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George

So wie sich mein Körper auf der Tanzfläche drehte, tat es auch mein Kopf, der immer weiter mit Alkohol befüllt wurde. Alles was ich wahr nahm war die Musik, die mir in die Ohren dröhnte und der bittere Duft des Alkohols, der mir die Nerven meiner Nase betäubte. Von allen Seiten stießen irgendwelche Leute gegen mich. Normalerweise würde es mich stören, doch normalerweise würde ich mich auch nicht an einem Ort wie diesen aufhalten - früher jedenfalls.

Was hätte ich aber sonst tun sollen? Mich weiter einsperren und darauf hoffen, dass er eines Tages wieder auftauchen würde? Zu mir zurückkommen würde? Ich wusste nicht einmal wie lange er bekommen hatte und wenn er schon längst wieder draußen war, war es auch eindeutig, dass er nicht zu mir kommen würde. Schließlich war es inzwischen zwei Jahre her, als er verhaftet wurde, nachdem er auf mich geschossen hatte.

Innerhalb dieser zwei vergangenen Jahre hatte ich mehrere Identitätskrisen durchgemacht. Wenn ich heute auf mein altes ich zurückblickte konnte ich nur über mich selbst lachen. So schwach und naiv. Heute war ich mehr oder weniger ein Selbstbild von ihm. Ich war schon beinah die Person geworden, die er von mir fernhalten wollte - sich selbst.

Jedes Mal, wenn ich an ihn dachte, fühlte es sich so an, als würde mir jemand die Kehle zudrücken. Mich erwürgen und langsam ersticken lassen. Wie konnte ich zulassen so abhängig von jemanden zu werden, der mich nicht einmal wollte? Ich hatte mir andauernd eingeredet, dass es anders sein würde, doch letztendlich hatte ich mich selbst belogen.

Es lagen nur zwei Jahre zwischen meinem 18ten und nun 20-Jährigem ich. Dabei fühlte es sich wie mein halbes Leben an. Ich würde mich selbst nicht einmal mehr wiedererkennen können, so wie es meine Familie und Freunde kaum taten. Ich hatte mich von allem und jedem abgekapselt, es hätte mir sowieso niemand beistehen können. Sie konnten sich nicht vorstellen, wie es sich anfühlte eine ewige Narbe auf seinem Körper eines Menschen für den man alles getan hätte zu tragen.

Jeden Morgen beim Umziehen einen Blick in den Spiegel zu machen und zu sehen, wie der Abdruck der Einschusswunde für immer bleiben würde. Er war vielleicht verschollen als hätte es ihn nie gegeben, als wäre er nie in meinem Leben gewesen, doch diese Narbe würde mich für alle Ewigkeit an ihn erinnern.

Ich versuchte nicht mehr an diese Zeit zurückzudenken, doch zu oft erwischte ich mich selbst dabei, wie ich mich fragte, wo er gerade zu sein schien, was er tat, mit wem er war. Mit 21 hatte er noch immer sein ganzes Leben vor sich wie ich mit meinen 20 Jahren, doch es fühlte sich einfach nicht so an.

Ich hatte so viel vor, ich wollte studieren und danach reisen gehen. Wo waren all diese Träume und Ziele hin? Nun arbeitete ich Nachts an einer Tankstelle und schlief so gut wie den ganzen Tag über, da ich so erschöpft von meinem Leben war. Und wenn ich mal freihatte, hielt ich mich die ganze Nacht in irgendwelchen Clubs auf und kippte mir den Schädel dumm und dämlich - so wie gerade.


Ich stieß ein sanftes Atmen aus als ich zwei starke Hände um meine Hüfte spürte, die mich langsam zu sich umdrehten. Meine Augen trafen auf grüne Augen und blonde Haare. Ein markantes gutaussehendes Gesicht und gut gebauten Körper. Sofort erinnerte es mich an Clay. Für einen kurzen Augenblick hatte ich diesen Typen sogar für ihn gehalten, doch er war es nicht.

,,Ich beobachte dich schon seit einer Weile'' flüsterte er mir ins Ohr.
,,Nur um mir das zu sagen?'' grinste ich neckend. Seine Augen hatten mich gefesselt, beansprucht. In mir baute sich das Gefühl von Schwäche und Sehnsucht auf. Ein Gefühl, welches ich nie wieder spüren wollte, doch ich konnte ihm einfach nicht widerstehen. Nicht wenn er so sehr wie die Person aussah, für die ich einst mein Leben gegeben hätte.

Nur wenige Minuten später fanden wir uns auf dem Männerklo in einer der Kabinen wieder. Ein Ort an dem ich mich immer wieder mit irgendwelchen Typen vergnügt hatte. Ganz egal in welchem Club, letztendlich landete ich immer mit irgendeinem dort und versuchte diese Leere in mir stillen zu lassen. Obwohl ich ganz genau wusste, dass es nichts brachte.


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~ <- Dieses Zeichen bedeutet, dass eine neue Szene beginnt.


Soft; but not my heartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt