Kapitel 18

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Als seine Studentin hatte ich an einem Freitagnachmittag nichts bei ihm zu suchen. Wusste nicht, wie man das hätte erklären sollen. Ich hörte wie die Tür aufging, spielte nervös an dem Knopf von meiner Bluse herum, den ich hin und her drehte. »Was machst du denn hier?«, fragte Tom, dessen Stimme äußerst schrill klang. Augenblicklich setzte ich mich aufrecht auf der Couch hin, wandte meinen Körper zum Flur, während ich mein rechtes Bein angewinkelt auf der Sitzfläche liegen hatte. Wer auch immer dort stand, kannte den Blauäugigen, stellte eine Gefahr für uns da. Selbst wenn es nur ein guter Freund war, war diese Person ein Risiko für uns. Das Sarah von uns wusste, reichte schon aus. Sogar sie könnte in einem unbedachten Moment unserer Beziehung ausplaudern.
»Ich bin hier, weil ich dich zum Essen einladen möchte!« Eine Frauenstimme ertönte und das war sicher nicht die von seiner Schwester. Meine Antennen schlugen augenblicklich Alarm, mein Herz raste und ein flaues Gefühl breitete sich in meinem Bauch aus. Die Ungewissheit wer dort stand und inwiefern Tom mit ihr zu tun hatte, machte mich mehr als nur wahnsinnig. Angestrengt atmete ich, krallte meine Finger in den schwarzen Bezug der Rückenlehne.
»Nein«, stammelte Tom, wirkte scheinbar ein wenig überfordert. Die Frage war jetzt nur, wieso er so nervös wirkte? War er doch ein Draufgänger und hatte Angst, dass ich es auf diesem Weg erfahre? Hatte ich mich mal wieder so blenden lassen?
»Wieso?«, wimmerte die Frau, die anscheinend nicht locker lassen wollten. Ihre Stimme bebte, weshalb ich ahnte, dass sie den Tränen nahe war. »Ich liebe dich!«, fügte sie hinzu, beförderte mich in einen Zustand, der kaum zu beschreiben war. Unweigerlich weitete ich meine Augen, hörte auf zu atmen, als ihre Worte immer und immer wieder in meinem Kopf widerschallten. Sie liebt ihn? Dann muss doch etwas vorgefallen sein, oder? Man verliebt sich doch nicht in jemanden, der einem keine Beachtung schenkt. Tom, was läuft hier? Mir war speiübel, als ich mich langsam von der Couch erhob. Hatte einen regelrechten Schwindel in meinem Kopf, während ich meinen Rock zurechtrückte. Ich mache so etwas nicht noch einmal mit! Nein! Niemals wieder werde ich mich so sehr an der Nase herumführen lassen.

»Lass uns essen gehen, Tom! Wir haben uns doch so gut verstanden, warum sollten wir diese Sympathie nicht nutzen? Vielleicht sind wir füreinander bestimmt?« Unfähig den immer ansteigenden Schwindel aufzuhalten, hielt ich mich krampfhaft an der Rückenlehne der Couch fest, war eigentlich gewillt in den Flur zu gehen und alle Beteiligten zur Rede zu stellen, aber meine Beine wollten sich nicht bewegen. Auf einmal hörte ich Stöckelschuhe, die laut und unerträglich über den Boden klackerten. Mein Herz, das aufgehört hatte zu schlagen, rutschte mir bis in die Hose, nein, bis in meinen Rock.
»Stopp! Alice, du kannst doch nicht so ungefragt in mein Haus stürmen?«, rief Tom laut, wirkte gar panisch. Kein Wunder, dachte ich mir! Nun trifft die eine Geliebte auf die andere. Welche Studentin hatte er sich zusätzlich an den Hals geschmissen? Alice? Der Name sagte mir erst einmal nichts. Aber ich war auch noch nicht lange auf der Uni, kannte kaum jemanden.
»Gib mir doch eine Chance, Tom. Lern mich besser kennen«, wimmerte diese Frau, deren Gesicht ich endlich sehen wollte. Scheinbar verstanden sie sich sonst sehr gut, da sie nicht davor zurückschreckte, ihn beim Vornamen zu nennen. Plötzlich tauchte im Türrahmen unsere Literaturdozentin auf. Erschrocken weitete ich meine Augen, als sie mich regelrecht anstarrte. Unfähig mich zu bewegen, musste ich innerlich über mich selbst lachen. Eine Dozentin! Na klar, warum auch nicht? Ich war so dumm und habe angenommen, dass nur die Studentinnen eine Gefahr für mich darstellen.

»Miss Jones?«, sagte sie geschockt, während Tom hinter ihr auftauchte, sich angespannt mit seinen Fingern die Schläfe massierte. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Die Wahrheit? Hatte er verdient, wenn er ein doppeltes Spiel spielt, oder? »Können Sie mir das erklären?«, stotterte Miss Walsh, die mich einmal in der Woche unterrichtete. Sie wirkte verwirrt, sah zwischen mir und ihrem Kollegen hin und her. Schien allerdings per Knopfdruck wieder förmlich sprechen zu können. Durch die hektischen Bewegungen ihres Kopfes, flogen ihre glatten roten Haare umher. Noch immer unfähig meinen Mund zu öffnen, sah ich sie mir genauer an. Sie war hübsch, ein paar Jahre älter als Tom selbst, aber dennoch ansehnlich. Ihre schlanke Figur konnte in dem schwarzen Cocktailkleid überzeugen, hatte sich extra für den Blauäugigen schick gemacht. Solch eine Frau wünschte sich Sarah für ihn. Eine, die mit beiden Beinen im Leben stand, Geld verdiente und sicher demnächst Kinder wollte.
»Miss Jones braucht Unterstützung in Geschichte«, sagte der Lustmolch nervös, strich sich hektisch mit der rechten Hand über die Brust. Seine blauen Augen suchte meine auf, wirkten panisch und zeitgleich bittend, bei seinem Spiel mitzuspielen. Ich wandte meinen Blick von ihm ab, betrachtete die Dozentin vor mir. Sie fand die Aussage scheinbar ein wenig seltsam, krümmte skeptisch ihre perfekt geformten Augenbrauen.
»Und das machen Sie Freitagnachmittag bei sich zuhause?«, fragte sie, blickte prüfend an mir hinunter. Mein Unwohlsein stieg bei ihrem arroganten Blick, weshalb ich meinen Rock ein Stück hinunterzog, nicht wollte, dass sie einen falschen Eindruck von mir bekommt.
»Ausnahmsweise hatte ich das meiner Studentin vorgeschlagen, weil sie dringend Bedarf brauch. Normalerweise biete ich so etwas nicht an, aber Miss Jones hat kurz vor dem Abschluss die Universität gewechselt, ist nicht auf den Stand meiner anderen Studenten und benötigt Hilfe, um den Abschluss zu schaffen.« Wütend sah ich ihn an, als Miss Walsh ihr Augenmerk auf den Blondhaarigen richtete. Seine Lüge sorgte dafür, dass ich wie ein dummes Kind wirkte. Mit dieser Tatsache werde ich ihn noch konfrontieren! Der wird etwas erleben, aber nicht jetzt und nicht heute. Angewidert sah ich ihn an, wollte schleunigst gehen, weil ich den Anblick von meinem Prof nicht mehr ertragen konnte. Wieso sollte ich auch länger hierbleiben? Soll er mit seiner hübschen Kollegin essen gehen und schauen, wie stark die Sympathie der beiden tatsächlich ist. Ich atmete durch, setzte ein schuldiges Lächeln auf, damit die Rothaarige nichts von meinem eigentlichen Gemütszustand mitbekam.
»Es tut mir für die Unannehmlichkeiten leid, Mr Hiddleston. Ich wollte Ihnen keinen Ärger bescheren. Es ist besser, wenn ich gehe. Ich werde es schon irgendwie allein schaffen, den Unterrichtsstoff nachzuholen«, antwortete ich gespielt schüchtern.
»Nein, schon gut«, stotterte die Literaturdozentin. »Deshalb schätzen alle Kollegen Mr Hiddleston. Er setzt sich für die Schwachen ein, stärkt sie und führt sie zum Erfolg. Im ersten Augenblick wirkt so eine Szene allerdings merkwürdig, weshalb ich ein wenig skeptisch war. Ich habe überreagiert und möchte Ihnen beim Lernen nicht im Weg stehen. Aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn mein Auftreten unter uns bleiben würde«, fügte sie hinzu.

Secret desire: Als Geschichte interessant wurde Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt