Chapter 1
Meine Zelle bestand aus dunklem Stein, und nur selten schaffte es ein Sonnenstrahl sich durch die Ritzen in meinen kleinen Raum zu zwängen. Vier hohe, modrige Wände aus Backsteinen, aus deren Rissen und Spalten manchmal Ungeziefer herauskrabbelten. Von Wand zu Wand waren es fünf Schritte. Die Gitterstäbe sollten mir wohl verdeutlichen, dass irgendwann mal jeder Spaß aufhört und die kalte Pritsche, auf der ich schlief, erst recht. Ich hatte eine dreckige Toilette und einen Tischtennisball. Mehr nicht. Es stank bis zum Himmel und ich wusste nicht, ob ich das war, oder einfach nur dieser Ort. Dieses Gefängnis schaffte es, jedem die Lebensenergie herauszuziehen und egal wie stark man versuchte zu sein, brach jeder irgendwann mal zusammen. Zweimal am Tag kamen Wächter vorbei, die uns Gefangenen ein ekelhaftes Essen auftischten. Sie hatten die Order, nicht mit uns zu sprechen, und da ich niemanden sonst hatte, benutzte ich meine Stimme kaum noch. Ich vermisste den Klang meiner Stimme, meines Lachens. Noch mehr vermisste ich meinen Bruder, meine Freunde und natürlich die Sonne. Ich hatte die Sonne nie zu schätzen gewusst, bis ich hier gelandet war, wo es nur Dunkelheit oder in den Augen schmerzende LED-Lichter gab. Manchmal hörte ich die Schreie der anderen Gefangenen.
Mitten in der Nacht stießen sie markerschütternde Schreie aus, ein Zeichen dafür, dass wir nicht mal in unseren Träumen vor der bitteren Realität sicher waren. Meine eigenen Gedanken machten mir Angst, und von den vielen schlaflosen Nächten waren meine Augenränder wie gemalt, so dunkel wie die Wände meiner Zelle. Meine Fingernägel kaute ich mir ab, wenn sie zu lange wurden. Ich hatte abgenommen, und meine orangefarbene Sträflingskluft hing an mir herunter wie ein alter Sack. Meine Muskeln, auf die ich früher so stolz war, waren komplett verschwunden, und ich konnte meine Rippen zählen. Meine Wangen waren eingefallen, und mit dem Vollbart und den schulterlangen Haaren erkannte ich mich selbst nicht mehr. Doch ich wusste noch: 'Mein Name ist Connor Stoll und ich bin ein Sohn des Hermes.'
Meine Gedanken wurden von näher kommenden Schritten unterbrochen, wofür ich ehrlich gesagt wirklich dankbar war. Ich hatte hier viel zu oft Düstere Gedanken und etwas Frühstück würde mich wieder aufmuntern. Es war nie genug, um Satt zu werden und es schmeckte Fad, doch ich würde alles tun, um wenigstens für eine Minute ein anderes Gesicht zu sehen, die Nähe zu einem anderen Menschen zu spüren. Die Wächter durften nicht mit uns reden, doch diese kurze Zeit, wo ein anderes atmendes Wesen hier war, konnte ich mich daran erinnern, dass ich nicht tot war. Der Wächter sah komisch aus, bemerkte ich nebenbei. Die dunkelblaue Uniform schlabberte, die Mütze war tief ins Gesicht gezogen. Das Tablett mit dem Essen sah wie immer ekelhaft aus, doch ich hörte meinen Magen knurren. Der Wächter stellte das Tablett ab, drehte sich um. Die Insassen durften erst essen, wenn die Wächter wieder draußen waren, und die Türen verschlossen wurden. Panik ergriff mich, als der Wächter die Tür schloss. Von Innen. Scheiße!, durchfuhr es mich. Jemand, der sich an mir rächen wollte. Hier waren bestimmt genügend Leute auf mysteriöse Weise gestorben! Doch der Wächter griff nach der Mütze, zog sie ab und braune Locken, die an den Spitzen lila wurden, fielen hinab. "Wir haben nicht viel Zeit!", flüsterte sie. Sie warf die Mütze auf die Pritsche und begann, die Knöpfe des Uniformhemds zu öffnen. Ich sah sie mit großen Augen an, denn die Person vor mir war eine Person, die ich von früher gut kannte. Lou Ellen, Tochter der Hekate. Ich stand einfach nur da, unfähig irgendwas zu machen. „Los, zieh' dich aus!", wollte sie und ihre Hände arbeiteten schnell. Ich wusste nicht recht, was ich tun sollte. War das hier real? Oder war ich schlussendlich doch verrückt geworden? Sie schien zu merken, dass ich ihr nicht traute. Sie hörte auf bei der Hose auf. Unter dem Hemd hatte sich ein enges, schwarzes Tanktop versteckt. "Was ist hier los?", fragte ich endlich. "Das erkläre ich dir später, jetzt will ich dich erstmal hier rausholen, verdammt!", zischte sie und unter der Hose zeigte sich eine schwarze Leggins. Ihre Figur war recht schmal, mädchenhaft. Keine großen Rundungen. Sportlich, eben. Sie sah nicht viel anders aus als damals, wenn ich darüber nachdachte. Ihre Nase war immer noch stubsig, das Haar sowieso noch lang und lockig. Ihre Haltung wichtigtuerisch. „Komm schon, zieh die Lumpen aus, ich hoffe, ich habe bei der Wächteruniform die richtige Größe erwischt. Ich musste den Wärter lahmlegen, aber bis jetzt hat alles geklappt." Sie war nervös, ich bemerkte es sofort. Sie verwirrte mich immer mehr. Warum war sie hier? Ich dachte sie hasste mich und jetzt half sie mir aus dem Gefängnis zu entkommen? War doch egal, warum sie mir half. Hauptsache, ich kam hier raus!
Ich war schnell in die Uniform gehuscht und hatte ihren Blick ignoriert, als sie meinen hageren Körper begutachtet hatte. „Los komm, Giant wartet auf uns!" sagte sie und ich fragte mich unweigerlich, wer Giant war. Oder wie bei Hades wir hier raus kommen sollten, ohne dass andere Wächter uns sahen. „Connor, hör mir jetzt gut zu. Egal was passiert, du darfst jetzt keinen Ton sagen. Verstanden?" Sie sah mich ernst an und ich erkannte den lilafarbenen Schimmer in den Augen. Ich nickte, als sie mich schon an der Hand packte und die Augen schloss. Augenblicklich spürte ich einen kalten Schauer über meinen Rücken fahren und ihre Hand, die mich den leeren Gang entlang zog. Zwei Wachen standen an einer großen Tür, doch sie nickten uns bloß zu und ließen uns passieren. Was bei allen Göttern geschah hier? Wir gingen eine Weile noch den Korridor entlang, bevor wir eine steile Wendeltreppe hinunter liefen. Am liebsten hätte ich mich kurz übers Gelände geworfen, um wieder Luft in meine Lungen zu lassen, doch ihre kleine Hand zog mich schon weiter. Wir gelangten bei einer Art Keller an, jedenfalls ließen die Spinnenweben und das Gerümpel darauf schließen. „Nicht vergessen, keinen Ton!" zischte sie mir zu, bevor sie eine kleine Eisentür öffnete und ich das erste Mal seit vier Jahren die Sonne wieder sah. Adrenalin durchfuhr meinen Körper und ich konnte nicht Recht glauben, was gerade geschah. Ich streckte die Hand aus, als wolle ich die Sonnenstrahlen einfangen, was ich in gewisser weiße auch vorhatte. Ich spürte das angenehme Kribbeln, als wir endgültig nach draußen traten, und lächelte das erste Mal seit Monaten wieder. Es war kein breites Grinsen wie sonst, nur ein kleines Anheben der Mundwinkel, doch es war ein Anfang.
Als ich mich wieder gefasst hatte, sah ich mich um und erkannt eine Art Hinterhof und noch einen alten Freund von mir. Die braunen Locken, die meinen sehr ähnelten, und dieses koboldhafte Grinsen waren unvergesslich. Bevor ich irgendetwas zu ihm sagen konnte, fuhr sie mir mit einem lauten „Pscht" über den Mund. „Los, kommt mit" flüsterte Leo und wir rannten einen schmalen Pfad entlang, der zu einer riesigen Villa führte. Es war der Tempel meines Vaters. Wir waren am Hintereingang des Hauses und im Boden war eine Versteckte, verrostete Falltür eingelassen, die, wenn man nicht wusste, dass sie da war, übersehen hätte. Leo öffnete sie schwungvoll und wir kletterten die Leiter hinab und kamen in einem Raum an, der einem Bunker ähnelte. Sofort bekam ich das beklemmende Gefühl wieder, dass ich während meines Gefängnisaufenthaltes immer hatte. Ich fühlte mich eingesperrt und für einen Sohn, vom Gott der Wege und der Reisenden, war dies ein Albtraum. Meine Atmung ging wieder schneller und das lag nicht nur an unserem Sprint bis hier her. „Hey Connor, sieh mich an." Sagte Lou überraschend sanft und blickte mir tief in die Augen „Du bist bald in Sicherheit." Ihre weiche Hand schloss sich wieder um meine, als sie mich durch den kleinen Raum zu einer metallenen Tür führte. Es stellte sich heraus, dass es sich um einen Fahrstuhl handelte, der mit einer rasanten Geschwindigkeit nach unten flog, sobald wir drei drin waren. Es konnte sich nur um einen verzauberten Fahrstuhl handeln, der uns vom Olymp wegbrachte. Wie der Aufzug im Empire State Building, doch warum war er hier im Tempel meines Vaters? „Wo hin gehen wir?" fragte ich mit kratziger Stimme. Meine ersten Wörter in Freiheit. „Camp Half Blood, Long Island."
DU LIEST GERADE
Fight the Wave
ActionPercy Jackson/ Helden des Olymp Die welt hat sich verändert. Der Olymp wird nun mit eiserner Faust von einem Tyrannen regiert, alle müssen jetzt nach einem neuen System leben. Heiratsgesetze, Verbrechergesetze und harte Strafen für diejenigen die si...