Kapitel 3

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Für den Dunkelblonden war das sicher nur ein Experiment, eine komplett neue Erfahrung, die er machen konnte und die ihm nicht schadet, wenn er damit scheitert. Allerdings war es für mich ein persönlicher Ritt durch die Hölle, egal ab welchem Zeitpunkt, ich werde das Gefühl haben, als würde ich ersticken. Tom nahm das Ganze auf die leichte Schulter, war nicht ausgebildet, um Angstpatienten zu unterstützen, weshalb ich ohnehin nicht glaubte, dass er viel erreichen könnte. Wieso auch, fragte ich mich und wusste, dass noch nicht einmal die Therapeutin damals etwas in einem gewissen Zeitraum ändern konnte. Warum sollte der Blauäugige die Kraft dazu haben, etwas an meiner Phobie zu verändern? Während ich meinem Gegenüber noch nicht geantwortet hatte, wanderte mein Blick nervös zu jedem Gegenstand in dem Café, den ich mit meinen Augen einfangen konnte. Wollte zum einen nicht in sein Gesicht sehen und zum anderen hatte ich jetzt schon mit einem heftigen pochen in meinem Herzen zu kämpfen, welches ausgelöst wurde, weil allein der Gedanke daran, auf einen Hund zu treffen, zu viel für mich war. Ein lautes Räuspern holte mich aus meinem geistesabwesenden Zustand zurück und aufgrund dessen sah ich vorsichtig zu dem Briten.
»Sophia?« Der britische Schauspieler wollte noch immer eine Antwort von mir hören, die, egal wie sie ausfällt, schwer über meine Lippen kommen wird. Angespannt sah ich von dem ehemaligen Theaterkollegen weg, schluckte schwer, als meine Augen den Blonden aufsuchten. Meine Freundschaft zu Charlie war mir verdammt wichtig, denn außer ihn, hatte ich keinen. Jedoch war meine Phobie nicht zu unterschätzen, weshalb ich ernsthaft darüber nachdachte unsere Freundschaft aufs Spiel zu setzen.

»Was hältst du von meinem Vorschlag, Sophia? Oder brauchst du mehr Zeit?« Der Dunkelblonde ließ nicht locker, wollte, dass ich endlich reagiere.
»Ich... ich...« Was sollte ich nun tun? Plötzlich legte mein Gegenüber seine Hand auf meine, veranlasste mich dazu, panisch zu ihm aufzusehen. Seine blauen Augen waren fest auf mich gerichtet, sahen mich eindrücklich an und ich konnte nicht erahnen, woran er gerade dachte. Machte Tom sich bereits lustig über mich? Lachte mich innerlich aus, weil ich, in seinen Augen, bei so etwas Lächerlichem so lange brauchte, um eine Entscheidung zu treffen? Rasch wandte ich meinen Blick wieder ab, fixierte unweigerlich seine Hand, die meine hauchzart berührte. Es war eine vertraute Wärme, die auf mich überging und ein seltsames Gefühl in meinem Bauch auslöste.

Damals
Hatte Tom mich vorhin wirklich gefragt, ob er mich nach Hause begleiten darf? Diese Frage stellte sich mir seit einer geraumen Zeit, im Prinzip so lange, wie es her war, dass mich der Blauäugige gefragt hatte. Ehrlich gesagt konnte ich mir das nicht vorstellen, glaubte zu meinen, dass mein Kopf mir abermals einen Streich spielte. Oft malte ich mir Szenarien in meinen Gedanken aus, die mir gefallen würden, aber die niemals eintrafen, weil ich einfach unsichtbar auf meine Mitmenschen wirkte. Was mich ebenfalls daran zweifeln ließ, war die Tatsache, dass der Dunkelblonde hier auf dem Eton College lebte, einem hochangesehenen Internat nur für Jungs, wo man in der Woche wohnte. Mich nach Hause zu bringen, stellte einen Umweg für ihn dar und es wäre unhöflich von mir, ihm diesen unnötigen Weg aufzubürden. Ich umfasste angespannt den Pinsel in meiner Hand, als könnte dieses kleine Stück Holz mir Halt geben. Vorsichtig drehte ich mich von der Requisite weg und es war erstaunlich, wie schnell meine Augen IHN unter all den anderen Studenten erfassten. Tom stand bei einer Gruppe Jungs, hatte seine Hände in den Hosentaschen vergraben und schaute stumm zu Boden, während die Anderen sich angeregt unterhielten. Seine Freunde, davon hatte er im Gegensatz zu mir welche, mit denen er immer zusammen rumhing und niemals einsam wirkte. Zwar war er auch ein wenig zurückhaltend, aber das komplette Gegenteil von mir. Unfassbar, dass dieser Junge, der so ein riesiges Talent besaß, mich nach Hause bringen wollte und seine Zeit mit mir verbringen möchte. Mit mir? Dem unscheinbaren Mädchen, die kaum einer wahrnahm, die lieber nicht gesehen werden wollte und doch, er hatte mich bemerkt. Mich! Nicht eines dieser wunderschönen Mädchen, die es liebten auf sich aufmerksam zu machen, gerne im Mittelpunkt standen und sich nicht davor scheuten, sich bei den Jungs interessant zu machen. Plötzlich sah der Dunkelblonde zu mir auf, weshalb ich vor Schreck einen Schritt nach hinten ging, er mich dabei erwischt hatte, wie ich ihn anstarrte. Dabei stieß ich die Requisite um, die ich anstreichen sollte und die mit einem lauten Knall zu Boden fiel. Panisch weitete ich meine Augen, als alle Blicke in dem Raum auf mich gerichtet waren, eine Situation, die ich stetig versuchte zu vermeiden.

Für immer noch einmalWhere stories live. Discover now