Filzstift (tw - svv)

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Ich wurde hier zurueckgelassen jetzt, so ganz verdammt allein. Ich muss damit jetzt klarkommen irgendwie. Die haben das weggenommen, was mir Halt gibt. Aber ich bin immer noch hier drinnen, immer noch am verzweifeln, und ich weiss, dass es nicht gut fuer mich ist, aber ich weiss jetzt nicht, wie ich ohne klarkommen soll. Wie kommt man klar? Das hier fuehlt sich an wie Entzug. Obwohl's keiner ist. Oder doch? Wenn man an was gewoehnt ist, wenn man auf bestimmte Ereignisse immer wieder gleich reagiert, aber man das ploetzlich nicht mehr kann, dann ist das Entzug. Und ich komm nicht klar. Und was soll ich jetzt machen?
Auf Papier: gesuender. gluecklicher. Endlich frei. Schwarz auf weiss.
In Wirklichkeit: gleich geblieben. Immer noch in dem selben verdammten ewigen Tunnel der Selbstverlierung. Gefangen. Schwarz auf schwarz. Die sagen mir, ich steh am Ende des Tunnels, wenn ich weiter lauf, dann find ich mich schon irgendwann. Aber der Tunnel wird nie aufhoeren. Ich bin fuer immer gefangen in dieser Huelle eines menschlichen Koerpers, die Illusion einer Seele, die keine ist. Mach dir die Wimpern schwarz, das ist schoen, also mach ich das. Zieh ne weite Hose an, das ist im Trend, also mach ich das auch. Wisch dir die Traenen weg, bevor sie deine Wange runterlaufen. Okay, dann mach ich das. Zieh dich zurueck, wenn du Hilfe brauchst, weil niemanden interessierts, also mach ich das. Du bist perfekt so wie du bist, so halb tot, aber das ignorieren wir gekonnt. Deine langen Haare waren schoener. Ich mochte es lieber, als du noch zu allem ja gesagt hast. Damals hast du noch gelacht - lach mal. Lustig, dass die Position meiner Mundwinkel in meinem Gesicht angeblich meine Stimmung wiederspiegelt. So lustig, dass ich drueber lache. Nur die Mundwinkel bleiben unten. Weil ich hab ja keine Seele, und die Huelle kann ich nicht kontrollieren. Der Tunnel ist lang und anstrengend, ich hab keine Kraft mehr, und es geht staendig um die Kurve, weshalb ich nie Licht sehe. In dem Tunnel bin ich seit meiner Geburt, nur dass der da noch etwas farbenfroher war, die Wände mit Bildern gestaltet, Erinnerungen aus meinem kleinen Kinderherz, bis du kamst und die alle von der Wand gerissen hast.
Jetzt in meinem Tunnel: Leere, es ist kalt, weil Mama nicht mehr kommt um die Heizung anzumachen. Und ich weiss nicht wie das geht, weil niemand es mir beigebracht hat. Und manchmal hab ich das Gefuehl, meiner Mutter wurde das auch nie beigebracht. Manchmal hab ich das Gefuehl, dass es nie warm war in meinem Tunnel, es sich nur so angefuehlt hat als ob, weil sie mir warme Sachen angezogen hat und gemeint hat, das waere die Heizung, der Tunnel, der warm ist, nicht nur meine reingelegte Haut. Bin nur leider aus der Jacke rausgewachsen jetzt, und es ist bitterkalt. Und jetzt haben die meinen allerletzten Filzstift mitgenommen. Der hat nicht gut getan, weil an die Wand kritzeln ist Vandalismus. Aber das war das Einzige, woran ich irgendwas empfinden konnte. Ich war gewoehnt daran, das an meinen Waenden was ist. Diese Farbe auf all dem schwarz. Es tat schrecklich weh, und es ist besser dass er weg ist, jetzt kann ich mich darauf zu konzentrieren, den Tunnel weiterzulaufen und endlich Licht zu sehen, aber es fuehlt sich alles so endlos an und ich weiss nicht ob er aufhoert. Und ich weiss nicht wie lange ich ohne Filzstift durchhalten kann. Vielleicht setz ich mich irgendwann auf den Boden, lehne meinen Kopf an der Wand an, und hoffe, dass ich eins mit ihr werde. Irgendwann werd ich aufgeben. Vielleicht geb ich morgen auf.

Beitrag (Therapie ist zu teuer)Where stories live. Discover now