in gewohnter Manie

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Kapitel 9

Sereny

Ihr Wecker klingelte viel zu früh und obwohl Sereny wusste, dass sie das Geld dringender denn je brauchte, weigerte sie sich den Traum loszulassen, der sie eben noch in ihrem Schlaf begleitet hatte.

Es war schwer nach nicht einmal vier Stunden aufzustehen und sich so frisch und glücklich zu fühlen, wie sie aussehen müsste, um diesen Job zu machen. Doch davon hatte sie sich nie aufhalten lassen. Also ignorierte Sereny wie schweren es war, Augen zu öffnen und Zwang sich dazu, ihre erschöpften Muskeln sich aus dem Bett zu heben. So, wie sie es immer tat. Tagein, tagaus.

Wann hatte sie das letzte Mal wirklich ausschlafen können? Wann hatte sie ihren letzten freien Tag gehabt und wann sich dazu durchgerungen es ruhiger angehen zu lassen? Sie wusste es nicht. Und auch heute würde keine Ausnahme sein. Dieser Werbespot heute war wichtig und wenn sie nicht in einer Viertelstunde perfekt zurechtgemacht in der Küche stand, würde ihre Mutter...

Nein. Halt. Sie war nicht mehr bei ihrer Mutter. Sie war gestern Abend weggelaufen und das Bett, das sie für nicht einmal vier Stunden hatte genießen können, war nicht ihr eigenes, sondern gehörte Ashton.

Ashton. Ein Seufzen entfuhr ihr.

Ihr ältester Bruder hatte sie aufgenommen und sie vor Wesley verstecken wollen. Doch es war alles schiefgegangen, so sehr, dass die Brüder sich gestritten hatten. Wäre sie nicht sowieso nicht bereits total übermüdet gewesen, hätte sie wegen ihres schlechten Gewissen kein Auge zugetan. Das Wesley und Ashton sich gestritten hatten, war ihre Schuld und das, obwohl sie keinen ihrer Brüder je wieder hatte Probleme machen wollen.

Heute würde sicher auch kein angenehmer Tag für sie werden. Nicht mit diesem Stein in ihrem Magen, nicht mit dieser Angst in ihrem Hinterkopf, bald alleine auf der Straße zu sitzen. Sie sollte sich nicht zu sehr an das alles hier gewöhnen. Ihre und die Wege ihrer Brüder würden sich bald schon wieder trennen. Umso mehr bedauerte sie es nicht wirklich genießen zu können.

Ihre Gesellschaft, ihre Fürsorge, auch wenn sie beides nur unfreiwillig bekam und auch dieses Bett, dass diesen Duft verströmte. Herb, männlich.

Das war etwas, indem man sich einlullen konnte und sich sicher fühlte. Doch es war besser, dass hier nur als einen Traum zu betrachten, eine Halluzination, etwas, was nie wahr sein würde.

Dann würde es danach nicht so wehtun.

Sereny betätigte die Nachttischlampe und war nicht überrascht, dass am Himmel noch nicht ein Streifen Tageslicht zu entdecken war. Es war noch mitten in der Nacht und die dicht besiedelte Stadt schlief wahrscheinlich noch zum Großteil, oder hatte sich noch gar nicht schlafen gelegt.

Dennoch würde Sereny sich beeilen müssen, sie hatte jede freie Minute schlafen wollen und so war jetzt schlicht nicht genug Zeit um irgendwie ruhig in den Tag zu starten. Die Fahrt zum Studio würde fast zwanzig Minuten dauern und bis dahin musste sie vorzeigbar aussehen. Angesichts der wenigen Stunden Schlaf und ihrem allgemeinen emotionalen Zustand leichter gesagt als getan. Wie lange würde sie brauchen, um diese Augenringe abzudecken?

Als ihr Magen sich vor Hunger zusammen zog, dachte sie auch noch kurz darüber nach, zwischendurch irgendwo anzuhalten und etwas zu essen, aber das würden die Leute im Studio alles andere als gutheißen.

Sie konnte sich keinen vollen Magen erlauben, nicht bei einem Kleid, dass so eng saß, dass es zwei Stunden brauchen würde, sie dort hinein zu nähen. Das konnte sie sich nicht erlauben.

Sereny erinnerte sich noch zu gut an den Moment, in dem ihre Mutter, die angefragten Maße von Sereny für dieses Shooting, an den Schneider übermittelt hatte.

Brust, Hüfte, Oberschenkel und sogar die Dicke ihrer Handgelenke hatten sie wissen wollen und ihre Mutter hatte nichts weiter zu tun gehabt, als von diesen Maßen jeweils noch einen Zentimeter abzuziehen. Als Motivationsgrundlage, weil Sereny nie perfekt sein würde, egal wie sie aussah.

Sereny konnte sich frustriertes Stöhnen nicht verkneifen.

Warum fiel ihr erst jetzt auf, in was für einem toxischen Umfeld sie da gelebt hatte? Musste man wirklich erst aus diesem Alptraum ausbrechen, um zu bemerken wie schlimm er war?

Sereny wusste es nicht, aber darüber nachzugrübeln half nicht weiter. Das Resultat war dasselbe:

Kein Frühstück für sie! Das einzige, was sie jetzt brauchte war sich frisch zu machen, ihre Augenringe Pads aufzulegen und sich auf den Weg zu einer Sammelstelle für Fahrzeuggondeln zu machen, damit sie rechtzeitig ankam!

So flink wie sie konnte, ohne sich in der fremden Umgebung irgendwo schlaftrunken gegenzurempeln - blaue Flecken wären noch peinlicher als ein Kleid, dass doch nicht passte - trat sie aus Ashtons Schlafzimmer und begann damit ihren Koffer zu suchen.

Sie fand das klobige Gepäckstück neben der Kücheninsel und war überrascht, Ashton noch immer auf einen der Hocker sitzend vorzufinden, wie er über eine Zahlentabelle grübelte. Wartete er nur darauf, dass Sereny endlich aufstand, um selbst schlafen gehen zu können oder hätte er auch ohne ihre Anwesenheit bis zur Morgengrauen an dieser Tabelle gesessen? Sereny wollte an letzteres glauben, aber befürchtete, dass es ersteres war.

Sie machte einfach nur Probleme.

Für eine Weile saß Ashton einfach nur da, bis er wohl bemerkte, dass sie die Tür geöffnet hatte und ihn anstarrte. Daraufhin drehte sich sein Blick zu ihr und sofort schlug seine Stirn falten.

"Kannst du nicht schlafen? Soll ich dir eine heiße Milch machen?", fragte er und sofort fühlte sich Sereny in ihre Kindheit zurückversetzt.

Es wäre nicht das erste Mal, dass er ihr eine heiße Milch mit Honig oder Kakao machte, weil sie einfach nicht schlafen konnte. Aber so etwas hatte sie seit Jahren nicht mehr getrunken. Zu viel Zucker, zu viel fett.

Für eine Weile stand Sereny einfach nur da und bedauerte erneut, vor all diesen Jahren nicht weniger abhängig von der Liebe ihrer Mutter gewesen zu sein. Wäre sie nicht so darauf versessen gewesen, Fera zu gefallen, dann hätte sie eine bessere Kindheit und Jugend gehabt.

Ashton hätte sich gut um sie gekümmert, da war sie sich sicher.

Doch diese Gelegenheit hatte sie verpasst und egal wie sehr sie das alles plagte: Es ließ sich nicht mehr ändern.

Nichts davon. Gerne hätte sie jetzt einfach genickt und diese Milch getrunken, um danach einfach weiterzuschlafen, aber Sereny war kein Kind mehr und es würde keinen mehr geben, der ihr wieder heiße Milch machte. Diese Zeiten waren vorbei!

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Mitt April wird es auf Instagram übrigens eine Verlosung geben von einigen Hardcovern, die ich nicht in die Buch-boxen legen kann weil sie durch den Transport eventuelle kleine Macken aufweisen. 

Wer sich dafür interessiert sollte mir dort also unbedingt folgen. Link in meiner Bio. 

 

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Sereny - A Woman's World Tale - LeseprobeWhere stories live. Discover now