Kapitel 3

130 12 3
                                    

Als Travis mich aus der Küche die Treppe hoch gelotst hatte, war mir aufgefallen, dass keinerlei Gemälde an den Wänden hingen. Nur weitere Landkarten und Fotos. "Wer sind diese Menschen?", fragte ich. "Menschen. Die ein neues Leben führen, oder wollen", antwortete Travis. Viel klüger war ich davon nicht geworden. Wir waren in der ersten Etage angekommen. "Hier ist das Bad", sagte er und öffnete die Tür. „Hier sind Handtücher und frische Klamotten. Ruf mich, wenn du fertig bist, damit wir uns um das da", er zeigte auf meine Haare und meinen Bart, „kümmern können." Ich nickte und die Aussicht auf eine heiße Dusche war verlockend. Ich schloss mich ins Bad ein und atmete aus. Wirklich realisiert hatte ich noch nicht, dass ich frei war. Oder freier als vorher. Was hatten sie mit mir vor? Was für eine Organisation war das? Alles egal, sobald mich ein Tropfen Wasser erreicht hatte. Die Wächteruniform lag zerknüllt auf dem Boden und mein hagerer Körper fühlte sich fast schon geschunden an. Die Wassertropfen hüllten mich ein und der Dampf benebelte meinen Kopf. Ich stand eine Zeitlang nur unter der Dusche und ließ das Wasser über mich laufen. Es erinnerte mich an den warmen Sommerregen, an den Tagen, wo wir Dionysos überreden konnten, die magische Wettervorrichtung wegzumachen. Für einen ganzjährigen Camper gab es nichts Schöneres, als endlich mal wieder die Regentropfen auf der Haut zu spüren. Ich und Travis lagen manchmal dann auf dem Hüttendach und sahen den Regentropfen beim Fallen zu. Wir wurden klitschnass, aber es war so ein kleiner, magischer Moment, den ich geliebt hatte.

Als ich anfing, mich einzuseifen, schmerzte meine Haut schon leicht, aber der Dreck verschwand schnell, und ich fühlte mich menschlicher. Doch nach einer gefühlten Ewigkeit stellte ich dann doch endlich das Wasser ab und griff nach dem Handtuch, das im Badezimmer hang, trocknete mich ab und wickelte es um meine Hüfte. Ich sah in den Spiegel. Und ich schämte mich für mich selbst. Was würde aus meinem Leben werden?!

Ich öffnete die Tür und wollte nach meinem Bruder rufen, doch er stand dort, gleich vor mir. "Das sieht doch schon viel besser aus." Ich grinste leicht. „Da ich definitiv keine Haare schneiden kann, macht das jemand anderes gleich. Ich schicke sie hoch und bitte sei nett zu ihr. Keine dummen Sprüche, kapisch, Con?" Ich nickte artig und fragte mich, wer sonst noch Teil ihrer supergeheimen Sekte war. Travis verschwand und keine fünf Sekunden später stand eine Person vor mir, mit der ich nie gerechnet hatte. Ihre schwarzen Haare waren zu einem unordentlichen Knoten gebunden und die asiatischen Augen sahen mich freundlich an. Drew Tanaka, Tyrannin der Aphrodite-Hütte und die wohl größte Schlampe im ganzen Camp, stand vor mir und lächelte freundlich. FREUNDLICH! Was war das bitte für ein Ort? „Kann ich denn reinkommen? Ich würde dir die Haare gerne machen, wenn du die Sachen noch nicht anhast. Wegen der abgeschnittenen Härchen", schlug sie vor. Ich sah sie mit großen Augen an und nickte. Drew ging ins Bad und bedeutete mir, mich auf den Toilettensitz zu setzen. "Wie hättest du es denn gerne?", fragte sie dann "Kurz." Danach verstummten wir beide und ich ließ sie schneiden, in der Hoffnung, dass sie mir kein Ohr abschnitt. Aber ihre Hände waren flink und sanft. Sie wollte mir nicht wehtun und das tat sie auch nicht. "So, ich glaube, dass es so ganz okay ist. Magst du in den Spiegel gucken?", meinte sie schließlich und ich stand wieder auf. Dieses Mal war das Spiegelbild wesentlich schöner anzusehen. Sie hatte mir die Haare nicht abrasiert, oder zu kurz geschnitten. "So sah ich im Camp aus", bemerkte ich. "Daran habe ich mich auch gehalten, an meine Erinnerung", nickte sie. Ich nickte anerkennend. Das sah gut aus. "Dein Bart?" "Ganz weg." Ich stellte mich vor sie und sie war winzig. "Du wirst dich wieder setzen müssen." Also setzte ich mich wieder. Vorsichtig nahm sie mein Gesicht in eine Hand und rasierte mir den Bart weg. "Wow. Du siehst ja wieder menschlich aus", bemerkte sie dann und tatsächlich, das dritte Spiegelbild an diesem einen Tag gefiel mir ganz gut. Fast sah ich wie damals aus. "Gut. Kriege ich jetzt Antworten?", fragte ich, anstatt mich zu bedanken. Drew schien meine Frage nicht erwartet zu haben und reichte mir Kleidung, die sie wie aus dem Nichts beschworen hatte. "Zieh' dich erstmal an", sagte sie und ließ mich wieder alleine. Die Klamotten, die ich in den Händen hielt, waren nicht schwarz. Sie waren komplett weiß.

Ich wunderte mich, warum. Was sollte das heißen? Sicherlich, dass ich nicht zu ihnen gehörte. Sollte man das Blut besser sehen, wenn sie mich abschlachteten? Nein, Travis würde das nicht zulassen, oder? Nur die eingefallenen Wangen erinnerten äußerlich an die schreckliche Zeit im Gefängnis, der hagere Körper. "Ich zeige dir dein Zimmer", erklärte sie. Mein Zimmer? Ich sollte hier wohnen? Wurde ich doch nicht abgeschlachtet? Oder gemästet und dann gegessen? Auf der zweiten Etage befanden sich genau vier Räume. Jeweils zwei zu jeder Treppenseite, zwei waren durch einen kleinen Gang verbunden, die anderen durch die Treppe getrennt. Auf der anderen Seite führte wieder eine Treppe nach oben. "Wie viele Etagen gibt es hier?", fragte ich und blickte nach oben. "Sechs. Hier wirst du wohnen", erklärte sie noch einmal und öffnete die Tür. Ich trat in den kleinen Raum hinein, der dennoch definitiv größer als meine Zelle war. Es kam mir wie ein Schloss vor. Ein gemütliches Single-Bed stand an der gegenüberliegenden Wand. Gleich rechts stand ein schmaler Schreibtisch. Links ein Schrank. Mehr nicht. Aber mehr brauchte ich auch nicht! "Neben dir ist das Bad für diesen Flur", sagte Drew, ging zum Schrank und holte Bettzeug hervor. "Die sind frisch gewaschen, keine Sorge. Man riecht noch den Weichspüler", sie legte die Bettwäsche auf das Bett. "Das ist...", doch ich fand keine Worte. Zum ersten Mal seit drei Jahren fühlte ich mich relativ gut. Ich war gewaschen, sah menschlich aus und dürfte wohl nun in einem echten Bett anstatt einer Pritsche schlafen. Wie herrlich war das?! "Ich hoffe, dass dir das reicht", meinte sie und ich nickte einmal.

Wir gingen wieder die Treppen runter ins kleine Wohnzimmer. An der Tür wartete auch schon Hazel, die Drew bedeutend ansah und sagte: „Red ist da." Drew rannte Richtung Eingangshalle und lies mich mit der Pluto-Tochter stehen. "Komm', Connor. Wir gehen wieder in die Küche. Der Rest ist auch da", sagte diese und ich konnte ja nichts anderes tun, als ihr zu folgen. Am liebsten würde ich Drew nachgehen und erfahren, wer diese Red war, die so wichtig für die Sekte war. Aber ich folgte Hazel. Von der Küche kam ein stetiges Brummen, als wären viele Gespräche im Gange. Ich war gespannt, wen ich nun sehen würde. „Da ist er", sagte Hazel mit ihrer luftigen Stimme und alle wurden still. Einige mussten sich umdrehen. Andere sahen mich blank an. Nett. Jason, Pollux, Clarisse, Leo, Lou und mein Bruder. An die war ich schon gewöhnt. Aber Nico, Will, Nyssa und Malcom? Was machten die denn hier? „Stoll", sagte Malcom, stand auf und Streckte seine Hand aus: "Willkommen." Misstrauisch schüttelte ich tatsächlich die mir zugesteckte Hand. "Setz' dich doch wieder", meinte Pollux und ich war sich nicht sicher, ob ich das tun sollte oder nicht. Ich wusste nicht, woher diese Paranoia kam. Vielleicht von den zwei Kriegen, oder von meiner Zeit im Gefängnis. Das hier waren meine Freunde, naja die Meisten zumindest. Ich setzte mich an den gleichen Platz wie zuvor und alle starrten mich an. Schlimmer ging es nicht, dachte ich mir nur. "Er ist also tatsächlich da", scharrte eine Stimme hinter mir und ich drehte mich um. Okay, es ging schlimmer.

Red war Rachel Elizabeth Dare, Orakel von Delphi und Schützling von Apollo. Kurzgesagt die Person, welche ich beinahe getötet hatte, und deshalb im Gefängnis saß.

Fight the WaveWhere stories live. Discover now