Tag 70 Teil 5

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Tsireya

Lo'ak und ich wechselten einen kurzen Blick, nachdem Beyral so abgerauscht war. "Ich geh mal nach ihr sehen." Dann küsste ich ihn sanft und verabschiedete mich von ihm, Ao'nung und Neteyam.
Langsam lief ich ihr hinterher und folgte ihr mit einem unguten Gefühl im Bauch bis nach Hause.

Die laute Stimme ihrer Mutter ließ mich zusammenzucken. "Wo warst du?" Sie klang wütend. "Bei Ao'nung und Neteyam." "Du gibst dich mit diesen Schwuchteln ab?!", schrie sie hysterisch. "Aber sie sind -" "Nein!", unterbrach sie ihre Tochter. "Ich will nichts von den beiden hören! Und geh mir bloß aus den Augen bevor es knallt!"
Danach war es ruhig. Vor Entsetzen hatte ich mir die Hand vor den Mund gehalten. Ich konnte nicht so ganz fassen, was ich da grade gehört hatte. Aber es machte den Anschein, als ob das nichts Neues für Beyral wäre.
Sie tat mir unglaublich leid.
Während ich noch so über sie und ihre Mutter nachdachte, begann das nächste Geschrei.
"Steh auf! Nicht zu fassen, den ganzen Tag liegst du nur im Bett! Und wag es ja nicht, zu sagen, dass du doch schwanger bist. Glaubst du, du bist vom Himmel gefallen? Oh nein, ich habe dich die ganze Zeit mit mir rumtragen müssen und ich habe auch nicht gejammert und geflennt so wie du! Jetzt komm, mach Essen."

Tränen standen mir in den Augen. Ich wusste nicht, wie eine Mutter so mit ihrem Kind reden konnte.
Dann beschloss ich, da ich ja Tsahìk werden würde, dass ich meine Freundin unterstützen musste.
Langsam betrat ich die Hütte und räusperte mich dann verhalten. Sie zuckte heftig zusammen und fuhr herum. Als sie mich sah, entspannte sie sich ein wenig. "Tsireya. Was machst du denn hier?" Sie weinte. Wortlos nahm ich sie in den Arm.
Stumm klammerte sie sich an mich und ließ ihren Tränen freien Lauf. Beruhigend strich ich ihr über den Kopf und durch die Haare. "Alles wird gut. Entspann dich erst mal." Leichter gesagt als getan; in dem Moment schallte die Stimme ihrer Mutter zu uns rüber. "Gör! Hör auf zu heulen und mach das Essen!"
Dann bog sie um die Ecke und stoppte, als sie mich sah. "Tsireya", sagte sie einigermaßen respektvoll und machte die Geste zu Oel ngati kameie. Ich nickte knapp. "Meine Mutter verlangt, mit Beyral zu sprechen. Ich soll sie abholen." "Natürlich. Richte ihr Grüße von mir aus." So eine Heuchlerin. "Aber natürlich", flötete ich und lächelte gekünstelt.
Dann nahm ich das Mädchen sanft am Arm und zog sie mit nach draußen.
"D-danke", stotterte sie und wischte sich fahrig über die Wangen. "Hey", sagte ich sanft und sie sah mich an. "Nur weil du und mein Bruder euch getrennt habt heißt das ja nicht dass wir keine Freunde mehr sind, okay? Und ich konnte dich wirklich nicht allein bei ihr lassen." Sie blieb stumm. "Möchtest du drüber reden?" Nach kurzem Zögern nickte sie. "Mit meiner Mom? Vielleicht kann sie dir helfen. Ist ja quasi ihre Aufgabe." Wieder nickte sie und versuchte offensichtlich, die Tränen, die bereits in ihren Augen schimmerten, daran zu hindern, über ihr Gesicht zu fließen.

Wir standen noch eine Weile umarmt da, bis sie sich weitgehend beruhigt hatte. Dann nahm ich ihre Hand und zusammen machten wir uns auf den Weg zu mir nach Hause.
Meine Mom war draußen und unterhielt sich grade mit Neytiri, als wir ankamen. Beide sahen auf und waren einigermaßen bestürzt von Beyrals Zustand. "Was ist passiert?", fragte Mom sofort.
Wir setzten uns hin und sie begann zu erzählen, wie es für sie war, mit ihrer Mom zusammen zu leben.
Mein Herz brach in tausende kleine Stücke, als sie geendet hatte. Wortlos legte ich meine Hand an ihre Wange. "Es tut mir so leid. Wenn ich dich nicht ignoriert hätte, als du und Ao'nung euch getrennt habt, hättest du es mir wahrscheinlich schon viel früher erzählt und -" "Ist okay", sagte sie leise und lächelte ein bisschen. "Wichtig ist, dass ihr es jetzt wisst."
Mom nickte und sah mich streng an. "Und du kannst diese Geschichte bestätigen?" "Absolut." Sie wechselte einen Blick mit Neytiri und standen dann gemeinsam auf. "Wir müssen uns kurz unterhalten. Wartet hier."
Die Beiden gingen nach drinnen und ließen uns sitzen. "Wieso hast du mir nichts gesagt? Ich hätte dir helfen können", meinte ich schließlich. Sie zuckte mit den Schultern. "Ich dachte, dass du mich hasst oder so. Und da wollte ich dich nicht mit meinen Problemen nerven." Traurig senkte ich den Blick. "Das hättest du nicht. Tut mir leid, dass du so empfunden hast. Willst -" Ich hielt inne. Es klang dämlich und unpassend. "Willst du, dass wir Freunde sind?"
Sie lächelte. "Es würde mich freuen." Danach umarmte ich sie sanft und hielt sie, bis meine Mom zurückkam.
"Du bist alt genug, um selbst zu entscheiden", sagte sie und kniete sich vor Beyral. "Möchtest du noch bei ihr wohnen?" Sie schüttelte nach kurzem Nachdenken entschieden den Kopf. "Aber ich weiß nicht, wo ich sonst hin soll."
Mom lächelte ein wenig. "Du hast drei Möglichkeiten. Du kannst dir selbst etwas suchen, bei uns wohnen oder bei den Sullys unterkommen."
Dadurch, dass meine Hand noch auf dem Rücken meiner Freundin lag, spürte ich, dass ihr Herz einen Moment lang aussetzte und dann in doppelter Geschwindigkeit weiterschlug. "Ist das ein Witz?", fragte sie vorsichtig. Neytiri, die noch hinter Mom stand, schüttelte den Kopf. "Nein. Es ist dir überlassen, wie du dich entscheidest. Aber ich würde vorschlagen, dass du erst mal mit Ao'nung und Neteyam darüber redest, egal, wo du hingehen möchtest."

Gesagt, getan.
Keine zehn Minuten später saßen wir alle zusammen am Strand. Links von mir saß Dad, daneben Mom, dann Neytiri und Jake, Tuk, Kiri, Lo'ak, Neteyam und Ao'nung und dann Beyral zu meiner Rechten.
Mom sah sie der Reihe nach an. "Beyral ist mit einem sehr schwerwiegendem Anliegen zu mir gekommen. Sie hat mich um Hilfe gebeten und ich bin in der Lage, sie ihr zu gewähren. Dazu müssen aber alle Beteiligten zustimmen. Beyral?", wandte sie sich schließlich an das Mädchen. Sie nickte und erzählte nocheinmal, was sie vorhin bereits gesagt hatte. Ao'nung wurde blass und sah einigermaßen überfordert aus. Die Restlichen waren nicht minder geschockt.
Nachdem sie geendet hatte, meldete sich Mom wieder zu Wort.
"Sie kann sich natürlich etwas Eigenes zum Wohnen suchen, aber das wird dauern und in ihrem Zustand kann ich das nicht guten Gewissens unterstützen. Dann bleiben noch die Möglichkeiten, dass sie entweder bei uns unterkommt oder bei euch", sagte sie an Jake gewandt. "Würdet ihr dem zustimmen?"
Die Sullys wechselten nur einen raschen Blick, bevor Jake entschieden nickte. "Wir würden uns freuen, wenn du bei uns wohnen würdest", sagte er an Beyral gewandt. Auch Ao'nung gab sein Einverständnis und somit war es beschlossen.
Sie würde bei ihnen wohnen, so lange sie wollte.


[sorry dass erst jetzt wieder was kommt uff. die kapitel werden jetzt auch hoffentlich wieder länger. und 21k? omgg <3]

Ao'nung x Neteyam Slow BurnWhere stories live. Discover now