Untergekommen

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Kapitel 5

Sereny

Sereny betrachtete das Arbeitszimmer, das neben dem digitalen Schreibtisch, eine ausklappbare Schlafecke, einen kleinen Kühlschrank und ein angrenzendes Badezimmer beherbergte. Auf dem Schreibtisch stapelte allerlei digitale Geräte und über den Stuhl hin ein Hemd.

Ashton schien viel Zeit in diesem Raum zu verbringen, doch von heute an würde sie hier erst einmal unterbekommen und ihm damit wieder etwas vereinnahmen, was ihr nicht zustand.

Es fühlte sich einfach nur falsch an hier zu stehen und sich von ihnen helfen zu lassen, doch im Moment hatte Sereny wohl keine andere Wahl. Sie musste bei einem ihrer Brüder unterkommen. Für eine Weile zumindest, denn auch wenn Ashton gekommen war, um sie abzuholen, spürte sie deutlich, wie wenig sie hier willkommen war.

Alles was sie tun konnte, dafür zu sorgen, dass sie schnell wieder auf eigenen Beinen stand, um Ashtons Gastfreundschaft nicht zu überstrapazieren.

"Ich zahle dir alles zurück, sobald ich an mein Geld kann", versprach sie ihrem ältesten Bruder, aber Ashton zuckte darauf hin nur mit den Schultern. Er wirkte lustlos und vielleicht auch etwas genervt. Wahrscheinlich von ihr.

"Ich sage dem Türsteher, dass du zu uns gehörst, damit du frei kommen und gehen kannst. Du bist allerdings gut beraten, dich nicht in den Räumlichkeiten der Bar aufzuhalten und durch den Hinterausgang rein und rauszugehen", sagte Ashton und Sereny schluckte hart. Ashton wollte scheinbar nicht, dass jemand sie hier sah und egal wie sehr auch mit genau solchen Dingen gerechnet hatte: Es fühlte sich an, als würde man ihr ein weiteres Messer in die Brust jagen.

Natürlich wusste sie, dass Ashton das hier nur aus Pflichtgefühl tat, aber es schmerzte trotzdem. Sie hatte niemanden mehr auf der Welt und würde ihren Weg alleine gehen müssen. Vielleicht für immer, denn wenn diese Nebenwirkungen dieser Pillen, die ihre Mutter ihr gegeben hatte, so extrem bei ihr ausfielen wie befürchtet, dann könnte sie keinen Partner jemals zumuten, sich auf sie einzulassen.

"Danke", sagte sie dennoch und versuchte nicht sofort in Tränen auszubrechen. Ein Vorsatz, der nur solange hielt, bis Ashton ohne ein weiteres Wort die Tür hinter sich zuzog und sie alleine ließ.

Heiß und brutal wurde sie von einer Welle des Selbstmitleides erfasste und flüchtete sich so schnell in das angrenze Bad, dass sie dafür eine Sportmedialie bekommen sollte.

Sereny hatte sich bereits zwei Mal bei Ashton entschuldigt, aber dennoch kam von seiner Seite kein Wort des Verzeihens. Natürlich konnte sie das nicht so einfach verlangen, aber es wäre ich wichtig gewesen sich zumindest mit einem ihrer Brüder auszusöhnen. Damit sie zumindest das Gefühl, dass irgendetwas in ihrem Leben gerade nicht noch weiter auseinander brach, doch scheinbar war ihr das einfach nicht vergönnt.

Mit einem furchtbaren Schniefen ließ Sereny für einen paar Minuten den Tränen freieren lauf, bevor sie sich wieder das Gesicht wusch und beschloss, dass sie genug geweint hatte.

Am liebsten wäre sie sofort wieder gegangen, um diesen ständigen Ablehnungen zu entkommen, aber sie hatte keine Ahnung wo sie hin sollte, also musste sie es einfach überstehen und sich immer wieder sagen, dass sie das alles schon schaffen würde.

Sie hatte keine Zeit, sich an dummen Hoffnungen festzuklammern, niemand würde ihr bei dem beistehen, was auf sie zukam. Der Kampf um das Einzige in ihren Leben zudem sie taugte: das Modeln.

Ihre Mutter würde sicher alles versuchen, um ihr es so schwer wie möglich zu machen. Sie hatte die Gehässigkeit ihrer Mutter mehr als einmal hautnahe zu gesucht bekommen, besonders als Ashton Sereny Sorgerecht beantragt hatte. Sie war definitiv dazu in der Lage alle ihre mütterlichen Gefühle abzulegen und sich gegen jeden zu wenden, der ihren Lebensstil gefährdete und Sereny würde keine Ausnahme sein.

Es würde wehtun, doch mit emotionalen Verwundungen würde Sereny klarkommen. Sie kannte kaum etwas anderes.

Zudem hatte sie gerade nur wenige Stunden um sich auszuruhen, weil dieser Werbespot ihr morgen, beziehungsweise heute, noch einiges an Kraft abverlangen würde. Es blieb keine Zeit zum Heulen. Gerade jetzt konnte sie es sich nicht leisten, auch nur irgendetwas sausen zu lassen. Selbst wenn sich diese Situation so anfühlte, als würde es sie zerreißen.

Sereny ging zurück in das Arbeitszimmer, ließ die Schlafecke ausfahren, streckte sich dann auf der Couch auf und schlang ihre Arme um eines der Kissen.

Der männlich, herbe Geruch, der ihr dabei in die Nase stieg, konnte sie nicht identifizieren. War es Ashton, den sie da roch? Vielleicht aber nicht ganz. Schlief noch jemand gelegentlich auf dieser Couch? Hatte sie jemanden den Schlafplatz weggenommen? Sie wusste es nicht und würde darauf jetzt gerade keine Antwort erhalten, als schloss sie die Augen und versuchte zur Ruhe zu kommen.

Die Tränen erschütterten noch einige Male ihren Körper, aber dann beruhigte sie sich und spürte, wie sie gerade dabei war in den Schlaf wegzudriften.

Sie hatte schon einige beschissene Geburtstage gehabt, aber dieser hier war definitiv der allerschlimmste. So schlimm, dass sie einfach nur noch wollte, dass er vorbei war. Entschlossen ihn einfach ausklingen zu lassen, zwang sich Sereny dazu, sich wieder aufzusetzen.

In ihrem Reisekoffer waren ihr Hygienebeutel und ihr Schlafanzug und sie wollte nicht in einer Reiseleggins und einen Hoodie schlafen. Sie musste morgen gut aussehen. Also angelte sie alles aus dem Koffer, was sie brauchte, verschwand wieder ins Bad und machte sich Bettfertig. So, wie sie es immer tat. Schlafanzug, Abendcreame, Zähneputzen und ihre Haare zusammenbinden, sonst würden diese bis morgen hoffnungslos verknotet sein.

Erst dann wagte sie es sich wirklich schlafen zu gehen. Nur ein paar Stunden die Augen schließen, dann würde ein erneuter Arbeitstag beginnen, der sie ihre Situation vergessen ließ.

Doch das Glück meinte es nicht gut mit ihr.

Gerade dachte sie, der erlösende Schlaf würde sie gefangen nehmen, da ging die Tür zu Ashtons Büro auf und sie setzte sich erschrocken auf, um den Eindringling entgegenzusehen.

Wesley.

Wesley mit schlimmen Hämatomen auf seiner nackten Brust.

Wesley mit einer Flasche Alkohol in der Hand.

Wesley mit einer blanken Wut auf sein eigentlich immer noch modellreifen Gesicht, die ihr den Atem verschlug.

Sereny - A Woman's World Tale - LeseprobeOnde histórias criam vida. Descubra agora