Kapitel 5

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„Am aller schönsten bist du, wenn du niemandem gefallen willst.
Doch manchmal verliebst du dich in Menschen, die dir nicht gut tun, damit du lernst, dich noch mehr zu lieben."

Liam war mein Trumpf.
Es war schön, sich sicher in seinen Armen zu wissen. Es war schön zu wissen, dass es jemanden dort draußen gab, der mich liebt mit allen Ecken und Kanten. Es hat sich vollkommen angefühlt, zu wissen, dass es einen Mann gab, dem alle meine Makel egal sind.
Es war wunderschön. Einmalig.
Es war mit nichts vergleichbar, zu wissen, wirklich geliebt zu werden. Und noch viel mehr: das Gefühl selbst zu lieben. Es hat mich berührt.

Ich weiß, dass ich nicht hässlich bin. Aber genauso weiß ich auch, dass ich niemals die aller Geilste sein werde. Meine Mama hat immer immer gesagt, ich sei von allem etwas: Hübsch, witzig, klug. Eine gute Mischung.

Jetzt würde meine Mutter wohl sagen: „Du bist die Mischung, - nicht du ext die Mischung," oder sie würde sagen: „Alkohol ist keine Lösung.".
Aber manchmal gibt es keine Lösung ohne Alkohol. Manchmal kann man die Realität ohne nicht ertragen. Ich meine, ich habe mich nicht umsonst in mein Auto gesetzt und bin in die nächstgroße Stadt gefahren um mich mit Drinks zu ertränken.

»Bye Bye NUMMERN!« schreie ich von einem der Tische. Dabei bewegen sich meine Hüften zum Sped up von „Escapism" - RAYE, 070 Shake.

Der Bass dröhnt mir um die Ohren, während ich im bunten Licht meine langen Haare nach hinten werfe. Und wieder zurück. Verdammt dieser Lederrock fühlt sich wirklich viel zu gut auf meiner Haut an. Ich lege den Kopf in den Nacken und exe den Drink zu meiner Rechten. Es lässt das nackte Bild meines Exfreundes und wie er sich in seiner Arbeitskollegin ‚Kim' vergräbt - verschwinden.

Ein lautes Grölen gibt mir die Bestätigung, die ich brauche. »I-jaaah! Sie können mich alle mal!«

Flüssiges Gift pumpt durch meine Venen, die Realität verschwimmt und der Laden dreht sich. Das Schlimme an dem ganzen Scheiss ist wohl:
Es stört mich nicht.
Es ist fühlt sich verdammt gut an.

Um mich herum stehen mindestens ein Dutzend Männer. Und ja, sie grölen. Sie finden mich offensichtlich heiß. Sie lechzen gerade zu nach mir. Gerade spritzt mir einer meiner Zuschauer eine Ladung Bier ins Gesicht. Ich öffne den Mund. Ich hasse Bier, doch in diesem Moment schmeckt mir alles.

Dann lasse ich mich direkt rückwärts in die Arme meines größten Fans fallen. »Du hast das nicht wirklich gemacht... Du hast nicht wirklich alle Nummern auf deinem I Phone gelöscht?!«

»Doch, wirk-« Lippen ersticken meine Worte, fordern und drängen mich dazu ihn endlich entgegen zu nehmen. Kein Problem.

Unser Kuss ist heiß. Heißer als die Temperatur hier in diesem Pub. Mein Top ist zwar luftig, doch ich kann spüren wie der Stoff auf meiner Haut anfängt zu kleben.

»Du bist die Schärfste hier,« haucht er mir ins Ohr und weiße Zähne werden zu einem Lächeln.

Schärfer als Kim? denke ich und könnte mich dafür direkt Ohrfeigen.

Er riecht nach Kippen und Bier. Er erinnert mich an Liam und ich hasse mich dafür. Ich rede mir ein, dass es mir egal ist. Ich rede mir ein, dass ich ihn aus anderweitigen Gründen ausgewählt habe. Er ist mein Kick. Das alles jetzt und hier.
Nicht mehr und nicht weniger.

Aus meiner Tasche krame ich mein Handy hervor und zeige stolz das Display: 0 Kontakte.

»Du bist so krass, Lady.« - „Lady", denn er hat bereits vergessen wie ich heiße. Gut für ihn.

Ich lecke mir über die Lippen als ich diesen Leckerbissen von oben bis unten betrachte. Meine Hände wandern über breite Schulten.
Oh ja. Er ist voll mein Typ.

Liam ist breiter, hetzt die gehässige Stimme in meinem Kopf. Oh gott, ich muss endlich mal klar kommen.

Doch er sieht ihm einfach viel zu ähnlich: braunes wuscheliges Haar, gut gebaut und ein knackiger Hintern - außer diesem gewissen Accessoire: über dem linken Auge blitzt ein Augenbrauenpiercing. Nicht zu 100% mein Geschmack, aber heiß bleibt heiß.

»And now take me to the Candy Shop,« raune ich ihm ins Ohr.

»Yes, it's Showtime, baby.«

Gerade möchte ich mich in seinem Hals vergraben, als das Lied wie auf Kommando wechselt. Es ist Billie Eilish und irgendein Remix von ‚Bad Guy'. Da packt mich Augenbraue an der Hüfte und hebt mich zurück auf mein Podest.

Hier auf dem Tisch: das ist mein Spotlight. Normalerweise hasse ich das Rampenlicht. Doch heute brauche ich es. Ich lasse meine Kurven im Takt kreisen, ernähre mich von den Blicken, die heute mein einziger Trost sind.
Der Bass bebt. Mir wird heiß und die Schwüle hier drin lässt mich gnadenlos schwitzen. Ich schwitze so sehr, dass ich glaube, mein Top müsste bereits durchnässt sein. Und tatsächlich. Ich bin komplett durchgeweicht. Doch Moment. Direkt vor mir. Dieses Gesicht kommt mir bekannt vor. Das ist doch diese Nervensäge, der ich mein wunderschönes Geschenk vor die Visage gekotzt hatte? Tatsächlich. Es ist Mrs Plastic und sie hält ein verdächtig leeres Glas in den Händen. Sie grinst mich selbstgefällig an.

Plötzlich weiß ich, wieso ich so nass bin.

Ich springe ihr entgegen und sie zuckt zurück. Ein Erfolgserlebnis. Doch noch bevor ich etwas sagen kann, legt ihr jemand einen Arm um die Schultern. »Haha das war echt witzig, Mona. Sie sieht aus wie ein begossener Pudel.« Na sieh mal einer an, das ist wohl ihr F*ck-Freund, Kyle.

Der nasse Stoff klafft an meiner Haut und ich bin mir fast sicher, man kann bereits die Spitze meiner Unterwäsche darunter erkennen.

Oh ja, Kyle ist sich da auch ganz sicher, denke ich. Mit dunklen Augen mustert er mich - oder sollte ich eher sagen, er starrt mir auf die Brüste?

Doch Mona scheint nicht zu bemerken, was sie sich da für eine Flachzange geangelt hat. »Karma ist nur eine Bitch, wenn du auch eine bist,« zwitschert sie.

»Süß. Steht das etwa auf einem deiner Tassen-Untersetzer oder so?« Am liebsten würde ich ihr eine runterhauen. - Nicht, weil mich die Nässe stört oder sich mein Bh hierdurch abzeichnet. Sondern weil ich einen schlechten Tag habe und sie tatsächlich glaubt mir mit ihrem kindischen Verhalten eins Auswischen zu können.

Also packe ich Kyle am Kragen und küsse ihn. Inbrünstig. Intensiv. Ich muss mich dafür auf die Zehenspitzen stellen. Er ist groß. Ich fasse seine Oberarme, die so breit sind, dass ich sie mindestens zweimal umfassen könnte. Mein Körper stellt sich auf seinen Rückstoß ein, doch er erwidert meinen Kuss. Und verdammt. Er küsst wahnsinnig gut.

»Wow,« gibt er von sich als ich absetze. Er hat wohl vergessen, dass seine Freundin direkt neben uns steht.

»Was? Mensch' was soll das Kyle?! Reiß dich zusammen!« und sie pfeffert ihm eine mit der flachen Hand. Oha, wer hätte gedacht? Wer hätte gedacht, dass dieses Püppchen so hart zuschlagen könnte?

»Sorry, Babe. Ich konnte nicht anders.«

»Leck' mich. Echt!«

Ich habe tatsächlich Angst, sie könnte mir auch eine scheppern, daher nutze ich ihre Standpauke und verschwinde hinter zwei großen Rücken.

Doch dann werde ich plötzlich im Nacken gepackt und alles dreht sich. Innerhalb von Sekunden wird alles schwarz...

Lovely Lies - Die Lügen die ich liebteWhere stories live. Discover now