Nachdem ich mich angeschnallt hatte, sah ich wieder nach vorne und schaute mich ein bisschen im Wagen um. Es war ziemlich ordentlich - wovon ich eigentlich auch ausging, dennoch überraschte es mich ein wenig. Im Auto roch es sehr nach Männerparfum. Einfach nach ihm.

Ich inhalierte förmlich die Luft, weil ich einfach nicht genug von seinem Duft bekommen kann. Doch als ich dann realisierte, dass Lucas direkt neben mir saß, beherrschte ich mich wieder und schaute aus dem Fenster. Während der Fahrt war es still.
Er wusste wohl genauso wenig wie ich was er sagen bzw. erzählen sollte, dementsprechend schwiegen wir beide.

Während ich die Wohnkomplexe betrachtete, fiel mir auf, dass wir uns in einem ganz anderen Stadtteil befanden. Mit gerunzelter Stirn versuchte ich die Straße zu lesen, auf der wir gerade fuhren. "St. Germain Avenue." Komisch, auch wenn ich noch nie hier war, kommt mir diese Straße so bekannt vor, aber ich weiß nicht woher.

"Lucas, wo sind wir gerade?"

"Wir fahren zu mir nach Hause." meinte er und bog in eine Einfahrt ein.

"Wollten wir nicht zu mir?" erwiderte ich.

"Ich habe das Zeug daheim vergessen. Wenn wir zu dir fahren würden, hätte ich davor die Sachen holen müssen. Und da ich dich nicht noch länger warten lassen wollte, sind wir jetzt spontan bei mir. Ist das ok?"

Lucas schaltete den Motor aus, zog die Handbremse und sah zu mir rüber. Ich nickte stumm und schnallte mich langsam ab. Ich bin zum ersten Mal bei ihm. Bei dieser Tatsache wurde ich nervös und aufgeregt. Bei meinem Schwarm. Der eine Freundin hat. Beste Voraussetzungen.

Nachdem Lucas ausstieg, wagte ich es ebenfalls aus dem Auto und folgte ihm zur Haustür. Auf dem Weg dahin sah ich mich mit großen Augen um. Wenn schon der Vorgarten und die Einfahrt so pompös gestaltet ist, frage ich mich wie's wohl im Haus dann ausschaut.

Wir traten gemeinsam ins Haus ein und wurden sofort von einer netten Dame begrüßt. Sie war groß, schlank und hatte eine Kurzhaarfrisur. Wahrscheinlich ist sie die Haushälterin von den Thompsons'.

"Oh hallo Lucas. Wie ich sehe, hast du einen Gast mitgebracht." Sie hatte eine sehr angenehme Stimme und sie klang sehr einladend.

"Das ist Blair." waren seine Worte und ging den Flur entlang.

Ich lächelte sie freundlich an und lief dann Lucas schnell hinterher, da schon die Eingangshalle so groß ist, sodass ich befürchte, dass ich mich womöglich hier noch verirren könnte. Ich betrat die riesige Mamortreppe und sah mich währenddessen um.

Vom Treppengeländer aus kann man auf das Wohnzimmer runter schauen. Mitten im Raum stand große Wohnlandschaft aus hellgrauem Leder, davor ein Glastisch und zu allem Überfluss schmückt ein riesengroßer Plasmafernseher die Wand, wobei unter dem noch ein Kamin ist. Rechts davon befinden sich große Glasschiebetüren, die zur Veranda und dem Garten führen.

"Blair?" ertönte eine Stimme aus dem ersten Stock, wobei ich leicht zusammenzuckte. Ich lief schnell die Treppen hoch und entdeckte Lucas, der gerade wahrscheinlich seine Zimmertür auf und ging rein.

Als ich mich ebenfalls in seinem Zimmer befand, fiel mir als erstes auf, dass es recht dunkel gehalten ist. Es war etwas schwierig überhaupt irgendwas zu erkennen, als ich bemerkte, dass er kurz ins Bad ging, wagte ich mich ein bisschen umzuschauen.

Viel Schnickschnack, Deko oder Poster besitzt er nicht. Es hängt nur ein Poster von einer Baseballmannschaft namens "Chicago Club" über seiner Kommode. Ansonsten ist es recht minimalistisch gehalten. Da ich nicht mehr weiter herumschnüffeln wollte, ließ ich mich aufs schwarze Ledersofa fallen und wartete darauf, dass er wieder aus dem Bad kommt.

"Möchtest du etwas essen? Wir haben ja noch nicht Mittag gegessen." fragte er mich, während er oberkörperfrei ins Zimmer spazierte. Bei dem Anblick stockte plötzlich mein Atem und mein Hals war auf einmal total trocken, sodass ich ihm nicht antworten konnte. Ich räusperte mich mehrmals, bevor ich etwas sagen konnte.

"Nein, danke. Ich habe vorhin in der Freistunde schon gegessen." Er nickte und warf sich ein T-Shirt drüber.

"Dann fangen wir doch gleich mal an."

"A-aber möchtest du nicht etwas essen?" Bei Gott lerne in ganzen Sätzen zu reden und das ohne stottern! Ich ärgerte mich so über mich selbst.

"Werde ich später." meinte er und rollte mit seinem Stuhl samt den Arbeitsblättern zu mir rüber. Ich fühlte mich etwas unwohl bei der Tatsache, dass er wegen mir nicht isst. Dennoch wollte ich nichts dagegen sagen, da er schon anfing zu arbeiten.

Während Lucas sich um die Auswertung der ph-Werte kümmerte, beschäftigte ich mich mit der PowerPoint Präsentation. Nach einer Weile wurde mir etwas warm, weshalb ich meinen Pulli auszog. Ich versuchte es so unauffällig wie möglich zu machen, doch wie immer ist mir das nicht gelungen.

Mein Kopf steckte kurzzeitig in der Halsöffnung fest. Natürlich musste mir wieder mal vor Lucas etwas Peinliches passieren. "Blair? Alles ok?" seine Worte klangen wirklich besorgt mit einem unterschwelligen amüsanten Ton.

Wahrscheinlich lag das wohl daran, dass ich vor Anstrengung leicht aufstöhnte.

"Hm, ja." murmelte ich, als mich endlich vom blöden Pulli befreien konnte. Ich schmiss das Oberteil in die Ecke und fuhr fort. Ich sah wie er sich das Lachen verkneifen musste und ich kann ihn verstehen. Das sah bestimmt sehr amüsant aus, wie ich da mit dem Pulli kämpfte.

"Ok, also die ph-Werte sind im Normalbereich." Ich nickte und tippte dies gleich ein.

"Was hast du denn mit deinen Armen angestellt?" fragte mein Crush mich und griff nach meinen Unterarmen.

"Ach das? Das ist ganz normal, wenn die Saison wieder beginnt." erwiderte ich.

"Möchtest du nicht vielleicht eine Salbe dagegen haben?" Ich schüttelte den Kopf und tippte weiter.

"Das geht wieder weg. Es tut ja nicht weh." Versicherte ich ihm.

Als wir mit den Folien fertig waren, kamen die Fotos dran. Wir gingen beide durch die Bildergalerie durch und lachten fast durchgehend. Es gab auch ein paar Fotos von mir, wo ich in den See gefallen bin. Oh nein, wie peinlich. Ich sah da ja aus wie ein nasser Hund.

"Ach was, du sahst halb so schlimm aus." Woraufhin ich förmlich spürte, wie sich meine Wangen rosa färbten. Ich sah zu ihm rüber und bemerkte erst jetzt, wie nah wir eigentlich nebeneinandersaßen. Er hatte sogar seinen Arm um mich gelegt. Der war zwar nicht auf meinen Schultern aber hinter mir.

Mein ganzer Körper stand unter Strom als wir uns berührten. Ich spürte jede einzelne Faser meines Körpers und wie sehr ich Gänsehaut habe. Ich lächelte ihn an blickte ihm direkt in die Augen, was für meine Verhältnisse völlig ungewohnt war, da ich immer direkten Augenkontakt vermieden hatte.

Plötzlich verringerte sich unser Abstand immer mehr. Lucas war mir so nah, dass ich sogar seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte. Ich sah ihn mit großen Augen an und atmete flach, da ich vor Aufregung kaum Luft bekam.

Ich war ihm noch nie so nah, wie jetzt. Er näherte sich immer mehr und mehr. Seine Augen sind geschlossen und seine Lippen waren leicht geöffnet. Seine rosa, weichen Lippen. Halt, ich kann das nicht machen. Lucas hat eine Freundin. Und dazu ist seine Freundin auch meine.

"U-uhm." stotterte ich, doch zu mehr kam ich nicht, da es an der Tür geklopft hat. Ich war zum ersten Mal froh, dass es an der Tür geklopft hat.

"Lucas, ich bin's. Kann ich reinkommen?" Bei dieser Stimme gingen bei mir Alarmglocken los. Ich entferne mich sofort von Lucas und sprang schon förmlich vom Sofa runter.

"J-ja, warte nur einen Moment." schrie er und stand ebenfalls auf. Er fuhr sich aufgebracht durch die Haare und sah sich panisch um.

"Versteck dich schnell! Hier, im Kleiderschrank." flüsterte er und schob mich in den Schrank rein. Ich folgte ihm und hockte mich in den Schrank rein. Kaum saß ich drinnen, ging die Tür auf und eine glückliche Kelly spazierte rein. Na toll, jetzt sitze ich in seinem Schrank fest und darf zu sehen, wie seine Freundin ihn besucht. Klasse. 

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