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Langsam setzte ich mich auf meinen Platz. Ich hatte gar keine Lust, hier in der Schule zu sitzen. Doch nun musste ich zusehen, wie ich den Tag überstehen kann. Gerade als ich versuchte zumindest eine positive Sache zusehen, wurde mir auch das genommen. Schließlich war ich froh darüber, im Unterricht nicht in Mariams Nähe zu sitzen. Doch jetzt sprach meine Klassenlehrerin von einer neuen Sitzordnung. Ich habe gehofft, dass wir selbst entscheiden dürfen, mit wen wir gemeinsam sitzen...Jedoch hatte ich mich geirrt. Meine Lehrerin teilte uns so auf, sodass man nicht neben jemanden sitzt, mit denen man viel quatschen kann. Nun saß ich neben einen Jungen, mit dem ich mich gut verstand. Schließlich verbrachte ich die Pause mal mit ihm, Angelina und einen anderen Jungen. Vor mir saß eine Mitschülerin, mit der ich bisher nicht viel zutun hatte. ,,Hoffentlich würde ich mich mit ihr verstehen", dachte ich. Und direkt neben ihr saß der beste Freund vom Klassensprecher. Da unser Gruppentisch nun vollständig ist, ist der Tisch neben uns dran. Die Gruppentische waren teilweise sehr eng beieinander, denn unser Klassenraum war nicht besonders groß gewesen. ,,Mariam soll bitte nicht neben mir gesetzt werden....", dachte ich, als jemand anderes sich dorthin setzen musste. Ich freute mich innerlich, doch ich freute mich zu früh. ,,Mariam!" Schrie unsere Klassenlehrerin auf und fügte hinzu :,,So, dann setzt du dich jetzt bitte genau hier hin". Sie zeigte auf den Platz gegenüber, sodass sie direkt diagonal vor mir sitzt. ,,Oh scheiße....", hatte ich leise in meinen Gedanken ausgesprochen. Während unsere Lehrerin mit der Sitzordnung weiter beschäftigt war, bin ich von Mariam abgelenkt worden. ,,Schau dir mal mein Etui an!" Schrie sie auf. Ich warf einen Blick darauf, verstand jedoch nicht, was sie nun von mir wollte. ,,Ist nicht so ein billiges Etui!" Lachte sie dann laut. Ich fand es schade, dass die Lehrerin nichts mitbekommen hatte, weil die Klasse im allgemeinen ganz laut war. Doch irgendwie musste ich schmunzeln. ,,Warum lachst du jetzt?" Fragte sie mich im ernsten Ton, woraufhin ich nichts sagte und nur für mich allein nachgedacht hatte. Tatsächlich fand ich den Übergang lustig, weil es mir weiterhin unbekannt war, wie sie darauf gekommen ist. In der Situation fand ich es einfach nur dumm von ihr. An ihrem Gesicht, konnte ich erkennen, dass sie es sauer machte, dass ich bei ihrem Versuch mich zu erniedrigen schmunzeln musste. Aufgrund dessen, ließ sie nicht nach. ,,Allein deine Klamotten sehen billig aus. Als hätte Gott ein billiges Gesicht aus dir gemacht und das du nur aus den Resten anderer Menschen bestehst". Ob mich dieser Satz kränkte?...Natürlich. Es war klar, dass sie eine Schippe drauf legen musste, damit ich mich mies fühlte. Als sie weiter sprechen wollte, mischte sich das Mädchen ein, die gegenüber von mir saß. ,,Hör mal auf so zu reden, Mariam. Voll unlustig." Mariam fing an zu lachen und nannte sie bei ihrem Namen. ,,Ich mache doch nur Spaß. Selin und ich sagen uns immer so etwas. Stimmts?" Fragte sie mich und schaute mich ernst an. Das Mädchen schaute mich etwas versorgt an, doch als ich es bestätigt hatte, sagte sie nichts weiteres mehr dazu. Ein wenig hatte ich die Hoffnung gehabt, dass das Mädchen es nicht glaubt und mich sozusagen daraus holt. Jedoch hakte sie nicht weiter nach und ignorierte das Ganze. Wieso ich Mariam zugestimmt hatte, wusste ich auch nicht. Ich fühlte mich einfach nicht gut und spürte eine innere Unruhe tief in mir. Da es bald Weihnachten war, wollte uns unsere Klassenlehrerin ein paar Ideen mitteilen, die sie im Sinn hatte, um das Fest gemeinsam mit der Klasse zu feiern. Sie schlug uns vor zu wichteln und alle hatten dem zugestimmt. Nun haben wir unsere Namen auf einen Zettel geschrieben und es klein gefaltet, um es in eine Kiste zu legen. Zuerst durfte der Klassensprecher und sein Gruppentisch einen Namen ziehen, ohne den anderen Mitschüler*innen zu verraten, wen man gezogen hat. Mir war es egal welchen Namen ich ziehe, solange ich Mariam nicht ziehen würde. Denn bei ihr, spürte ich immer wieder ein mulmiges Gefühl im Bauch. Zudem war ich mir sicher gewesen, dass sie irgendeinen Grund finden würde um mein Geschenk zu kritisieren. Auch hoffte ich, dass sie nicht meinen Namen zieht. Schließlich hatte ich angst davor, dass sie mich erneut vor der gesamten Klasse erniedrigt. Nun war unser Tisch dran gewesen. Unsere Klassenlehrerin lief auf mich zu und hielt die Kiste vor mir. Mit einer leicht zittriger Hand, griff ich hinein und zog einen Zettel raus. ,,Da freut sich aber jemand und ist ja schon ganz aufgeregt!" Sagte meine Klassenlehrerin zu mir, da ihr meine Hand auffiel und man mir erkennen konnte, wie nervös und aufgeregt ich war. Ich lächelte sie nur an, denn Freude war es definitiv nicht...Natürlich durfte sie den wahren Grund nicht erfahren. Warum auch? Ich redete mit niemanden darüber, wie es mir wirklich ging. Als ich vorsichtig und langsam den Zettel gelesen hatte,konnte ich beruhigt ausatmen. Zum Glück hatte ich einen Mitschüler gezogen, mit dem ich bisher keinen wirklichen Kontakt aufbauen konnte. Zwar wusste ich nicht, wen Mariam zog, aber trotz dessen war ich froh darüber gewesen, dass ich ihr kein Geschenk geben musste. Die erste Stunde verging und nun hatten wir eine Pause von fünf Minuten. Die sogenannten ,,Zwischenpausen" waren eine Qual für mich. Schließlich waren es die Pausen, bei denen ich mich nicht in einer Toilette einsperren  konnte. Sofort wurde die Klasse lauter und alle haben untereinander angefangen sich zu unterhalten. Doch niemand sprach mit mir. Da ich am Gruppentisch an der Wand saß, hatte ich einen guten Überblick zu jeden. Jeder lachte und krisch laut durch die Klasse. Mein Blick wanderte zu Mariam, die sich zu Melek und Lena gesellte. Sie waren nicht weit von mir entfernt, weswegen ich sie hören konnte. Mariam sprach mit einer erhöhten Lautstärke und während sie laut am lachen war, hörte ich sie sagen, dass sie mich fett fand. Es war traurig genug gewesen, dass sie einen Menschen beleidigen musste, um ihren Spaß zu haben. Doch viel trauriger war es gewesen, dass Melek, Lena und mittlerweile auch weitere Mitschülerinnen Gefallen darin gefunden hatten. Endlich ging die Pause vorbei. Mit der Zeit fiel mir auf, dass ich mich immer schwieriger im Unterricht konzentrieren konnte. Die ganze Zeit hatte ich nur darüber nachgedacht, wo ich mich in der nächsten, großen  Pause aufhalten sollte. Ich war verzweifelt gewesen und mir fiel ein, dass Melek mir ihre Geheimnisse anvertraute. Nun schwebte mir der Gedanke, mich ihr anzuvertrauen und ihr zu sagen, dass ich mich in letzter Zeit unwohl in der Klasse fühle. Nach dem klingeln, lief ich langsam auf Melek zu und fragte sie, ob sie Zeit und Lust hätte, dass wir uns eben alleine unterhalten könnten. Von weitem sah ich Mariam, die uns beobachtet hatte. Melek hatte ebenfalls zu Mariam geschaut und lehnte mir ab. ,,Könnten wir denn wenigstens die Pause zusammen verbringen?" Fragte ich sie, doch sie wollte nicht. Als ich von ihr weg lief, entschied ich mich dafür, die Pause auf der Toilette zu verbringen. Dort fragte ich mich, warum Melek mich abgewiesen hatte und ob ich ,,erneut" etwas getan habe, was ihnen nicht gefiel. Ich hatte das Gefühl gehabt, dass niemand die Pause mit mir verbringen möchte, weswegen die Mädchentoilette mein einziger Rückzugsort in der Schule war. Wie üblich saß ich auf dem Toilettendeckel mit angezogenen Beinen und verschlossener Tür. Ständig ein Gedankenkarussel... ,,Warum tun sie mir das an?...Was denken sie bloß von mir?...Warum immer ich?...Was stimmt nicht mit mir?...Was habe ich ihnen getan?" So viele Fragen, die ich in meinem Kopf stellte. Tag für Tag und nie fand ich eine Antwort, auf meine Fragen. Ich fühlte mich hilflos, doch wollte nicht, dass sie es erkennen. Jeden Tag versuchte ich meine Tränen zu verstecken. Immer das gleiche, falsche Lächeln, die gleichen Ausreden...Irgendwann wusste ich, dass ich nicht mehr kann. Schließlich fiel es mir jetzt schon schwer durchzuhalten. ,,Ob ich nun übertreibe?" Fragte ich mich. Aber wieso fühle ich mich so schlecht, obwohl ich versuche mich selbst aufzumuntern? Würde ich ,,übertreiben", wäre es mir dann nicht gelungen, mich abzulenken? Ich bin ein optimistischer Mensch, doch wie kann ich jetzt noch an das Gute glauben?...Ich hörte die Klingel läuten und wie immer, wischte ich mir die Tränen im Gesicht weg, bevor ich raus lief. Auf meinen Weg sah ich aus der Ferne Mia, die mit dem Rücken zu mir gedreht war. Ich musste schmunzeln, als ich sie sah und gerade als ich zu ihr laufen wollte, sprang Ilene auf sie zu. Die beiden glücklich zusehen hatte mich ein wenig enttäuscht...So blieb ich stehen und bekam ein Stich ins Herz, denn Ilene ist die Cousine von Mariam und beide sind nicht gerade nett zu mir. Schnell schaute ich auf den Boden und geschwind lief ich an ihnen vorbei. Sofort kam mir in den Sinn, dass ich Mia nicht vertrauen durfte. ,,Sicher ist sicher", dachte ich. Auf der anderen Seite, ließ es mich nicht kalt. Ich bin nun mal auf mich selbst gestellt. Gerade als ich an Mariam und den anderen Mädchen vorbei lief, hörte ich einige ,,Baahh" hinter mir her rufen. Auch ihr Gelächter ging mir nicht aus den Kopf. Erniedrigt, beschämt, gedemütigt...das sind die Wörter, die mich während der Zeit begleitet haben. Leider kamen immer mehr Wörter dazu, die mich in Laufe der Monate zu schlimmen Gedanken gebracht hatten.

MOBBINGWhere stories live. Discover now