Chapter 3

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„Mutter! Um Himmels willen!" Ashe fiel direkt neben der tiefen Kerbe im Hals ihrer Mutter auf die Knie, den Blick glasig auf die neben ihr liegende gerichtet. „Um Himmels willen!", rief sie erneut, während ihr heiße Tränen über die Wange liefen. „Womit haben wir das verdient?" Mit zitternden Händen strich sie Yuka langsam das Haar aus dem Gesicht, während sie mit der anderen Hand hilflos auf die blutende Kerbe drückte. Einen Moment saß sie hilflos da, beobachtete, wie sich das Blut ihrer Mutter über den Fußboden ausbreitete, eine rote Pfütze auf dem dunklen, geschliffenem Holzboden. Dann endlich kam Klarheit in ihre Gedanken. „Hilfe!", rief sie laut. Sicher würde sie jemand hören. Sicher würde bald Hilfe kommen und sicher wäre ihre Mutter noch zu retten. 

Doch desto länger sie da saß, desto mehr Blut dickflüssig durch Ashes Hände spritzte, desto weniger glaubte sie an Rettung. „HILFE!", schrie sie erneut, so laut sie konnte und drückte weiter, ohne für einen Atemzug innezuhalten, ihre Hände mit aller Kraft auf die Kerbe im Hals ihrer Mutter. „Mutter ...", schluchzte Ashe und sah endlich der Liegenden ins Gesicht, deren Augen unter ihren Lidern starr in den Himmel starrten, milchig-weiß, als könne sie die Sterne durch das Kupferne Dach der Familie sehen. 

Nach langer Zeit, Ashe kam es vor wie zwei Sonnenwenden, hörte sie endlich schnelle Schritte draußen auf dem Pflaster der Straße. „Grüß Gott!", rief eine männliche Stimme. „Hat an diesem Ort vor einigen Augenblicken jemand um Hilfe gerufen?" „Ja, um Himmels Willen!", schrie Ashe erleichtert darüber, dass endlich Hilfe da war. „Ich bin hier!" Kurz herrschte Stille, dann fluchte die Stimme laut und deutlich. „Die Tür ist verschlossen. Würdet Ihr sie wohl eben öffnen?" Ashe lachte bitter auf. 

„Oh, entschuldigt. Gewiss werde ich sofort meine Hände vom Hals meiner Mutter nehmen, auf dass sie endlich verblutet." Die Stimme fluchte erneut, dann rief sie durch die geschlossene Tür: „In Ordnung, dann werde ich nun die Tür eintreten!" Ashe nickte, während ihr die Tränen über die Wangen schossen. „Himmel, macht doch!" Die Tür splitterte und drei Männer kamen ins Haus gestürmt und hielten erschrocken inne, als sie erblickten, was sich in der Küche abspielte. Da kniete eine junge Frau neben einer anderen in einem See aus Blut und presste ihre zarten Hände auf eine riesige Kerbe im Hals der Liegenden. 

„Helft mir doch endlich!" Ashes verzweifelter Ruf riss die Drei aus ihrer Starre und sie stürmten vor. Einer prüfte, ob ihre Mutter noch lebte, indem er mit einigen Fingern am Handgelenk ihrer Mutter hantierte, ein anderer sah nach der Atmung, während der dritte Ashe beim Drücken ablöste. Ashe schwankte, als sie geschockt zurücktrat. Sie war kaum in der Lage, sich zu bewegen und so ließ sie sich einfach nach hinten fallen, gegen die Wand. Ihr Blick flackerte durch die Küche. Der See aus Blut, der sich um die Mutter gebildet hatte, die drei Männer in lederner Gendarmen-Kluft und mit ihren stählernen Degen an ihrem breiten Hüftgurt, wie sie sich über Yuka beugten. 

Jetzt erst fiel Ashe die Axt auf, die noch auf der Anrichte lag, blutverschmiert. Das Stück Fleisch, dass sie zunächst für das Frühstück gehalten hatte, wo ihr jedoch jetzt klar wurde, was es wirklich war. Ashe würgte. Wie konnte ihnen jemand so etwas antun? Niemand wusste von ihrem Geheimnis und außerdem besaßen sie ja nichts! Was sollte ein niederträchtiger Mörder von ihnen wollen? Oder war es gar kein Anschlag gewesen? War es im Bereich des Möglichen, dass es einfach ein normaler Einbruch gewesen war, den Yuka Kishida stoppen wollte? 

... Ashe seufzte und ihr Blick senkte sich auf den Boden, auf ihre eigenen, blutverschmierten Beinkleider und ihren Mantel, den sie stets trug, der jedoch wie durch ein Wunder unversehrt geblieben war. Kurz konnte dieses Phänomen Ashes Aufmerksamkeit auf sich ziehen, dann war es wieder vorbei und Ashe starrte wieder wie paralysiert in den See aus Blut, der sie zu fesseln schien. Schließlich wandten ihr die Männer langsam, wie durch dickflüssigen Honig den Kopf zu und schüttelten ihn langsam und traurig. Für Ashe Kishida ging eine Welt unter. Eine Welt, in der sie eine Mutter gehabt hatte, eine Welt, in der sie sicher gewesen war.

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⏰ Last updated: Jan 06 ⏰

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The Obbs Chronicles - The Lost KingdomWhere stories live. Discover now