Quattordici

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Theia

Wir hatten bestellt. Ich hob mein Weinglas an meine Lippen und trank einen Schluck. Daniel hatte sein Kinn auf seine Hände abgestützt und schaute mich an. Gemeinsam saßen wir in einem Restaurant. Die Ecke, die uns zuvor zugewiesen worden war, lag verborgen vor Blicken und etwas entfernt von den anderen Tischen so, dass keiner uns hören konnte.

"Ich hab mich die nicht fair gegenüber verhalten." Ich stellte mein Weinglas ab und schaute dann in seine Augen. Eine ehrliche Entschuldigung lag in seinem Blick. "Das hast du wirklich nicht." Bestätigte ich ihn.

"Ich..." Er fuhr sich mit der rechten Hand verzweifelt durch sein Haar. "Ich habe mich ehrlich gesagt gewundert, dass du nicht sauer auf mich bist. Und mir angeboten hast, dass ich mit dir immer reden kann." In seinen Augen stand ehrliche Überraschung und eine Verwirrung.

Meine Augenbrauen wanderten überrascht in die Höhe. "Ich bin in gewisser Weise sauer und auch enttäuscht von dir. Aber trotzdem machst du eine harte Zeit durch und ich kann dich auch verstehen."

Seine Augen glänzten mit leichter Hoffnung mir entgegen. Eine wichtige Sache musste ich aber noch wissen, bevor ich mich hier weiter auf das ganze einließ. Mein Gesicht wurde ernst. Daraufhin verloren seine Augen etwas an Glanz und er lehnte sich zurück.

"Was ist los?" Seine Stimme hatten einen leicht panischen Unterton angenommen. "Ich möchte einfach nur für mich wissen, ob du noch an uns glaubst oder was aus uns wird? Nur damit ich weiß, woran ich bin." Daniel guckte mich ungläubig an. Ein Knoten bildete sich in meinem Magen.

"Natürlich stehe ich hinter uns. Das hier..." Er zeigte erst auf mich, dann auf sich. "Ist das einzige, woran ich die ganze Zeit denken konnte. Ich glaube voll und ganz an uns." In seinen Augen lag ein bittender Ausdruck.

"Ich möchte komplette Ehrlichkeit von dir. Das Gleiche gilt auch für mich. Ich bin ehrlich." Mein Herz raste, warum wusste ich selbst nicht. "Sicher." Versprach er.

Ich nahm all meinen Mut zusammen und ließ die Frage, die mir schon die ganze Zeit auf der Zunge gelegen hatte los. "Warum denkst, du, hättest den Sitz in der Formel 1 nicht verdient?" Die Frage schlug ein wie eine Bombe.

Mehrere Minuten war es still. Daniel schluckte einige Male heftig, wobei sein Adamsapfel auf und ab hüpfte. Mein Mut verließ mich langsam. Meine Verzweiflung stieg.

Ein letztes Mal schluckte mein gegenüber, bevor er zum Reden ansetzte. "Ich..." Er räusperte sich. "Es ist etwas kompliziert." "Ich bin genau dafür mitgekommen. Damit wir über kompliziertes reden." Daniel nickte.

"Als ich noch in der Formel 2 gefahren bin, hatte ich einen sehr guten Freund. Eigentlich waren wir beste Freunde. Gleichzeitig waren wir aber auch unsere größten Konkurrenten." Daniels Gesichtszüge veränderten sich und es war, als würde der junge Daniel zum Vorschein kommen.

"An dem Abend waren wir zusammen zu einer Party gefahren. Es war kurz bevor man von den Formel 1 Teams ‚begutachtet'wird. Wir beide standen ganz oben auf der Liste für einen Platz in der Formel 1. Deswegen hatten wir uns gedacht, bevor das alles noch so richtig losgeht gehen wir nochmal einen drauf machen." Ich nahm einen Schluck Wein und Daniel folgte meinem Beispiel. Dann redete er weiter.

"Die Party war ziemlich unspektakulär, aber wir verloren uns aus den Augen. Ich trank nichts, weil wir abgemacht hatten, dass er hinfuhr und ich zurück. Bei der letzten Party hatten wir es andersherum gemacht, also machten wir es jetzt so. Als ich keinen Bock mehr hatte, ging ich ihn suchen. Er war total dicht und lallte nur so vor sich hin. Ich schleppte ihn also ins Auto und fuhr los. Während der Fahrt war er dann eingeschlafen. Nach einer Zeit wachte er wieder auf, immer noch völlig dicht." Daniel stoppte seine Erzählung und schluckte erneut.

"Er lallte rumquatschte irgendein Zeug was ich nicht verstand. Ich war so auf sein Gerede und die Straße vor mir konzentriert, dass ich nicht mitbekam, wie er zum Lenkrad griff. Er fasste ans Lenkrad und drehte es ruckartig...Wir...Ich verlor die Kontrolle über den Wagen. Wir rammten gegen ein andres Fahrzeug und flogen dann irgendwie weg. Am Ende kam ich in einem Graben wieder zu mir. Was genau passierte, nachdem ich die Kontrolle verlor, weiß ich nicht mehr. Es sind nur Annahmen." Wieder stoppte Daniel. Er schaute direkt in meinen fragenden Blick.

"Das Ende der Geschichte ist, dass er jetzt querschnittsgelähmt ist und ich fröhlich in einem Formel 1 Auto durch die Gegend fahre. Es ist unfair, dass er alles abbekommen hat und ich nur schrammen hatte." Ich griff über den Tisch hinweg nach seinen Händen. "Es klingt vielleicht abgedroschen, aber du bist nicht schuld." Er drückte dankbar meine Hände, aber ich sah ihm an, dass er mir nicht glaubte.

"Aber eigentlich hätte er den Platz bekommen, nicht ich. Ich sitze nur hier, weil wir diesen Unfall hatten." Es tat weh, diesen traurigen und selbst Verurteilenden Blick in seinen Augen zu sehen.

Ich wollte was erwidern, doch der Kellner kam mit dem Essen. Keiner von uns rührte das Essen an. Stille herrschte zwischen uns.

"Daniel..." Fing ich mit weicher Stimme an. "Ich habe sowas in der Art nie durchgemacht, aber so wie du mir das erzählst, trägst du keine Schuld an dem ganzen. Es war ein Unfall. Mittlerweile hast du außerdem bewiesen, dass du den Platz in der Formel 1 vollkommen verdient hast."

Mein Gegenüber lächelte mich traurig an. "Ich weiß, aber trotzdem kann ich dieses Gefühl nicht abschütteln. Es sitz die ganze Zeit ganz tief hier drin." Daniel zeigte auf seinen Kopf. "Und in Zeiten wie diesen. In so schwierigen Zeiten kommt das alles wieder hoch und macht mir das Leben schwer." Er griff nach seinem Glas und trank einen Schluck.

Die Stimmung an unserem Tisch war bedrückend. "Egal. Können wir über was anderes reden?" Seine Stimme war belegt. Ich nickte. "Danke das du so ehrlich zu mir warst." Sagte ich ehrlich. Daniel nickte stumm.

"Ich hatte überlegt, ob ich nochmal Billard spielen gehe. Aber ich brauche noch jemanden, mit dem ich spielen könnte." Lenkte ich auf seinem Wunsch hin vom Thema davor ab. 

Listen to Me | Daniel Ricciardo FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt