Kapitel 85 - Gerede

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"Äh... Wissen die in der Praxis eigentlich alle, dass du einen männlichen Partner hast? Oder was für eine Art... Äh... Beziehung du pflegst?", Fragte Louis dann ganz plötzlich einfach Mal nach. Wenn die sich zukünftig schon ewig seine Kunst würden ansehen müssen oder dürfen.. oder können...

"Das ist eine gute Frage. Ich weiß es selbst nicht.", Antwortete Harry aber gelassen.
"Hä?"
"Louis..."
"Wie bitte?"
"Natürlich wissen sie von dir. Du bist im Telefonbuch der Praxis eingespeichert, dass wenn etwas wäre, du Bescheid bekommen würdest, auch wenn ich in der Situation nicht telefonieren oder schreiben könnte. Und natürlich habe ich dich auch Mal erwähnt als meinen Partner. Meine sexuellen Vorlieben oder auch meine privaten Lebensphilosophien bespreche ich hingegen eher nicht mit meinen Angestellten. Sie dürften davon also nicht wissen. Auf der anderen Seite kann ich nicht ausschließen, dass sie es sich vielleicht zusammen reimen könnten. Soll ja Leute geben, die in soetwas recht begabt sind."
"Inwiefern? Hast du aus Versehen Mal Handschellen mit zur Arbeit genommen?", Fragte Louis belustigt.
"Nein. Aber sie kennen mich. Sie wissen, dass ich Recht.. kontrollierend bin und haben dich ja teils auch bereits kennengelernt. Und ich denke, dass man sich anhand unseres Umgangs miteinander schon auch teils einiges ableiten kann. Wenn man denn sehr aufmerksam und interessiert daran ist."
"Hmm ..", brummte Louis nur.
"Selbst wenn... Stört es dich?"
"Nein. Also klar ist es ein wenig seltsam. Wie bei meinem Bruder damals. Oder auch Gemma. Wenn die andeuten, was zu wissen und man ja aber nicht weiß, was genau die meinen zu wissen. Und dann denken die vielleicht sonst was..."
"Und warum ist das wichtig für dich?"
"Äh... Weil ich ja nicht will, dass die komisch von mir denken?", Fragte Louis und fragte sich, ob er nicht eine ganz normal menschliche Reaktion zeigte.

"Darauf hast du keinen Einfluss. Leute können immer komisch von dir denken. Entweder weil du etwas anders machst als andere. Oder aber weil du genau wie andere wirkst und dadurch vermutet wird, dass du das nur vorgibst und eigentlich ja ganz anders bist. Sich nach anderen zu richten ist mitunter ziemlich kräftezehrend, ermüdend und ohne Erfolgsaussicht."
"Äh..."
"Sprich vernünftig. Sonst wirst du den Rest des Tages für jedes Äh fünf Liegestütz machen."
"Was?!"
"Für patzige, unnütze Nachfragen übrigens auch."
"Ich danke vielmals, Sir. Können wir schnell wieder aufs ursprüngliche Thema kommen? Sonst habe ich am Ende des Tages ein Sixpack."
"Muskelkater, Schatz. Für ein Sixpack braucht man länger als einen Tag."
"Sehr richtig, Sir."
Harry grinste. Das war ja Mal eine sehr wirksame Strafandrohung gewesen.

"Also: Wieso ist es dir so wichtig, was sie glauben zu wissen?"
"Das weiß ich ja nicht. Es ist ja mehr, was ich glaube zu wissen, was sie glauben könnten zu wissen... Keine Ahnung. BDSM ist halt für viele... So wie für mich, bevor ich dich kennengelernt habe... Denke ich... Und das ist nichts, was ich gern hätte, was jemand mit mir verbindet."
"Du meinst auspeitschen gegen den Willen des Subs? Himmel, hattest du damals aber auch komische Vorstellungen."
"Ja, aber so denken doch einige. Es ist Irgendwie verrucht und dadurch geil und dann hat man diese Bilder im Kopf, wie jemand ausgepeitscht wird und davon geil wird. Und... Also wenn man uns sieht... Die wenigsten würden wohl denken, dass ich der Dom bin...", Nuschelte Louis.
"Also stört dich, dass sie von dir als Sub denken?"
"Irgendwie schon. Weil man sich beim Dom immer nen coolen Kerl vorstellt... Und seit 50 Shades of Gray auch noch einen Reichen. Einer, der immer im Büro sitzt und ominöse Dinge tut... Aber immer schnell frei nimmt und nicht so wahnsinnig lang arbeitet, viel Urlaub hat und reist... Also weißt du, was ich meine?"
"50 Shades of Grey? Ernsthaft?", Fragte Harry entgeistert.
"Ja? Das ist für viele doch das große Ding, wenn es um BDSM geht."
"50 Shades of Grey hat mit BDSM nichts zu tun."
"Nicht? Ich hab's nicht gesehen. Nur gehört, wie Leute drüber gesprochen haben."
"Nun, das, was da verkauft wird, würde deiner Meinung über BDSM entsprechen, die du hattest, bevor wir uns näher kamen. Der Dom ist nicht dominant. Der ist einfach nur herrschsüchtig und hochgradig eifersüchtig. Man erkennt bei ihm selbst auch gar kein erotisches Lustempfinden an dem, was er da tut, außer dem penetrierendem Sex. Es geht mehr um ein posttraumatisches Verhalten und keine sexuelle Neigung. Es wird eine dysfunktionale Machtbeziehung gezeigt, bei der SM als Rechtfertigung dran steht. SM- Accessoires und herausgegriffene Praktiken lassen sich finden. Aber die sind eben nichts, wenn sie so aus dem Zusammenhang gerissen werden und die "Beziehung" nicht einmal einem minimalen ethisch vertretbarem Rahmen unterliegt. Emotionale Erpressung seitens des Doms. Es gibt keine Feinfühligkeit und keinen Blick auf die Bedürfnisse der Sub. Und im Grunde funktioniert der Film überhaupt nur, weil der Möchtegern-Dom vermeintlich gut aussieht und Geld wie Heu hat. Also: der Film vermittelt ein völlig falsches Bild von BDSM."
"Huch. Da habe ich jetzt aber einen Nerv getroffen, was?"
"Nun, gewissermaßen. 50 Shades of Grey hat auf seine Weise dazu beigetragen, dass BDSM gesellschaftsfähiger wurde. Handschellen und Peitsche wurden plötzlich verrucht sexy. Nebulös. Dummerweise haben sie eben nicht erklärt, was BDSM ist und nun haben viele ein vollkommen falsches Bild."
"Ja. Aber genau mit dem falschen Bild im Kopf gucken die dann ja uns an."
"Tja... Und dann werden sie sehen, dass wir eben auch nur mit Wasser kochen. Dass wir eine liebevolle Beziehung führen und du nicht grün und blau geschlagen hinter mir her wankst."
"Ja gut... Das sehen sie... Aber nachher..  keine Ahnung... Bieten die mir noch Hilfe an oder sowas... Also ich mag nicht... Schwach? Angesehen werden? Ich weiß nicht.... Weißt du was ich meine?"
"Ich denke schon. Aber siehst du... Du lebst deine eigene sexuelle Freiheit aus. Du entscheidest, was du willst und du hast diese Vorstellung nicht nur ihm Kopf, sondern lebst dich aus. Lässt dich fallen. Vertraust. Wer also länger als zwei Sekunden drüber nachdenkt, wird dich nicht als schwächlich ansehen. Und alle die nicht Mal zwei Sekunden drüber nachdenken können, was sie sagen... Nun, da lohnt sich die Mühe ohnehin nicht."
"Aber beschäftigt dich das so gar nicht?"
"Nein. Zum einen bin ich mit Liam und Niall schon länger als du befreundet.. das härtet ab... Und zum anderen: es ist immer alles eine Frage des Blickwinkels. Es gibt Menschen, die von sich aus einfach sehr tolerant sind, es gibt Leute, die unterschiedliche Perspektiven einnehmen können und sich entsprechend empathisch verhalten und dann gibt's eben Menschen, die einfach gern reden ohne etwas zu sagen. Wenn man mich fragt, bin ich gern bereit zu antworten. Aber ich muss mich nicht rechtfertigen. Und meine Schwester zum Beispiel weiß doch, wie ich drauf bin. Sie weiß, dass ich niemals jemandem schaden wollen würde. Nachdem sie uns das letzte Mal gehört hat. Wovon wird sie also wohl ausgehen?"
"Dass... Wir das aus Spaß machen..  und es beide wollen."
"So. Und damit hat sie doch schon viel mehr verstanden als viele andere, oder?"

Ich weiß, dass die Diskussion über den Film gewagt ist. Die Kritik bezieht sich ausschließlich mit den Blick auf BDSM gerichtet. Wer den Film mag, soll ihn gern angucken. Bitte kein unnötiger Stress. Danke.
Bis dann.
Viele Grüße ^⁠_⁠^

BDSM (Larry) 2 - wird fortgeführt auf StorybanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt