Kapitel 15 - Warmer Vanillepudding und Kaffeeentzug

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„Chris?" Wie durch Watte dringt mein Name zu mir. Fast zeitgleich presst sich etwas Kaltes an meine Wange. Es dauert etwas, bis ich realisiere, dass es Katis eiskaltes Händchen ist, das mich unter meiner Bettdecke gefunden hat.

Das Händchen streichelt sich von meiner Wange weiter zu meinem Nacken und wühlt vorsichtig durch meine Haare.

„Hey Süßer. Es tut mir leid, dass ich dich wecken muss, aber es ist sieben und ich müsste schon längst im Stall sein. Der Schmied kommt gleich. Ich wollte nur nicht einfach so gehen."

Ich wühle mich unter meiner Decke hervor und schaffe es kaum, die Augen zu öffnen.

„Wie geht's Dir? Du siehst echt schrecklich aus, Chris. Bitte geh nachher zu André und kläre das. Ihr müsst darüber sprechen. Sicher ist alles nur ein Missverständnis."

Ach ja, da war ja was. Die Erinnerung trifft mich mit voller Wucht. André. Ob der Typ bei ihm übernachtet und ihm ‚seinen Hammer' gezeigt hat? O Gott, bei diesem Gedanken wird mir schlecht. Ich strample mich schnell aus der Decke, stürze an Kati vorbei ins Badezimmer auf der anderen Flurseite und lasse mich vor die Kloschüssel fallen. Doch es kommt nichts. Nur trockenes Würgen. Der Klumpen steckt in meinem Magen fest und schon wieder laufen heiße Tränen über meine Wangen. Ich bekomme kaum Luft und verstehe nicht, warum es mir dermaßen schlecht geht und mich diese Sache so mitnimmt.

„Mensch Chrissy. Was ist denn nur los? Du weißt doch nicht einmal, wer der Typ war und was er bei André wollte. Du solltest dringend mit ihm reden."

Ich schüttle nur den Kopf, wische mit dem Handrücken über meinen Mund und erhebe mich langsam wieder.

„Chris, du machst mir Angst! Ihr wart nicht mal richtig zusammen und dir geht es schon dermaßen mies? Und das, obwohl du nicht einmal den genauen Grund kennst." Sie zieht mich in ihre Arme, drückt ihren bebenden Körper an meinen und streichelt mir den Rücken.

Der zunehmende Druck in meinem Inneren lässt mich automatisch mit dem Handballen über das Brustbein reiben. Ha! Als könnte ich den Schmerz wegrubbeln. Was ein Blödsinn. „Gib mir ein paar Stunden zum Nachdenken, Kati. Ich wollte gestern einfach nur weg und dann die Brücke und die Polizei und ... und irgendwie war alles etwas viel und ich muss mich erstmal sammeln und über alles nachdenken."

Als Kati gegangen ist, schicke ich Miguel eine Nachricht, dass ich mich nicht wohlfühle und von zu Hause arbeite. Meine Stirn ist warm und mein Kreislauf scheint noch nicht voll da zu sein. Wahrscheinlich habe ich mir zu allem Übel auch noch eine Erkältung eingefangen. Ich schleppe mich durch den Vormittag und schaffe es, mich mit der Arbeit abzulenken.

Nachmittags ruft mich Polizeiobermeister Meister an, um sich zu erkundigen, wie es mir geht. Wahrscheinlich will er sich nur vergewissern, dass ich nicht doch von der nächsten Brücke springe. Trotzdem finde ich es nett von ihm. Auch Kati schickt mir stündlich Nachrichten, auf die ich mich melden muss. Für den Fall, dass ich das nicht mache, droht sie mir viele unheimliche Dinge an. Mich schüttelt es, als ich etwas von warmem Vanillepudding und Kaffeeentzug lese.

Der Donnerstag zieht vorüber und ich kann mich an kaum etwas erinnern. Mein Körper fühlt sich innerlich wund an. Ich schreibe Kati, dass ich früh ins Bett gehe, und mache das tatsächlich. Morgen muss ich mich zusammenreißen. Der Außentermin steht an und den muss ich unbedingt wahrnehmen.

Das Einschlafen fällt mir unheimlich schwer. Meine Gedanken schwirren in meinem Kopf umher wie Motten durch das Licht. Als meine Sehnsucht die Enttäuschung übermannt, lege ich den kleinen Plüschwolf auf mein Kopfkissen. Nase an Nase mit mir. Er riecht nach André. Schon wieder kommen mir die Tränen und mein Körper brennt. Ich fühle mich wie ein Vulkan, in dessen Innerem das Magma brodelt.

Abgetaucht und durchgespiegeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt