Five

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Eddie schilderte uns die Situation. Hätte ich selbst nicht solche Visionen gehabt, dann hätte ich ihn wahrscheinlich als verrückt abgestempelt.

Fliegende Personen, blutige Augen und alle erdenklichen Knochenbrüche. Das alles hörte sich für einen außenstehenden ziemlich verrückt an. Wie eine nicht durchdachte Ausrede.

Ich sah in den Gesichtern der Anderen, doch sie waren alle so unberührt – verstört und gleichzeitig fasziniert von der Geschichte.

»Ihr haltet mich für verrückt«, sagte Eddie und da war er nicht ganz im Unrecht. Ich fand es verrückt. So ziemlich verrückt.

Doch ich sagte nichts. Ich blieb still in der Ecke stehen, die Arme verschränkt vor meiner Brust und versuchte mein Bestes, um keinen zu zeigen, wie viel Angst ich eigentlich hatte.

Ich hatte Angst um Eddie, ich hatte Angst, mit dem, was mit mir geschah und ich hatte Angst vor dem, was es war.

Meine Angst und Sorgen schien sich auf die Anderen ausgewirkt zu haben.

Max drehte an ihren kleinen Finger, Robins Atem ging schneller, Steves Haltung versteifte sich und Dustin sprach schneller als sonst.

Sie merkten meine Sorge und trotzdem wussten sie nicht, dass meine Sorge nicht der Geschichte von Eddie galt, sondern ihnen.

»Wir glauben dir«, besänftigte Robin ihn.

Sie glaubten ihn.

Das war der Grund für meine Sorge. Jeder normale Mensch hätte darüber gelacht und schon den nächstbesten Psychiater gesucht, doch sie blieben still sitzen und lauschten dem, was er sagte.

Ihre Miene änderte sich nicht. Da war kein nervöses Schmunzeln, was man hatte, sobald man jemanden beim Lügen erwischte oder das räuspern, um nicht gleicht laut loszulachen.

Nein, die vier waren anders. Sie waren still, hörten ihn zu und sahen so aus, als würden sie über etwas nachdenken.

Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich aus ihren Verhalten heraus erschließen, dass sie so etwas schon öfter, als nur einmal begegnet waren.

Und das, was Dustin danach sagte, bestätigte meine Vermutung.

»Pass auf, was ich dir gleich sage, ist vielleicht etwas schwer zu begreifen«, er sprach so, als wüsste gar nicht, dass ich überhaupt im Raum wäre.

Sollte ich das wirklich mithören? Wollte ich es mithören? War das, was er sagte, auch für meine Ohren bestimmt gewesen?

»Du weißt ja, dass man sagt, Hawkins sei … «, Dustin sucht nach einem Wort, das alles hier richtig zu beschreiben. Wenn es hierfür überhaupt ein richtiges Wort gab.

Hawkins sei von Teufeln befallen.
Hawkins sei der Vorort der Hölle.

Alles Gerüchte, was man aus dem Radio und Fernsehen zu hören bekam.

» … Verflucht?«, beendete er sein Satz. »Damit liegen sie nicht so falsch.«

Ich war die einzige, die sich rührte als er das sagte. Meine Muskulatur verspannte sich und mit einem Mal war ich ganz Ohr. Eddie war noch immer zu geschockt, um irgendeine Emotion zu zeigen. Sein Zittern hatte noch immer nicht nachgelassen.

»Es gibt eine andere Welt. Eine andere Welt unter Hawkins«, erklärte er ruhig. »Und manchmal dringt sie in unserer ein.«

»Sowas wie Geister?« Selbst die Stimme von Ed zitterte noch. Auch sein Körper ließ nicht still. Er wippte mit seinem Bein und spielte mit der zerbrochenen Flasche in seiner Hand.

»Es gibt Dinge, die sind schlimmer, als Geister«, sagte Max.

Ihre Stimme war anders, als die der anderen. Max wirkte so, als wäre sie nur körperlich anwesend, doch in ihren Gedanken woanders. Sie war anders, als die Max, die ich damals kannte. Jegliches Leben hatte ihre Stimme verlassen.

»Was ist schlimmer, als ein Geist?«, fragte ich vorsichtig.

Waren es Visionen? Ein Mann in Weiß gekleidet? Eine Welt aus Glas, in der du gefangen bist?

»Monster«, antwortete Steve.

Monster?

Für einen kurzen Moment dachte ich wirklich, dass das ein Scherz sein sollte. Monster waren nicht echt. Vielleicht war es ja auch alles einfach nur ein Traum.

Aber dann fielen mir die Visionen ein. Die Kälte, die vom Glas ausging. Das knacken, sobald das Glas zerbricht. Das Atmen des Mannes, was ich so klar und deutlich hören konnte, als hätte er neben mir gestanden.

Das war hier, war echt und kein Traum. Und wenn doch, dann bitte erlöse mich von diesem Alptraum.

»Diese Monster aus der anderen Welt … wir dachten, sie wären verschwunden«, die Stimme von Dustin, hatte jetzt keinen beruhigenden Ton mehr gehabt. Seine Stimme brach zum Ende hin, als würde das alles zu viel Kraft von ihm nehmen. »Doch sie kamen schon einmal zurück. Daher mussten wir dich finden.«

»Wenn diese Monster zurück sind, müssen wir es wissen.«

Sie mussten es wissen? Hatten sie also doch etwas hiermit zu tun?

Aber sie waren doch noch Kinder. Ich war doch kein Stück älter als Robin oder Steve gewesen! Selbst, wenn sie jetzt zwanzig waren, hieß es noch lange nicht, dass sie einen auf Ghostbusters tun mussten.

Das war geisteskrank.

Wenn das überhaupt das richtige Wort dafür war. Ich glaub’, ›Geisteskrank‹ war dafür noch eine liebevolle Beschreibung gewesen.

»Sahst du in jener Nacht etwas?«, fragte Robin.

»Dunkle Partikel vielleicht?«, ergänzte Max.

Nun hatte sich meine Vermutung mehr bestätigt. Sie besaßen Einzelheiten. Dinge, die man sich nicht spontan und in einem solchen Zustand überlegen konnte.

Doch Eddie schüttelte den Kopf. »Nein … denke ich«, meinte er.

»Bist du dir sicher? Es sieht aus, wie Staub. Dunkler, wirbelnder Staub«, erklärte Dustin noch genauer, doch Eddie verneinte es. »Nein, Mann, da war nichts. Ich konnte nichts sehen … oder berühren«, waren seine Worte.

Jedoch schien Steve diese Antwort zu genügen, denn er sah endlich vom Boden auf, in den er schon Löcher hineinstarrte, und blickte zu Eddie, als hätte er ihm gerade etwas Licht im Dunkeln gegeben.

Er drehte sich zu mir. Warum wusste ich nicht. Doch in dem kurzen Augenblick, in dem ich in seinen Augen sah, meine ich etwas gesehen zu haben. Etwas, was ich weder deuten noch verstehen konnte.

»Ich wollte sich wecken«, erzählte Eddie weiter und hinderte mich somit, weitere Gedanken um Steve zu machen. »… Aber sie konnte sich nicht bewegen. Es war, als wäre sie in eine Trance oder so.«

»Oder verzaubert«, warf Dustin ein.

»Ein Fluch.«

»Vecnas Fluch

Ich hatte keine Ahnung, worüber die beiden sprachen. Wer war Vecna und was hatte er mit einem Fluch zu tun?

Mir schien es jedoch nicht als einzige so zu gehen. Den Gesichtern von Steve und Robin zierte jeweils eine Falte zwischen den Augenbrauen. Sie verstanden genauso wenig, wie ich und trotzdem mehr.

»Wer ist Vecna?«, fragte Steve.

»Ein untotes Wesen von großer Macht«, sagte Dustin

»Ein Hexer«, ergänzte Eddie.

»Ein dunkler Zauberer.«

Alle anderen schienen direkt zu verstehen, worauf Dustin und Ed hinaus wollten, doch ich blieb mit tausenden von Fragen in meinen Kopf zurück und traute mich keine einzige davon zu stellen.

𝔏𝔬𝔰𝔱 𝔦𝔫 𝔱𝔥𝔢 𝔡𝔞𝔯𝔨𝔫𝔢𝔰𝔰 𝔬𝔣 𝔬𝔲𝔯 𝔪𝔦𝔫𝔡𝔰 || Stranger ThingsWhere stories live. Discover now