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»Und? Kann man es essen?«, fragt Emma, nachdem ich mir eine Gabel mit Lasagne in den Mund geschoben habe. Laut ihrer Aussage, das einzige Gericht, das sie kochen kann.

Ich schenke ihr ein Lächeln. »Lecker.« Den ganzen Morgen hat sie in der Küche verbracht und es hat sich gelohnt.

Ihre Mundwinkel heben sich ebenfalls, bevor sie selbst zur Gabel greift. Trotzdem entgeht mir nicht die Nervosität, die sie ausstrahlt. Zwar hat sie sich nach ihrem Zusammenbruch vor ein paar Tagen redlich bemüht, »normal« zu sein und kein Wort mehr darüber verloren, aber weiß, dass das noch lange nicht das Ende der Fahnenstange ist. Da ist etwas in ihr aufgebrochen, dass sie nach allen Regeln der Kunst zu flicken versucht, damit ja nicht noch weitere Dinge nach außen dringen. Ich lasse sie, auch wenn ich weiß, dass das nicht die Lösung ist. Ich hasse es, wie sie alles feinsäuberlich zurück unter den Teppich kehrt und mir nicht mal die Chance lässt, die Scherben mit ihr gemeinsam wieder zusammenzusetzen.

Eine Weile essen wir schweigend. In ihrem Gewusel aus Worten hat sie mir beiläufig mitgeteilt, dass sie gelernt hat, bei Tisch nicht zu sprechen und sich auch ansonsten nicht großartig zu bewegen. Weil es sich nicht gehören würde, mit vollem Mund zu reden. Etwas, das mir damals schon hätte zeigen müssen, wie unterschiedlich wir aufgewachsen sind. Nicht, dass unser Tisch früher einem Schlachtfeld geglichen hätte oder wir Essensreste beim Sprechen auf die Decke gespuckt hätten, aber bei uns ging es immer lebhaft und herzlich zu. Okay. Auch chaotisch, aber Emmas heißgeliebte Ordnung, an der sie sich so festklammert, ohne es zu bemerken, klingt für mich einfach nur trostlos. Ein strenges Regiment, das keine Freude oder Spontanität erlaubt hat. Kein Wunder, das Letzteres nach eigener Aussage nicht in ihrem Wortschatz vorkommt. Wie auch? Selbst auf einer Beerdigung wird wahrscheinlich mehr gelacht, als in Emmas Elternhaus. Disziplin und Ordnung. Wie auf dem Kasernenhof.

Dieses Bild bestätigt sich, als sie nach dem Essen sofort die Teller abräumt und alles in die Spülmaschine verstaut. Ich kenne ihren Ordnungsfimmel, aber Herr Gott nochmal ... es ist Weihnachten, verdammte Scheiße. Keinen Arsch interessiert es, ob die Teller zehn Minuten länger auf dem Tisch stehen.

»Willst du Nachtisch?«, fragt Emma und entlockt mir damit ein Grinsen.

Was für eine Frage. Ich kann es kaum erwarten, ihr Superwunder-Eis zu probieren, das zum Glück gestern noch ankam.

Sie lächelt ebenfalls und stellt mir kurz darauf einen kleinen Teller vor die Nase, auf dem sich ein Stück Vanilleeis befindet, in das schichtweise Schokoladenplatten eingelassen sind. »Das ist also Vienetta«, sage ich und greife freudig zu dem kleinen Löffel, den sie in exaktem Abstand zum Dessertteller positioniert hat. Zusammen mit einer Serviette. Falls man mal kleckert. Ihre Worte – nicht meine.

»Ja.« Emma strahlt übers ganze Gesicht, als sie ihren Löffel zum Mund führt. Alleine dafür haben sich die dreißig Dollar gelohnt. Mal abgesehen davon, dass sie nicht zu viel versprochen hat. Das Zeug ist so gut, dass ich direkt noch eine Portion nehme.

»Bist du bereit für dein Geschenk?« Ihre Stimme klingt, als würde sie sich diese Frage selbst stellen.

Ich weiß zwar nicht, was genau sie vorhat, aber wenn es auch nur im entferntesten etwas mit ihrer Showeinlage an jenem Abend zu tun hat, kann ich mich auf was gefasst machen.

»Aber sowas von.«

Ihr irritierter Blick lässt mich bereuen, so euphorisch geklungen zu haben. Mist. Ich habe es Lucy versprochen.

»Du weißt doch, kleine Jungs lieben Spielzeug.« Mein dämliches Grinsen macht es nur noch schlimmer. Wie war das mit den schlechten Witzen.

Emma räuspert sich. »Äh. Ja dann ... gehe ich mal hoch und hole es.«

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