Und vielleicht hätte ich mich darauf einstellen sollen, dass es mit diesem Vorfall nicht einfach aufhören würde, nachdem ich immerhin seit Tagen Ruhe vor dem Mann auf der Straße hatte, denn als ich mein Handy einschaltete und meine Nachrichten las, fragte ich mich, wie es eigentlich noch schlimmer werden könnte.

>>Lass die Angst zu.<<

Natürlich war es eine unbekannte Nummer. Und ja, ich hätte die Nachricht löschen und darauf hoffen können, dass wer auch immer das war mich einfach in Ruhe lassen würde, aber ich konnte nicht anders, als meine Neugierde Überhand gewinnen zu lassen.

Nachrichten von unbekannten Nummern hatte ich schon zu genüge erhalten, aber diese Nachricht verstand ich nicht. Lass die Angst zu. Wer sollte mir so etwas schreiben und warum?

>>Wer bist du und woher hast du meine Nummer?<<

Ich ließ mich in mein Bett fallen und zog die Decke über meinen Körper, bevor ich wieder nach meinem Handy griff, darauf wartend, dass die nächste Nachricht kam und das dauerte nicht sonderlich lange.

>>Du kennst mich und ich kenne dich. Lass es zu, Olivia.<<

Ich starrte auf den Bildschirm, ohne auch nur im geringsten daran zu denken, nochmal eine Nachricht an diese Nummer zu verschicken und noch nie war ich so dankbar dafür, dass es die Möglichkeit gab, solche Nachrichten durch einfaches Blockieren der Nummer zu vermeiden. Und genau das tat ich, ich blockierte die Nummer und versuchte mich abzulenken, indem ich mir meine anderen Nachrichten durchlas und das unnötige Zeug auf den sozialen Netzwerken durchlas.

Und dann kam die nächste Nachricht. Es war nicht dieselbe Nummer, denn ich erinnerte mich daran, dass sie eine 10 am Ende stehen gehabt hatte, bei dieser war es die 34 und dennoch bekam ich ein mulmiges Gefühl im Magen, als ich die Nachricht öffnete.

>>Lass die Angst zu, Olivia.<<

Was zur Hölle?

Ich blockierte die Nummer so schnell ich konnte und schaltete mein Handy aus, bereits mit der Angst, was mich morgen erwarten würde, wenn ich es wieder anschaltete. Keine Zweifel, die Nummer war vielleicht eine andere, aber der Absender war derselbe. Es musste dieselbe Person sein, außer es gab zwei kranke Menschen aus dieser Welt, die sich irgendwelche fremden Nummern besorgten und sich wahrscheinlich einen Spaß daraus machten, sinnlose und verwirrende Nachrichten abzuschicken.

Wie ich jetzt noch einschlafen sollte, war mir ein Rätsel.

Es war dunkel. So dunkel, dass ich nichts sehen konnte. Und es war still. So verdammt still, dass ich meinen eigenen, schweren Atem hören konnte. Mein Herz schlug schnell und meine Hände waren voller Schweiß, als ich einen Schritt nach vorne trat und dann noch einen und dann noch einen.

Ich drehte mich langsam im Kreis, aber ich erkannte nichts. Nichts, außer der Dunkelheit, die mich wie eine Decke umhüllte.

Links und rechts von mir waren Wände. Wände zwischen denen vielleicht ein Meter Abstand war, das spürte ich, als ich meine Hände auf diesen abstützte, was hieß, dass ich nur nach vorne oder nach hinten laufen konnte, aber die Enge der Gasse, so wirkte das auf mich, wie eine Gasse, ließ die Panik in mir Sekunde für Sekunde immer mehr ansteigen.

Raus. Ich wollte hier sofort raus.

Ich rannte. Ich wusste nicht, wie lange ich rannte, einfach nur gerade aus, aber am Ende hatte ich das Gefühl, dass ich gerannt war, ohne mich vom Fleck bewegt zu haben. Ich war außer Atem, meine Kräfte schwanden langsam und der Sprint, den ich zurückgelehnt hatte, es war umsonst gewesen, denn immer noch war hier nichts außer Dunkelheit und den beiden Wänden.

Am Ende der Gasse wurde es ein wenig heller, so als ob von irgendwo Licht einstrahlte, wodurch die Gestalt eines Mannes zu erkennen war.

Und genau dann wurde mir klar, dass das nicht real sein konnte. Ich war nicht wirklich in dieser engen Gasse. Die Angst, die Panik, das Schwitzen meiner Hände und das Zittern meines gesamtes Körpers war eine Folge von etwas, das nicht mal wirklich passierte.

Als Kind hatte ich oft Alpträume gehabt und mittlerweile würden sie mir harmlos erscheinen, aber als kleines Mädchen war ich oft mitten in der Nacht aufgewacht, manchmal sogar schreiend und schweißgebadet. Meine Eltern hatten mich sogar zur Therapie geschickt, die aber nichts gebracht hatte. Irgendwann waren die Träume einfach verschwunden, meine Eltern glaubten natürlich, es sei wegen der Therapie gewesen, aber ich wusste ganz genau, dass diese mir nichts außer Zeit- und Geldverschwendung gebracht hatte.

Seitdem hatte ich keinen einzigen Alptraum mehr gehabt, zumindest keinen, an denen ich mich im Nachhinein noch erinnern konnte. Bis gerade eben. 

Lass die Angst zu.

Jeder hatte doch diese Stimme in seinem Kopf, seine eigene Stimme, die sich hin und wieder bemerkbar machte. Da war sie wieder. Eigentlich waren es Gedanken, denn da sprach nicht wirklich jemand in meinem Kopf, aber so stellte ich mir das immer vor, ohne wirklich daran zu glauben. Irgendwie mussten die Sätze ja in meinen Kopf gelangen.

Ein Stich in meiner Schulter veranlasste mich dazu aufzustehen un das Licht anzuschalten und ein Blick auf den roten Fleck bestätigte meine Vermutung, dass dieser stechende Schmerz genau von dort kam. Es war immer noch derselbe Fleck, an derselben Stelle, aber trotzdem kam es mir so vor, als ob sich da etwas verändert hatte. Die Linie sah etwas dicker aus und röter, das rot war deutlicher geworden.

Ich schüttelte meinen Kopf. Nein, es war derselbe Fleck. Da hatte sich nichts verändert und der stechende Schmerz verschwand glücklicherweise mit meinem Gedanken.

Und da war sie, Nacht Nummer zwei, in der ich mich fragte, wie ich jetzt noch einschlafen sollte.

Hunted | Dylan O'BrienWhere stories live. Discover now