Astero

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Ich trug es schon seit einigen Tagen mit mir. Das plötzliche Gefühl verlassen worden zu sein und es liess mich nicht mehr los. Konnte es wirklich sein, dass meine Eltern einfach weg waren? Nach all diesen Jahren, in denen ich mich abgemüht hatte, jeden Tag gearbeitet habe, um dafür zu sorgen, dass sie nicht verstossen wurden.

Das Schlimmste war, dass ich mich eigentlich schon auf diese Möglichkeit vorbereitet hatte. Schon als ich Soriath verlassen hatte, um meinen Dienst in der Hauptstadt anzutreten. Trotzdem wusste ich nicht wie ich reagieren würde, wenn sich meine Befürchtungen bewahrheiten würden. Jetzt konnte ich sie noch verdrängen, mir selbst sagen, dass ich simulieren würde, auch wenn ich tief drinnen wusste, dass etwas nicht stimmte.

Dabei fühlte ich mich auch noch schuldig, dass ich das alles so leicht wegschieben konnte. Es waren schliesslich meine Eltern, die Personen, die ich eigentlich am meisten lieben sollte. Ich würde am liebsten Hedor fragen, denn er wüsste wahrscheinlich am besten, ob das, was ich fühlte, falsch war. Doch ich wollte nicht zu tief graben.

Die letzten Tage hatte ich versucht mich abzulenken in dem ich meine Aufmerksamkeit auf die anderen richtet und sie noch besser kennenlernte.

Natürlich war da Lydia, mein eher schüchterner und zurückgezogener Schützling, welcher jedoch in den letzten Tagen sehr aus sich herausgekommen war. Die wenigen Monate, die ich im Palast verbracht hatte, kam sie mir als sehr introvertiert und zurückhaltend vor. Nun beteiligte sie sich oft mal an einem Gespräch oder hörte einfach nur interessiert zu, was mich überraschte.

Arka hingegen hatte sich in den letzten Tagen immer mehr zurückgezogen und man merkte ihr an, dass sie mit niemanden reden wollte. Das Mädchen war mir ein Rätsel, jedoch wusste ich nicht, wie ich mit ihr kommunizieren sollte, weshalb ich sie auch alleine liess. Trotzdem konnte ich mir vorstellen, dass die Ustrarianerin gute Gründe haben könnte, nicht mit den anderen zu kommunizieren, wenn man bedachte, dass in unseren Geschichtsbüchern das Leben ihres Volkes als einsames und kontaktloses beschrieben wurde.

Ich hatte in der königlichen Bibliothek des Stadtführers viel über die anderen Länder gelesen und dachte alles, was ich wissen sollte zu wissen, doch da irrte ich mich. Es stellte sich heraus, dass diese Bücher voller Vorurteile und Unwahrheiten gefüllt waren.

Nur ein kurzes Gespräch mit Glann und Hedor liess mich das realisieren.

Feblorianer waren nicht wild und ruchlos, so wie sie oft beschrieben wurden. Stattdessen lernte ich, dass sie besonders Fremden sehr gastfreundlich gesinnt waren und sie auch eine besondere Liebe zur Natur pflegten. Etwas unrealistisches für mich, der mit dem Wertesystem von Asmea aufgewachsen war, wo Gastfreundlichkeit nur gegeben wurde, wenn man es wert war.

Die beiden waren mir sehr sympathisch. Glann, mit seiner offenen und humorvollen Art und Weise, redete natürlich fast am meisten in unseren Gesprächen. Hedor hingegen hörte eher zu und ergänzte manchmal Glanns Geschichten mit ein oder zwei Kommentaren. Trotzdem fiel mir Hedor auf. In ihm steckte ein Krieger. Seine Worte waren gut gewählt und es schien so, als wüsste er sehr genau, was er sagen müsste, damit es nicht falsch rüberkam.

Meine Gespräche mit ihm allein waren sehr interessant, denn er war eine Person, mit der man über vieles sprechen konnte, ohne negative Bemerkungen zu bekommen.

Es fühlte sich komisch an, dass ich schon nach ein paar Tagen einer Person so vertraute. Dabei tat ich das sonst nie, denn es gab immer etwas in mir, dass mich davor warnte mich auf andere zu verlassen. Die Schicksalsschläge in meinem Leben hatten mich das nur allzu gut gelehrt.

Ich wusste, wie es sich anfühlte verraten zu werden. Als nach dem Unfall meiner Mutter alle meiner Familie den Rücken zudrehten, wurde ich im Stich gelassen. Ich hatte gelernt, dass man im Leben keinem trauen konnte, wenn man nicht verletzt werden wollte.

AsmeaWhere stories live. Discover now