8. Schmetterling im Regen

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Kaja streckte den Kopf aus der Tür der Waffenkammer und spähte nach links und rechts. Die Rekruten waren bei ihren Übungen und schlugen paarweise mit hölzernen Waffen aufeinander ein. Ihr Ächzen war auf dem ganzen Hof zu hören.

Sie presste ihr Bündel an sich, um es vor Regen zu schützen, und rannte zur östlichen Mauer unter den Bogengang. Ihre Augen tasteten unablässig die Umgebung ab. Sogar Gäste mussten ihre Waffen am Torhaus abgeben und da war sie, mit Drachenzorn im Arm, das ihr zudem noch die Todesstrafe für Zauberei einbringen konnte. Aber sich vom Schwert ... ihrem Schwert zu trennen, war unvorstellbar.

Kaja atmete tief durch. Mit diesem zu großen Kleid konnte sie für ein Dienstmädchen gehalten werden und ihr Schwertpäckchen für ein Stoß Brennholz. Das war unverdächtiger als eine Dame mit einem Bündel. Hoffentlich schaute niemand genau hin, immerhin war sie voller Schlamm. Sie schritt quälend langsam durch den menschenleeren Bogengang, während sie versuchte, alles gleichzeitig zu sehen. Keine Spur von Cisnero.

Kaja hatte die Hälfte des Weges zur Halle geschafft, als sie im Augenwinkel ein blaues Blitzen entdeckte. Kaum richtete sie ihren Blick darauf, war es zwischen den Büschen verschwunden.
Sie blieb stehen. Hatte sie sich geirrt? Nein. Da war es wieder. Näher. Ein glühend blauer Punkt kämpfte sich durch den Regen. Mal höher, mal tiefer, aber er kam stetig auf sie zu. Was war das? Sollte sie warten und es herausfinden? Nein, das war zu riskant.

Kaja setzte ihren Weg langsamer fort, damit sie ihn nicht aus den Augen verlor. Kaum machte sie den ersten Schritt, stand er plötzlich still. Dann schoss der Punkt pfeilschnell auf sie zu. Gehetzt sah sie sich um. Sie war beim Osttor des Innenhofs angelangt. Da war kein Versteck. Doch. Da.
Einer von Archens Hunden lag unter dem Torbogen und wedelte zur Begrüßung einmal müde mit dem Schwanz. Kaja kauerte sich zu ihm. Hoffentlich zog das blaue Ding an ihr vorbei, bevor sie jemand ausmachte.

Kaja hielt den Atem an und lauschte. Der Hund begrub seine Schnauze unter den Pfoten und winselte. Hatte er etwas bemerkt, das sie nicht sehen konnte? Der Hund stand auf und trottete mit eingeklemmtem Schwanz in den Außenhof. Sie lugte verstohlen um die Ecke in den Innenhof. Nichts. Kein Lichtpunkt mehr. Niemand beachtete sie. Sie seufzte vor Erleichterung.
Kaja richtete sich auf. Vor Schreck hätte sie beinahe laut aufgeschrien. Ein blauer Schmetterling versuchte, auf ihrer Nase zu landen. Sie zuckte zrück. Skeptisch beäugte sie das dubiose Insekt, das vor ihr flitterte. Nein, nichts Natürliches war je so glühend Blau. Naril!

Er hatte oft Schmetterlinge in allen Farben des Regenbogens für sie beschworen. Ihre liebsten waren blau. Aber das lag viele Jahre zurück. Kaja schüttelte den Kopf. Natürlich dachte Naril an etwas, dass für sie so weit zurücklag. Für ein Elfenleben waren Jahrzehnte das Gleiche wie Monate für Menschen.

Wehmütig lächelnd streckte sie eine Hand nach dem Schmetterling aus. Sofort landete er federleicht auf ihren Fingern und schloss die Flügel. Als er sie wieder öffnete, entdeckte Kaja schwarze Markierungen darauf; Schriftzeichen der Elfensprache.

Die geheime Nachricht war kurz: „Lager A5, jetzt." Kaum hatte sie zu Ende gelesen, verpuffte der Schmetterling und hinterließ ein Häufchen von blauem Staub. Irritiert blies sie ihn weg.
Warum ausgerechnet im Lager A5? Da spukte es angeblich. Es lag im hintersten Teil der Feste und war in die Felswand hinter der Halle gehauen. Der Zutritt zu den Lagerhallen war verboten und es gab nur zwei Zugänge: Entweder ging sie durch die Speisekammer, die neben der Küche lag oder sie nahm die Tür hinter der Haupttreppe, wo die Elite Wache hielt. Keiner der Eingänge war unbewacht.

Vielleicht hatte sie Glück und die Elite war nicht auf ihrem Posten, so wie heute Morgen. Nein. Selbst Grim war nicht unerschrocken genug, um Cisnero zu brüskieren, indem er keine Wache für ihn postierte.

Quellen der Traurigkeit - Die Legende von Kaya Band 1Where stories live. Discover now