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Erleichtert bemerkte sie, dass sich ihr Teller doch geleert hatte, als dieser von dem bemühten Servicepersonal abgeräumt wurde. Sie nickte, als die Kellnerin sie bat, sich für ein Dessert am Buffet zu bedienen. Das hatte das Personal in der Zwischenzeit aufgebaut. „Wollen wir?"Ihr Blick flog zu ihrer Mutter, deren Augen sie amüsiert anblitzten und sie musste es automatisch erwidern. Obwohl sich aufs Neue diese Flauheit in ihren Eingeweiden breitgemacht hatte, stimmte sie sofort zu. Vielleicht würde der Zucker einer Süßspeise ihre Laune stabilisieren, sonst klappte das auch immer, sagte sie sich und folgte ihrer Mutter.Sie entdeckte Cremespeisen, Fruchtiges und ein paar Kuchen in der Auslage und griff nach einem Tiramisu. Als Flo sie foppte, das wäre typisch, grinste sie. Während sie zu ihrem Platz zurückging, verkrampfte sich ihre Brust jedoch erneut, als ihre Gedanken zum weiteren Verlauf ihres ersten Geburtstags ohne Hendrik wanderten...

„Oh, Schatz. Es ist ok." Emelies Arme umfingen sie und ihr Schluchzen hallte von den Küchenschränken wieder, die Hendrik und sie damals günstig erstanden und aufgearbeitet hatten. Jeder Schritt durch ihr Haus erinnerte sie an ihn und jeder Atemzug entzog den Zimmern seinen Geruch.

Normalerweise verbannte sie sich diese Gedanken. Doch in diesem Moment brachen sie mit Indianergeheul hervor und stellten sie an den Marterpfahl. Wie von fern nahm sie das sanfte Streicheln wahr, das einen wärmenden Schauer über ihren Rücken schickte. Doch es perlte förmlich an ihr herab. All die Tage, an denen sie versuchte, Florian ein stabiles Umfeld zu schenken, ihm nicht zu zeigen, wie inkomplett sie sich fühlte, schienen einen Wall aus Steinen auf ihre Brust gelegt zu haben. „Gretel. Er kommt zu dir zurück. Ich kann verstehen, dass du ihn vermisst, denn du hast dein ganzes Leben auf ihn ausgerichtet, aber..."

Unwillig schüttelte sie mit dem Kopf. „Lass das Psychogequatsche, Emmy. Ich will gerade nicht hören, dass du meine Fixierung auf ihn fragwürdig findest, ok? Das weiß ich. Aber ich bin keine von deinen beschissenen Patienten."

Sie spürte, wie Emelie sich zurücklehnte und ihre Arme über ihre Schultern rutschten. Sofort vermisste Gretel die Wärme, die von ihnen ausgegangen waren. Emmy starrte ihr ins Gesicht, ehe sie kurzangebunden nickte und sie versuchte, die Worte, die sich in ihr anhäuften, in geordnete Bahnen zu lenken. „Ich will nur ... Ich habe so schreckliche Angst. Ich habe dir nicht alles erzählt. Bevor er gegangen ist ... wir ... wir hatten eine Krise. Was ist, wenn er zurückkommt, und wir bekommen das nicht mehr in den Griff?"

Sofort spiegelte sich wieder Mitgefühl im Gesicht ihrer Freundin, die zuvor noch die Stirn gerunzelt hatte. Doch nun waren ihre Brauen schräg nach oben geschnellt und Emmy zog sie zurück an ihre Brust. Matt legte Gretel den Kopf an deren Schulter ab und merkte, wie der dünne seidige Stoff unter ihrer Wange feucht wurde.

Gretel hörte, wie Emelie seufzte, und schluckte den neuen Schwall Tränen hinunter. „Ich wusste gar nicht, dass ihr eine Krise hattet. Wieso hast du nichts erzählt?"

Obwohl Emmys Frage nach einem Vorwurf klang, wusste sie, dass es keiner war. Die Stimme ihrer Freundin wirkte eher betroffen, statt verletzt und sie zuckte mit den Schultern. „Du kannst ihn ohnehin nicht leiden."

„Das ist nicht wahr, Gretel. Denkst du das wirklich? Shit. Ok, es stimmt, ich hab dran gezweifelt, dass du ihn zähmen und zu einer monogamen Beziehung bewegen kannst, aber das heißt nicht, dass ich nicht sehe, wie glücklich ihr euch macht. Ihr liebt euch und das schon seit acht Jahren. Das ist für jedermann sichtbar und ihr tut euch gut. Weswegen ich dir nicht dauernd in den Ohren liege, dass deine Fixierung auf ihn auch ins Negative ausschlagen kann. Ich mach mir nur Sorgen. Jetzt noch mehr. Genauso wie ich Gewissensbisse habe, weil ich dir offenbar suggeriert habe, dass du nicht mit deinen Beziehungsproblemen zu mir kommen kannst..."

Automatisch wollte sie widersprechen, doch sie wurden unterbrochen, als sie heraneilende Schritte auf dem Holzlaminat vernahm – genauso wie den Klingelton ihres Handys. Hastig wischte sich Gretel über ihre Wangen und löste sich von Emmy. Gerade im rechten Moment, denn schon schob sich ihre Mutter in den Raum. Sie fing noch deren Irritation auf, angelte aber nach dem Telefon, das ihre Mama ihr entgegenstreckte. Als sie auf das Display ihres Nokia 3310 linste, runzelte sie die Stirn, denn es wurde keine Nummer angezeigt.

Gretel - Das bin ichWhere stories live. Discover now