Kapitel 6

109 4 1
                                    

"Sind alle auf ihren Plätzen?" Seit locker zehn Minuten versuchte Asena, sich einen Überblick über die vielen Tänzerinnen und Tänzer der Schule zu verschaffen. Aber es war so gut wie unmöglich. Jedes Mal, wenn sie es fast geschafft hatte, eine Gruppe durchzuzählen, wechselte jemand den Platz und sie musste von vorn anfangen.

So war es vor jedem einzelnen Auftritt. Als sie selbst nur Tänzerin gewesen war, war ihr das nie so extrem aufgefallen wie jetzt als Trainerin.

"Leigh, Sarah, Madison, Grace, hierher!" Sie hob die Hand, damit die vier Achtjährigen sie sehen konnten. Sie würden gleich den Abend eröffnen.

Als die vier Mädchen bei ihr angekommen waren, atmete Asena erleichtert auf. Sie waren da. Perfekt. "Ihr könnt schon mal auf die Bühne geben. Ich gebe euch ein Zeichen bevor der Vorhang sich öffnet."

Sie nickten und Asena wandte sich den anderen Kindern zu. "Alle, die beim Eröffnungstanz nicht mitmachen, gehen ins kleine Studio zu Alain", ordnete sie an. "Er schickt euch her, wenn ihr dran seid." Das war eigentlich von Anfang an so abgesprochen gewesen, aber im Trubel des Auftritts wurde es schnell vergessen.

Und so ging tatsächlich ein großer Teil der Leute, die sich hinter der Bühne befanden. Übrig blieben etwa dreißig Tänzer und Tänzerinnen, alle in Zirkuskostümen gekleidet.

"Kennen alle ihre Plätze?", fragte Asena in die Runde und kollektives Nicken folgte. Das war gut. Und immerhin hatten sie ja gestern erst die Generalprobe hinter sich gebracht.

Einen Moment später streckte Sophia ihren Kopf in den Raum hinter der Bühne. Hier war wirklich alles voll mit Kostümen, Schminke und Glitzer. "Die von Musik und Licht sind soweit", verkündete sie.

"Perfekt." Asena klatschte in die Hände. "Dann auf eure Plätze. Wir fangen in zwei Minuten an."

Die Tanzenden verließen als geschlossene Gruppe den Raum und machten sich auf den Weg ins Foyer der großen Halle. Der Einlass war seit gut einer Viertelstunde vorbei, somit saßen alle Gäste bereits auf ihren Plätzen. Der Plan war, dass die Tänzer durch die Türen kamen, während Asena das Publikum willkommen hieß. Und wenn die Musik dann weiterging, würden sie anfangen zu tanzen. Die Stuhlreihen waren extra so aufgebaut, dass alle genügend Platz hatten. Dennoch würden auch einige Kinder auf der Bühne tanzen.

"Ich gebe den Technik Leuten Bescheid", verkündete Sophia und verschwand. Sie trug wie alle anderen bereits ihr Kostüm. Ein lila Leotard mit einem kurzen Rock und dazu weiße Stiefel. Die Haare hatte sie hochgesteckt.

Als sie weg war nickte Asena den vier Tänzerinnen auf der Bühne zu. "Geht gleich los. Ihr schafft das!"

Grace nickte und zupfte ein wenig an ihrem weißen Tütü herum. Die Aufregung war allen vier anzusehen, aber sie schienen sich auch unfassbar zu freuen.

Kurze Zeit später öffnete sich der Vorhang und die Musik setzte ein. Asena konnte ein vorfreudiges Grinsen nicht unterdrücken. Das hier war der erste Auftritt seit etwa einem Jahr und sie hatte den Nervenkitzel vermisst. Früher hatte sie viel öfter Auftritte gehabt, für Wettbewerbe, das Studium oder einfach auch als Straßenkünstlerin, um sich etwas dazuzuverdienen. Jetzt mit Charlie und der Tanzschule fehlte dafür einfach die Zeit. Und es machte die wenigen Auftritte, die sie noch hatte umso besonderer.

Pünktlich zu ihrem Einsatz stolzierte Asena nun also auf die Bühne, den Zirkusdirektor Stock unter den Arm geklemmt. Als sie erfahren hatte, dass das Ding wirklich so hieß, war sie ein wenig enttäuscht gewesen. Sie hatte einen besseren Namen erwartet.

Doch es gab keinen, daher stellte sie sich nun einfach breitbeinig in die Mitte der Bühne, den Kopf gesenkt und den Zirkusdirektoren Stock auf den Boden gestemmt.

Insomnia || Niklaus MikaelsonWhere stories live. Discover now