13 - The Beast

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Zürich im Dezember ist für mich wie eine wärmende Kaschmirdecke um mein Herz. Seit die hässlichen Designer-Leuchtröhren wieder verschwunden sind, seit die Bahnhofsstraße wieder von zigtausend funkelnden Lichtern, sternengleich beleuchtet wird, fühlt es sich wie North-Pole-Avenue an, auf direktem Weg zum väterlichen Dicken mit dem Bart. Das emsige Treiben der Menschen, die auf der Suche nach passenden Weihnachtsgeschenken einander gegenseitig im Weg rumstehen, beruhigt mich seltsamerweise.

Es ist kurz vor Weihnachten; die Zeit vergeht rasend schnell. So stelle ich mir New York vor, einfach leicht größer - wie gerne wäre ich nun dort. Etwas wehmütig denke ich an die Zeit zurück, in welcher mich nie jemand nach meinem Pass gefragt hat, egal, welche Grenze ich gerade überschreiten wollte. Die Zeit, in der ich als Amerikaner neben Ivanka und Melania im Beast gesessen habe, auf mich geschossen wurde und Richard ein dummes Gesicht gemacht hat.

Es hat geschneit, die einzig sinnvolle Fortbewegungsart sind meine Füße. Schmunzelnd denke ich an meinen Marsch zum Gesundheitscheck zurück, an Ivanka, die mich davor warnte, es nicht zu übertreiben. Niemand begleitet mich; keine Ansammlung schwarzer Anzüge mit Sonnenbrille und Hörgerät. Hätte ich mehr aus meinem Schicksal machen sollen?

Im November haben die Amis ihren Präsidenten wiedergewählt. Er darf noch vier Jahre bleiben und wird bestimmt viele Dummheiten machen. In Europa hat man unterschiedlich darauf reagiert. Die meisten Menschen sind besorgt darüber, dass der Präsident eines der mächtigsten Länder der Erde ein selbstherrlicher Wirtschaftsboss ist, der als guter Freund des kriegführenden Russen gilt. Es war ein harter Wahlkampf gewesen, mit schmutzigen Anschuldigungen und Verleumdungen. Lange schien es, als ob die Blauen eine geringe Chance hätten, als ob viele besorgte Bürger lieber den Tattergreis als den Polterer an ihrer Spitze sehen würden. Doch spätestens dann, als der Herausforderer Joe Biden im TV-Duell eingeschlafen ist, hatten die Demokraten keine Chance mehr. Sie zerfleischen sich momentan gegenseitig und versuchen krampfhaft, einen jüngeren Kandidaten zu finden, der in vier Jahren Trumps Scherbenhaufen aufräumen soll - bisher ohne Erfolg.

Doch auch die Republikaner tun sich schwer, einen Nachfolger zu finden und es scheint, als ob niemand die Verantwortung dafür übernehmen möchte, was der orange Elefant im Glaswarenladen während der laufenden vier Jahre alles zerschlagen haben wird. Das Verhältnis zwischen den USA und Europa hat sich spürbar abgekühlt, seit Trump sämtliche Sanktionen gegen Putin aufgehoben hat.

In den Zeitungen ist Donald wieder täglich auf der Frontseite, was viele Stars und Sportler nicht schaffen. Ich habe den Wahlkampf aktiv mitverfolgt, alles gelesen, was mir unter die Finger kam; noch nie zuvor hat mich ein Wahlkampf in den USA dermassen aufgewühlt; manchmal glaubte ich mich persönlich angegriffen, wenn von politischen Ausrutschern und offensichtlichen Lügen geschrieben wurde.

Es gibt zwei Dinge, auf die ich bis heute stolz bin: Meine beiden politischen Vorstöße. Sie sind gesichert, besser als Fort Knox oder das Pentagon. Sie scheinen unantastbare Schätze der amerikanischen Verfassung geworden zu sein, obwohl Trump sofort nach seiner Rückkehr behauptete, man habe ihn betrogen und er könne sich nicht an die Unterzeichnung erinnern. Als man ihn mit den TV-Bildern konfrontierte, behauptete er, das sei ein Fake, das sei nicht er gewesen. Wenn er bloß wüsste, wie recht er damit hat!

Er ging bis vor Gericht, verlor jedoch in beiden Fällen. Die USA müssen weiterhin ihren Beitrag zum Umweltschutz leisten und die Bevölkerung darf auf eine bezahlbare Krankenversicherung zählen, doch nie wird jemand erfahren, was ein kleiner Schweizer dazu beigetragen hat.

Als ich davon gelesen habe, dass sich Ivanka aus sämtlichen Beratungsmandaten zurückziehen will, weil ihr Vater sich im Wahlkampf abschätzig über eine politische Gegnerin geäussert hatte, gratulierte ich ihr heimlich. Es ist schon verrückt, wie viel näher mir die Meldungen aus den USA gehen, seit ich einige Monate in diesem Körper habe verbringen müssen.

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