Tag 70 Teil 3

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Kiri

"Ich bekomme ein Baby", kam es von Ao'nung und er lachte anschließend. "Also Beyral ist schwanger und Neteyam und ich würden es quasi adoptieren. Sie möchte es nicht aufziehen." Es wurde still. "Es ist von mir, versteht sich."
Danach war es eine Weile leise.
"Okay. Ich helfe euch natürlich so gut ich kann." Natürlich sagte Mom das. Sie liebte Kinder - nicht nur uns, sondern auch alle anderen. Sie hatte ein großes Herz.

Es machte mich langsam wahnsinnig, nur herumzuliegen.
Aber seit meiner Begegnung mit Eywa und ich Neteyam zurückgebracht hatte, widersetzte sich mein Körper mir. Bisher hatte ich die Kontrolle noch nicht wirklich zurückerlangt.

Die See gibt und die See nimmt.

Sie hatte Leben gegeben und mir gleichzeitig fast alles genommen. Es war zwar irgendwie fair, aber dennoch war es hart für mich. Und für Tuk, die seither neben mir im Bett schlief. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie schlimm es für eine Neunjährige sein musste, ihren Bruder zweimal quasi sterben zu sehen und mitzuerleben, wie ihre große Schwester ein Krüppel wurde.
Der einzige Lichtblick an der Situation war Rotxo. Er verbrachte viel Zeit mit mir und gab mir das Gefühl, dass mein Zustand nicht das Ende der Welt war.
Meine Brust glühte, als ich an ihn dachte. Aber ich war mit absoluter Sicherheit nicht in ihn verliebt. Er war definitv nur mein Freund, nichts weiter.
Eben dieser stieg grade durch mein Fenster in mein Zimmer. "Guten Morgen, Eywa'ita." Lächelnd verdrehte ich die Augen. "Du wirst nicht glauben, was ich grade gehört habe." Er setzte sich neben mich ins Bett und sah mich gespannt an. "Erzähl." "Aber sag es keinem, dass ich dir das gesagt habe, okay?" "Versprochen. Jetzt schieß los!"
"Tsireya erwartet ein Baby. Und Ao'nung adoptiert das Baby von einer Beyral." Er verzog sein Gesicht zu einer Grimasse. "Beyral? Warum ausgerechnet von -" Es schien ihm zu dämmern. "Oh." "Aber wie gesagt, das hast du nicht von mir."
Rotxo nickte verdattert.
Danach schwiegen wir eine Weile.

"Wie geht es dir?", fragte er schließlich leise. "Gut", meinte ich nur. "Was ich damit sagen wollte: Wie geht es dir wirklich?" Ich atmete tief durch.
"Das alles macht mich wahnsinnig. Neteyam zurückzubringen war mit Sicherheit das Anstrengendste, das ich je getan habe. Mein Körper widersetzt sich mir. Ich kann mich kaum bewegen und wenn doch, dann habe ich Schmerzen. Eywa sagte zu mir, dass es wehtun würde, aber ich dachte, dass es nur auf das Wiederbeleben an sich bezogen war und nicht auf alles Andere auch. Ich wäre gern bei meiner Familie. Also so richtig im Sitzen und mit Kontrolle über das, was ich tue. Ich weiß, dass ich quasi der Held für alle bin, aber das macht mich kaputt. Diese Verbindung zu meiner Mutter ist unglaublich und wunderschön, versteh mich nicht falsch, aber es ist auch gleichzeitig schlimm. Ich kann sie dauernd spüren, manchmal sogar hören, egal, ob ich es will oder nicht. Für alle bin ich nur die, die mit Eywa verbunden ist. Ich habe das Gefühl, dass sich keiner für mich interessiert. Für mich als Person. Und eigentlich sollte ich grade wahnsinnig glücklich sein, weil ich meinen Bruder wiederhabe und alles so ist, wie es sein sollte, aber ich vermisse mein Zuhause. Und ich vermisse Spider."
Ich atmete durch und blinzelte die Tränen weg. Es tat gut, das alles rauslassen zu können.
Rotxo nahm meine Hand. "Ich interessiere mich für dich als Person, okay? Und ich bin mir sicher, dass deine Familie das genauso sieht. Du wirst Spider irgendwann wieder sehen. Eywa wird ihn bei sich haben und er wird bei ihr auf dich warten, da bin ich mir sicher." Er wirkte ein wenig traurig und ich merkte - nein, ich fühlte - dass ich seine Gefühle verletzt hatte.
Diese Realisation - dass ich ihn verletzt hatte und dass ich das mit meinem Wesen spüren konnte, ließ mich unterdrückt schluchzen. Somit hatte ich den nächsten Nachteil. Als ich Neteyam bei seiner eigentlichen Beisetzung berührt hatte, konnte ich auch alles und jeden um mich herum fühlen. Aber ich hatte nicht gedacht, dass ich das immer noch konnte; oder vielmehr musste.
Er legte mir sanft seine Hand an die Wange. "Habe ich etwas falsches gesagt?" Die Tränen rannen nur stumm über mein Gesicht, bevor er sie mit seinen Daumen abwischte.
"N-nein. Es ist nur.. alles viel zu viel. Ich kann fühlen, wie sehr dich das verletzt hat. Und ich wünschte, dass ich das nicht müsste. Es geht mich auch eigentlich gar nichts an. Deine Gefühle sollte ich nur kennen, wenn du das auch so willst."
Er lächelte ein bisschen und war erleichtert. "Kiri. Du bist die Einzige, bei der es vollkommen okay ist. Ich habe nichts vor dir zu verbergen und wenn du mich spürst, dann ist das so. Es tut mir leid, dass es dich fertig macht. Aber ich denke, dass du das weißt."
Ich konnte nicht in Worte fassen, wie dankbar ich war, ihn zu haben. "Umarmung?" Er nickte und zog mich vorsichtig in seine Arme.
Traurig atmete ich durch und bemerkte dabei, wie gut er roch. Das war mir bisher nicht aufgefallen, aber ich hatte auch nicht wirklich drauf geachtet. Meine Tränen versiegten bald, aber er ließ mich nicht los. Und das war gut so.

"Rotxo?" "Hmm?", brummte er. "Kannst du deine Gefühle mal ein bisschen runterschalten? Es ist schwer, dir dabei zuzuhören, wie sehr du mich magst." Er löste sich von mir und sah ertappt weg. "Tut mir leid. Aber -" "Das muss dir nicht leid tun und du solltest dich auch nicht dafür entschuldigen. Wenn dann tut es mir leid, weil ich das nicht erwiedern kann. Zumindest nicht auf die gleiche Art." Er nickte. "Ist okay. Ich kann warten. Und wenn es sein muss, warte ich für immer auf dich. Das macht mir nichts aus. Alles, was ich will, bist du an meiner Seite. Egal als was, verstehst du?"
Ich merkte, dass ich rot wurde. Er war so gut zu mir und so lieb. Aber ich sah ihn einfach als eine Art besten Freund. Und es schmeichelte mir sehr, wie er sich mit mir fühlte, aber ich glaubte nicht, dass ich je genauso empfinden könnte. Vielleicht, wenn ich mich drauf einließe und dem Ganzen eine Chance geben würde. Aber im schlimmsten Fall würden wir im Streit auseinandergehen und ich würde meinen besten Freund verlieren. Und ob dieses neu entdeckte emotionale Verständnis von mir da so sinnvoll wäre, war mir ein Rätsel.

[kiri ist ein faszinierendes wesen, aber ich kann mich wirklich nicht so ganz in sie reinversetzen, deswegen kommen kaum kapitel aus ihrer sicht. aber LeoLeLord hat vielleicht vor, eine eigene story über sie zu schreiben, die irgendwo in dieser FF beginnt und sich dann anders entwickelt (vermutlich) xxx]

Ao'nung x Neteyam Slow BurnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt