Zu gut dafür!

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Kapitel 12

Sereny

Zweimal fielen ihr die Augen zu und sie glaubte, dass sie in diesem Kleid keine Luft mehr bekam, während drei Leute um sie herumstehen, um sie wenig sanft so zu drehen und positionieren, wie sie es brauchten, um sie für das Shooting herzurichten.

Es war trotz der eigentlich üppig eingerichteten Zeit alles ziemlich Hektisch. Der Mann, der für ihre Frisur zuständig war, zog an ihren Haaren gezogen. Der Schneider, kniete währenddessen vor ihr und griff unverblümt nach ihrer Hüfte, um sie etwas weiterzudrehen, damit er die Naht weiter bearbeiten konnte und die Frau für das Make-up blaffte, Sereny an, sie solle sich nicht bewegen. Dabei konnte sie nichts dagegen tun, wenn die beiden anderen an ihr herumzerrten.

Doch wie immer murmelte Sereny lediglich eine Entschuldigung und versuchte, sich professionell zu halten.

Die gezwungenermaßen flache Atmung machte ihr zu schaffen und der Stehkragen des Kleides drückte mit der verstärkten Kante in ihr Kinn, als sie den Kopf wie gefordert drehte.

Das alles war reine Routine für sie, auch wenn es ihr heute besonders unangenehm vorkam.

Selbst die Diskussionen zwischen den Künstlern waren eigentlich normal, dennoch horchte sie auf, als sie neben alldem noch weiteres Schimpfen hörte, dass mit jedem Moment lauter zu werden schien. Als würde sie ahnen, dass dies nicht zur Routine gehörte.

"Sereny?", fragte eine laute Stimme, die sie nach einigem Überlegen Ashton zuordnete, aber bevor sie sich nach ihm umsehen konnte, sah sie ihren Bruder schon aus dem Augenwinkel auf sie zukommen. Die Hände der Leute, die gerade noch an ihr herumgezogen hatten, verschwanden.

Verwirrt sah Sereny Ashton entgegen, hinter diesem folgte ein Mann im Anzug, dem etwas der Schweiß auf die Stirn getreten war, so sehr hetzte er hinter Ashton hinterher. Im Gegensatz zu Zack, der mit seinen langen Beinen spielend mit Ashton mithalten konnte und wie immer einfach perfekt aussah.

Was hatte denn Zack hier zu suchen? War er ihr Shootingpartner? Das konnte sie sich kaum vorstellen, denn das hier war definitiv eine zu kleine Kampagne, um seinen Ansprüchen auch nur ansatzweise zu genügen.

"Du kannst dich wieder umziehen, wir gehen!", verkündete Ashton und Sereny wollte gerade den Mund öffnen, um zu fragen, ob er das mit dem Geld wirklich nicht hatte regeln können, doch der Organisator fuhr dazwischen. Fast schon panisch.

"Wir haben einen Vertrag, dieses Kleid wurde auf ihre Maße angepasst und uns steht eine Entschädigung zu, wegen Vertragsbruch, wenn sie jetzt nicht shootet." meinte er Überschwänglich.

"Sie wollten sie nicht bezahlen", schlug Ashton sofort zurück, bevor Sereny auch nur darüber nachdenken konnte und der Mann holte japsend Luft.

"Sie wurde bezahlt! Im Voraus, dass das Konto nicht auf ihren Namen läuft, ist nicht unser Verschulden! Es wurde uns genau so angegeben", meinte der Mann und Sereny betrachtete Ashton erschrocken.

"Es wurde bereits bezahlt?", fragte sie entsetzt und als der Mann etwas herumdruckste ratterte auch Serenys Verstand.

"Moment. Das geht nicht. Das ist rechtswidrig und dem habe ich auch nicht zugestimmt!", fügte Sereny schnell an, denn sie konnte sich nicht daran erinnern, dass das jemals bei ihr vorgekommen wäre.

"Es war Fera. Sie hatte gestern angerufen und das verlangt und dieser Business Trottel hatte nichts Besseres zu tun, als ehrfürchtig vor ihr zu kriechen und ihr diesen 'Gefallen' zu gewähren! Auf ein Konto, das ihren Namen trägt und nicht den der Vertragspartei!", entgegnete Ashton, ging an Sereny und die Leute um sie herum vorbei zu einer Packung Abschminktücher und reichte ihr die Schachtel.

"Wir gehen, Sereny", meinte er und nun mischte sich auch Zack ein.

"Oh, ich bin sicher, das lässt sich klären. Wir shooten zusammen, Sereny", meinte das Model mit einem so breiten und strahlenden Lächeln, dass Sereny für einen Moment fast einfach genickt hatte.

Aber natürlich hatte Ashton recht. Sie würde diesen Job nicht machen, wenn ihre Mutter dafür bereits ihr Gehalt kassiert hatte.

"Lösen Sie die Nähte wieder", verlangte sie von dem Näher und angezogen von der gesamten Diskussion kamen jetzt auch der Fotograf und der Designer angelaufen.

"Was ist denn hier los? Sie kann nicht einfach gehen. Dieses Kleid ist eines meiner besten Arbeiten!", meinte der Künstler entsetzt und schlug dem Näher auf die Hände, als dieser tatsächlich begann, die Nähte zu lösen, wie es Sereny gewünscht hatte.

"Und du! Ich dulde ein solch unprofessionelles Verhalten nicht, mir egal wer deine Mutter ist, meine Kontakte...", spuckte er in Sereny Richtung. Doch sehr weit kam er mit seinen Worten nicht, denn da packte Ashton den Mann missgelaunt am Arm. Ihr Bruder dirigierte den Designer Missgelaunt von Sereny weg, die dastand wie betäubt und kurz nicht wusste, was sie machen sollte. Dabei war die Antwort doch eindeutig.

"Löß die Nähte, oder ich reiße sie auf!", drohte sie dem Näher, der daraufhin zügig die Fäden herauszog. Der Mann im Anzug diskutierte währenddessen munter weiter mit Ashton, der wiederum den Designer anschnauzte.

"Wenn ihnen etwas nicht passt, Mister, wenden Sie sich an diesen Idioten, der so dumm war eine ungerechtfertigte Überweisung zu tätigen und wagen sie es nie wieder meine Schwester zu bedrohen, sonst lernen sie mich kennen!", fauchte Ashton ihn an, worauf der Schöpfer des Kleides nur entsetzt nach Luft schnappte.

"Sind Sie etwa der Bruder, der sich an diesem Set vor ein paar Jahren geprügelt hat?' Es hieß Sie sind entstellt worden", fügte er an und musterte Ashton auf eine Weise, von der Sereny wusste, dass sie herablassend sein sollte, aber Ashton gehörte nicht zu den Menschen, die sich wegen Äußerlichkeiten Gedanken machten. Erstaunlich wo sie doch alle im gleichen Haushalt aufgewachsen waren und sich alles immer nur um Äußerlichkeiten gedreht hatte.

"Nein, ich bin schlimmer. Nehmen sie ihr Kleid und lassen sie ein anderes Model darin ersticken und Sie, Mr Supermodel, lassen sie die Finger von ihr. Sereny ist zu gut für so eine oberflächliche Scheiße!", meinte Ashton und schien damit alles gesagt zu haben, was er sagen wollte.

Sereny starrte ihren Bruder entsetzt an, dann die Männer und die eine Frau um sich herum, bevor sie begriff, dass Ashtons Verhalten hier gerade nicht nur dieses Shooting beendete, sondern wahrscheinlich auch ihre Karriere. Und anstatt Panik zu bekommen, durchzudrehen und sich in Gedanken zu verlieren, wie sie das wieder gerade biegen konnte, war sie ... erleichtert. Es war, als würde eine Last von ihren Schultern fallen, die schon so lange auf ihren Schultern gelegten hatte, dass sie sie nicht einmal mehr bemerkt hatte. Was in ihr in diesem Moment vorging, konnte sie nicht einmal in Wort fassen. Die Männer um sie herum keiften sich gegenseitig an und sie stand da, konnte nicht aufhören, Ashton anzustarren, der ab und an noch ein Kommentar zu diesem ganzen Durcheinander abgab.

Sereny spürte, wie sich die Nähte an diesem Kleid lösten, wie Luft in ihre Lungen strömte und sie zurück in eine Freiheit entließ, die nicht bildlicher sein könnte.

Erleichtert. Sie war tatsächlich erleichtert, bei diesem Gedanken, das hier vielleicht nie wieder machen zu müssen. Es war unfassbar.

Sie hätte gedacht sich halt- und planlos zu fühlen, doch stattdessen überkam sie ein Gefühl der Freiheit.

So sehr, dass ihr spontan und absolut ungewollt eine Träne entkam.

Sereny - A Woman's World Tale - LeseprobeWhere stories live. Discover now