7. Regen und Schlamm

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Entgeistert starrte Kaja den Fremden an. Wann war er ins Zimmer gekommen? Was hatte er mitbekommen? Ein leises Aufstöhnen. Darien gingen wohl ähnliche Gedanken durch den Kopf.
Der Fremde lächelte breit, doch die Augen im scharfkantigen Gesicht blieben kalt.

„Junger Mann, du solltest auf sie hören."
Er sprach die Handelssprache näselnd mit starker avensischer Betonung.
Unvermittelt bohrte sich sein Blick mit lodernder Intensität in Kajas.
„Für einen Lehrling des ehrenwerten Heilerstandes gebührt es sich nicht, vor Patienten so zu keifen. Wenn ich es mir recht überlege, für eine Dame gebührt es sich in keiner Situation."

Ihr schoss Hitze in den Kopf. Bevor sie etwas sagen konnte, baute sich Darien in voller Größe vor ihr auf und zog sie nah zu sich. Sein Körper war angespannt, als erwarte er einen Schlag.

„Wo finde ich Eure Lehrmeisterin?", fragte der Fremde gelassen. Er bewegte sich zur Seite, um Kaja besser zu sehen. Präzise. Flink. Wie ein Raubtier, das seine Beute umkreiste.
Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Er trug die Kleidung eines Pilgers, aber seine Bewegungen verrieten den Krieger. Ihr Herz machte einen Satz und raste dann donnernd in ihrer Brust.

„Warum wisst Ihr, wer ich bin?"
Sie brauchte Dariens heimlichen Knuff nicht, um zu wissen, dass sie einem Vollstrecker gegenüberstand.

„Ich suche die Heilerin Alina, wo finde ich sie?"

„Edler Herr ... Die Frau Heilerin ist nicht hier. Ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr uns mit meinem Vater alleinließt. Seine Verletzungen sind schwer", sagte Darien so rührend, dass selbst Kaja erwartete, ihn in Tränen ausbrechen zu sehen.
Aber der Vollstrecker sah nachdenklich aufs Bett, strich über seinen ergrauten Ziegenbart. Er setzte ein Lächeln auf, von dem Kaja annahm, dass es selbst einem Wolf gegraust hätte.

Sie fröstelte. Darien legte einen Arm um sie und bat:
„Bitte ... Wir möchten Abschied nehmen."

„Selbstverständlich."

Der Vollstrecker verließ das Zimmer. Kaja fing durch seine Bewegung einen Lufthauch auf. Erstarrte. Darien schloss die Tür hinter ihm mit einem leisen Seufzer, der sie zusammenfahren ließ.

„Kaja? Kaja, ist alles in Ordnung?" Sanft strich er mit dem Handrücken über ihre Wange.

„Ja. Danke."

Ihre Stimme klang fremd in ihren Ohren. Sie konnte ihm nicht sagen, dass der Vollstrecker nach Magie roch. Ein- und ausatmen. Ohne ein weiteres Wort hastete sie aus dem Zimmer. Sie musste Alina warnen.

„...Hilfe nehme ich gerne an, werter Herr Cisnero", sagte Alina fröhlich. Mist, er hatte sie vor ihr gefunden.

„Nicht nötig. Das kann ich doch tun", mischte sich Kaja ins Gespräch ein. Darien war ihr gefolgt und legte seine Hand auf ihre Schulter. Sie versteifte sich, damit er sie nicht wegziehen konnte.

„Nein, danke. Herr Cisnero ist Heiler aus Dragura. Er wird mir heute netterweise etwas zur Hand gehen ..."

„Was führt Euch aus der königlichen Hauptstadt zu uns ... in die Einöde?", fragte Kaja hastig, bevor sie weggeschickt wurde.

Alinas Augen verengten sich zu einem strafenden Blick, dem Kaja auswich. Ein Vollstrecker stand hier vor ihnen und von Naril, der sie schützen sollte, war keine Spur zu sehen. Da war es egal, wie unhöflich ihr Verhalten war.

„Mein Amt ist es die Vollstrecker anzuführen. Aber im Grunde bin ich nur ein bescheidener Diener der Neuen-Ordnung."

Kajas Augen suchten Alinas Gesicht, in dem sich allerdings nicht das erwartete Erstaunen abzeichnete.
„Das ist eine sehr noble Aufgabe, wenn man nach einem höhren Plan handeln kann."

Quellen der Traurigkeit - Die Legende von Kaya Band 1Where stories live. Discover now