nineteenth of december - jovie

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Jovie schwänzte Schule - beziehungsweise hatte Kris versprochen, ihn krank zu schreiben, aber an sich schwänzte er Schule. 

Stattdessen half er Marley, ein paar Sachen zu packen und in das Gästezimmer von Kris' Onkel zu ziehen. 

"Meine Eltern werden eh so schnell nicht heimkommen", murmelte sie, "Wahrscheinlich werden sie sogar über Weihnachten wegbleiben, bis sie sich beruhigt haben." 

Sie war immer noch nicht bereit zu reden, doch es war okay. 

Jovie kannte das von früher - erst nach einer Weile, in der Marley alles verarbeitet hatte, sprach sie auch mit anderen. 

Das war okay. 

Kris Onkel nahm sie auf, ein wenig stirnrunzelnd, doch schlussendlich erzählte Marley wohl ihm einen Teil der Geschichte und sofort war er einverstanden. 

Jovie wartete, half ihr, das Bett zu beziehen und lag dann schlussendlich auf dem Boden neben Marleys neuem Bett und schwieg. 

Um zwei kam Kris vorbei. 

"Alles gut?", fragte er zögerlich und Jovie musste sich noch immer an seine Stimme gewöhnen. Seit nun drei Jahren waren sie in einer Klasse und erst in der vergangenen zwei Wochen hatte er ihn zum ersten Mal sprechen gehört.

"Ja", meinte Marley, "Dein Onkel ist nett." 

"Hm, ich weiß", sagte er und setzte sich dann neben Jovie auf den Boden. 

"Willst du jetzt reden?", fragte Jovie vorsichtig - er wollte nichts überstürzen. 

Marley seufzte, streckte ihre Beine aus und nickte schlussendlich. "Stella und ich hatten diesen Plan", begann sie. Ihre Stimme war jetzt schon verdächtig zittrig. 

Jovie reichte ihr die Wasserflasche, die sie mitgenommen hatten. 

"Und zwar hatte ich vor, meiner Mutter zu sagen, dass ich - dass ich lesbisch bin. Ich wusste, dass sie nicht so sonderlich... aufgeschlossen ist. Ich wusste es. Aber vielleicht ihre eigene Tochter-" Marley fing erneut an zu weinen und Jovie spürte, wie sich sein eigenes Gesicht verhärtete. Er konnte schon erahnen, wie es weiterging, er kannte Marleys Mutter. 

"Ihre Tochter war aber anscheinend am schlimmsten", murmelte sie. "Sie hat mich beleidigt und auch geweint, so sehr geweint, wie ich ihr das antun konnte, ihre einzige Tochter, ihr einziges Kind, lesbisch - und ich hasse mich selbst dafür, meine Mutter zum Weinen gebracht zu haben und nun hasst sie mich und sie und Dad sind gegangen, irgendwohin gegangen und sie haben mich verlassen und ich habe Angst, dass sie nie wieder zurück kommen-"

Ihr ganzer Körper wurde geschüttelt von den Schluchzern und Jovie stand auf und setzte sich neben Marley, schlang einen Arm um ihren Körper und zog sie näher an sich. 

Er war erschüttert von der Reaktion ihrer Mutter - das eigene Kind so runterzumachen, zu verlassen, wegen der Sexualität, sie so sehr zum Weinen und verzweifeln zu bringen. 

Und dann fiel ihm ein, dass er nicht viel besser gewesen war. Vielleicht nicht viel besser war. Und er fühlte sich noch viel mieser. 

Kris sprach, mit seiner ruhigen, neutralen Stimme. "Du kannst hier bleiben so lange du willst. Mein Onkel versteht. Du musst nicht nach Hause zurückkehren, zumindest nicht jetzt, die Zeit schiebt alles so hin, wie es sein soll." 

Das waren die richtigen Worte. Für eine kurze Sekunde hatte er Augenkontakt mit Kris, bevor dieser ihn unterbrach. 

"Sie werden eh so schnell nicht kommen. Sie sind bestimmt zu irgendwelchen Verwandten geflohen und erzählen jetzt der ganzen Familie von ihrer schändlichen Tochter", murmelte Marley, ein Zittern durchlief sie und veranlagte Jovie, sie noch näher an ihn zu ziehen. Er wollte alles wett machen, was er jemals falsch gemacht hatte. 

Die ganzen Jahre, die er vermasselt hatte, wollte er vergessen, den Knacks in ihrer Freundschaft - und ihr helfen, ein gutes Leben zu leben. 

"Alles wird gut." 

Und er meinte es so. Alles würde gut werden. Selbst wenn es zum Schluss nur noch sie drei waren. Kris, Marley und Jovie. 

shitty parents society - Adventskalender 2023Where stories live. Discover now