." ergreift Jack das Wort.

"Wie meinst du das? Willst du mir gerade klar machen, dass sie meine beste Freundin ist, oder wie?" fragt er nun diesmal sarkastisch.

Als er die angespannte Stimmung und die ernsten Gesichter sieht, hört er mit den Witzeleien auf.

"Ich-" Ich will ihm sagen, dass ich seine feste Freundin bin, schaffe es aber doch nicht. Einzelne Tränen kullern mir die Wangen runter. Meine Hände wurden zu einer Faust, mein ganzer Körper ist angespannt. Ich kann nicht fassen, dass er sich nicht an mich erinnert. In mir spiegelt sich Trauer, etwas Wut, etwas Hoffnung, aber vor allem Enttäuschung. Ich kann nicht mehr!

Weinend stürme ich aus dem Raum und wische mir die unzähligen Tränen weg. Ich bin verzweifelt! Was soll ich jetzt nur machen?

Ich renne aus dem Krankenhaus. Ich laufe und laufe immer weiter, bis ich an einem Park ankomme. Ich setze mich auf die Bank und weine. Ich weine den ganzen Schmerz aus. Auf einmal bekomme ich ein Taschentuch unter die Nase gesteckt. Ein Junge, ungefähr in meinem Alter, reicht es mir, was ich dankend annehme.

"Ist alles okay?" fragt er besorgt.

"Sieht's so aus, als ob alles okay wäre?!" frage ich etwas zickig.

Ich weiß nicht, woher das kommt. Diese zickige Art ist eigentlich nichts für mich.

Der Junge sieht mich nur etwas verwirrt an.

"Tut mir leid. Es geht bei mir nur momentan alles drauf und drüber" sage ich entschuldigend.

"Nicht schlimm" sagt er daraufhin und lächelt sympathisch.

"Willst du darüber reden?" setzt er an.

Ich überlege einen Moment. Ist es klug, jemanden fremden meine Geschichte anzuvertrauen? Einerseits gibt's da nicht zu verheimlichen, aber andererseits bedeutet mir das alles mehr als viel...

Er merkt meinen angespannten Gesichtsausdruck und spricht weiter:

"Du musst es mir nicht sagen. Es ist nur manchmal leichter mit Fremden darüber zu sprechen, als mit jahrelangen Freunden"

Nach einer Überlegung bin ich dazu gekommen, dass er recht hat.

"Okay. Es fing alles damit an, dass ich einen Freund bekam. Er ist der beste Freund, den man sich je vorstellen kann! Jedenfalls gab es da einen Tag, an dem ich und seine Schwester von seinem kranken Psychopathen entführt wurden. Die Details kann ich dir ersparen, aber der Fakt ist, dass er sich die Schuld dafür gegeben hat und mit mir dann Schluss gemacht hat, da er Angst hatte, dass er mich nicht beschützen kann. Ich war natürlich am Boden zerstört und hab meinem Bruder von der Sache erzählt, der mit ihn dann gesprochen hat. Er hat dann eingesehen, dass es sinnlos ist und war auf dem Weg zu mir, wo er von einem Auto angefahren wurde. Er hat sich verletzt, das ist klar und liegt im Krankenhaus. Aber weißt du, was das schlimmste an der Sache ist? Ich habe nicht damit gerechnet, dass alles noch schlimmer kommen kann, als es schon ist. Er hat sich nämlich nicht nur verletzt. Er hat mich vergessen! Und jetzt weiß ich nicht mehr weiter! Weißt du, wie es sich anfühlt, wenn die Person, die man liebt, sich nicht mehr an einem erinnern kann?! Ich kann dir sagen, wie es sich anfühlt. Scheisse. Einfach nur scheisse."

Ich weine. Ich weine meinen ganzen Schmerz aus, während der Junge mich mitleidig ansieht.

"Das... Tut mir leid" sagt er, nachdem er alles verdaut hat.

"Du kannst ja nichts dafür..."

"Dafür nicht, aber dass du wieder an die ganze Sache denken musst und jetzt wegen mir weinst, weil ich dich zum sprechen gebracht habe"

Er sagt das so beruhigend. Ich fühle mich wohl, als ob ich ihn Vertrauen könnte...

"Danke" sage ich nach einer Weile von Stille.

Er sieht mich nur fragend an.

"Dafür, dass ich mit dir reden konnte. Ich habe so ein Gefühl, als ob ich dir vertrauen könnte" sage ich und lächle ihm am Ende an.

"Nichts zu danken, das ist selbstverständlich. Ich empfinde übrigens ebenso. Kann ich- Kann ich deine Nummer haben?" fragt er am Ende schüchtern.

Voll süß... Aber nein. Ich kenne ihn nicht, auch wenn ich ihm vertraue. Wer weiß, ob er wirklich so ist.

Er merkt mein angespanntes Gesicht und fügt hinzu:

"Wenn du nicht willst ist es auch okay"

Ich antworte nicht, sondern überlege.

"Wie wär's. Ich gebe dir meine Nummer und wenn du willst, kannst du mich anschreiben. Ist es okay so?" schlägt er mir vor.

Ich willige ein und er schreibt mir die Nummer auf den Arm. Ich habe mein Handy bei, aber er meint, dass er sowas immer mal machen wollte und lasse ihn dann.

Wir verabschieden uns und ich mache mich auf den Weg nach Hause.

WEIL ICH DICH LIEBEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt