„Dann erklär mir das", fauchte Marcus und riss die Tüte mit seinen Zähnen auf. Er nahm den Inhalt und rieb es aggressiv ins Gesicht des Jungen. „Sag mir, was das ist! Los, sag es mir!"Der Junge schwieg wieder und versuchte nur der großen Hand von ihm ausweichen, während er immer wieder das weiße Pulver in sein Gesicht rieb. „Mehl!", schrie Marcus, stand auf und trat dem Jungen kräftig in die Magengrube. Er schmiss die Tüte mit dem Rest des Inhalts neben ihn, während der Junge vor Schmerz stöhnte und sich nicht mehr bewegte. Mit angespanntem Kiefer und gerümpfter Nase trat Marcus zu mir. „Hau ihm auf's Maul."

Ich sah ihn verdutzt an. „Was?"

„Ich sagte", quetschte er durch seine Zähne. „Hau. Ihm. Auf's. Maul."

„Ich habe hiermit nichts zu tun. Ich – "

„Tu es!" Marcus Kopf war bereits rot und sein Blick zeigte mir, wie verrückt er eigentlich war. Er brauchte das, diese Schläge, die er verteilte, schenkten ihm Trost und Befriedigung.

Ich zuckte leicht vor seinem Schrei zusammen. In meinem Kopf wusste ich, dass ich die Schläge bekommen würde, wenn ich sie nicht gleich dem Jungen geben würde. Und ich wollte nicht noch mehr Schmerz fühlen.

Also ging ich mit dem Blick an den Boden geheftet auf den Jugendlichen zu, der noch immer gequält auf dem zugeschneiten Boden lag und sich die Hände vor den Bauch hielt. Er hatte bereits große Schmerzen, wieso sollte es mehr werden?

Ich wollte ihm nicht wehtun. Doch ich wollte auch nicht, dass man mir wehtat.

Ich packte ihn am Kragen seiner Jacke und zog ihn auf den Knien zu mir höher, um ihm ins Gesicht sehen zu können.

Er blutete an seiner Unterlippe und sein Blick flehte mich an, ihn in Ruhe zu lassen. Er war noch so jung.

„Jetzt mach's endlich!", brüllte Marcus hinter mir.

Viel lieber hätte ich Marcus eine auf's Maul gehauen, doch ich holte doch schließlich aus und knallte mit meiner Faust, die von der Kälte blau war, auf die Nase des Jungen.

Er jaulte schmerzvoll auf und mich durchzog ebenfalls ein pochender Schmerz an meiner Faust.

„Nochmal!", schrie Marcus.

Ich drehte mich zu ihm um. „Nein, er blutet bereits."

Marcus Blick war wie Gift. „Nochmal."

Ich verstand nicht, wie ein Mensch so krank sein konnte, wie er. Er liebte es Menschen wehzutun und sie zu schikanieren, ganz egal, wie alt sie waren.

Mit mitleidigem Blick sah ich wieder zu dem Jungen, der mich eingeschüchtert betrachtete. Seine Zähne klapperten und seine Augen waren rot.

Er weinte.

Ich holte jedoch trotzdem ein weiteres Mal aus und schlug ihn.

Plötzlich sah ich nicht mehr ihn den Jungen vor mir.

Erinnerungen flammten in meinen Kopf.

„Nein!", schrie der Mann, den ich am Kragen packte. „Bitte! Tu es nicht!"

Ich schlug auf ihn ein. Jedes Mal. Erbarmungslos. Fest.

Ein weiterer Schlag.

Ein weiterer Schlag.

„Ja, gut so!", spornte Marcus mich an. „Weiter so!"

Völlig im Adrenalinrausch, bemerkte ich nur nebenbei, wie Marcus neben mir auftauchte und mir ein Messer entgegenhielt. Der Mann regte sich kaum noch. Ich hatte sein warmes Blut an meiner Faust.

„Hier", sagte Marcus breit grinsend. „Jetzt tu es."

Ich ließ den Jungen nach Luft ringend auf den Boden fallen. „Nein", sagte ich leise zu mir und beobachtete die Figur, die hilflos vor meinen Füßen lag. „Nein, nein, nein."

„Was soll die Scheiße?" Marcus kam zu mir und zog mich an der Kapuze auf die Beine. „Scheißt du dir jetzt in die Hosen oder was?"

Ich bekam kein Wort heraus, sondern starrte nur den Jungen an, der mit flatternden Augenlidern auf dem Boden lag. Es floss Blut aus seiner Nase zu seinen Lippen. Der Anblick war grausam. Ich konnte das nicht tun. Ich konnte es einfach nicht tun. Sachen wie diese, waren der Grund dafür, wieso ich da war, wo ich war.

„Ach, verpiss dich", knurrte Marcus und schupste mich in die Richtung, aus der ich gekommen war, bevor das passierte. „Ich bekomm das allein."

Mit vollgedröhntem Kopf stolperte ich über den Grund und sah nochmal zu dem Jungen. Marcus ging mit hochgezogenen Schultern auf ihn zu und trat ihm ein weiteres Mal in den Magen. Mittlerweile konnte der Junge nicht mal mehr schreien. Er nahm die Schmerzen einfach hin. Wahrscheinlich würde er bald bewusstlos werden.

Ich wollte ihm helfen. Ich wollte es wirklich. Doch irgendetwas hielt mich davon ab. Vielleicht war es die Erfahrung, dass mir selbst solche Dinge wiederfahren sind. Und ich wollte, dass jemand spürt, wie grausam mein Leben war. Die Menschen sollten merken, wie schrecklich es sein kann, so zu sein, wie ich.

Erbärmlich und voller Selbsthass rannte ich davon.

Falls das hier wirklich jemand liest, hoffe ich auf Feedback. Das wäre mir richtig wichtig.

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