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Grinsend stehe ich vor dem Badezimmerspiegel. Meine Wangen glühen und mein Bauch kribbelt wie verrückt. Die Theorie mit den Schmetterlingen ist mir immer zu kitschig gewesen. Aber jetzt, da mein Gehirn praktisch aus Zuckerwatte besteht, war es mir egal, ob in meinen Gedärmen Insekten, die früher mal widerwärtige Würmer waren, oder winzig kleine Elefanten, rumhopsten. Denn Joe hatte mich geküsst, und bei Gott, es ist ein wunderschöner Kuss gewesen. Meine Lippen kribbelten immer noch und ich hoffe, dieses Gefühl geht nie wieder weg.

Während ich strahlend vor dem Waschbecken stehe, schleichen sich leider auch andere Gedanken in meinen Kopf. Joe und ich haben uns gerade zwei mal richtig getroffen und schon liege ich knutschend mit ihm auf dem Boden. Ist das nicht viel zu früh? Denkt er wohl anders darüber? Oder denkt er gar, ich bin billig? Und ganz nebenbei, wo ist eigentlich Milza? Ich hab ihn schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen.

Auch wenn meine Gute Laune noch nicht ganz weg ist, hat sie einen ordentlichen Dämpfer bekommen. Aber hier unten zu stehen und Trübsal zu blasen, bringt mich auch nicht weiter. Also denke ich mir, dass es am besten ist, wenn ich wieder hoch gehe.

Joe liegt immer noch auf dem Boden, alle Viere von sich gestreckt. Als er mich sieht, hebt er nur den Kopf und lächelt mich an.

"Alles in Ordnung?", fragt er besorgt, als meine gekräuselte Stirn sieht.

Ich beschließe, mit dem einfachsten Thema zu beginnen.

"Ich hab Milza aus den Augen verloren, weißt du, wo er ist?".

Er scheint erleichtert zu sein, offenbar hatte er einen anderen Grund für meinen Stimmungsumschwung erwartet oder gar befürchtet.

"Den finden wir schon wieder, so groß ist die Wohnung ja auch wieder nicht", erwidert er zuversichtlich. Dann beginnen wir, nach meinem kleinen, meist grünen Reptil zu suchen.

Und tatsächlich, nur ein Paar Minuten später finden wir ihn. Er hing am Wasserhahn in der Küche und fängt geduldig jeden Tropfen mit der Zunge auf, der herunterfällt. Joe findet das urkomisch und ich kichere ein bisschen mit ihm. Obwohl ich erleichtert bin, mein Chamäleon wieder zu haben, bin ich immer noch nicht bei der Sache.

Ich überlege, wie ich zu dem anderen Thema überleiten kann, aber Joe kommt mir zuvor.

"Du fragst dich, ob es zu früh war", er sagte es voller Verständnis, was mich mehr überrascht, als es sollte.

"Nein. Ja. Ich, nun... Ich bereue es zumindest nicht. Aber wir haben uns bis jetzt gerade zwei mal getroffen..."

"Drei mal", verbesserte er mich. "Du hast meine Kamera mitgehen lassen."

Ich lachte auf. "Ja, und du meine!" Er winkte theatralisch ab, musste dann aber auch lachen.

"Nein, ich versteh schon was du meinst", Joe führte mich zum Sofa. Milza ließen wir fürs erste hängen. Er hatte Durst und normalerweise folgte er mir sowieso wie ein langsamer, winziger Schatten.

Nachdem wir uns gesetzt hatten, begann er zu reden.

"Ich weiß nicht, ob du' s weißt, aber ich bin jetzt schon eine ganze Weile Single. Das hat mir auch nie wirklich viel ausgemacht, Youtube war zeitaufwendig genug, aber mir ist aufgefallen, immer wenn es mit einem Mädchen ernster wurde, hab ich mich zu sehr reingehangen. Ich versuche, nur mit Mädchen etwas anzufangen, die mir wirklich etwas bedeuten und mit denen es wirklich klappen könnte... Aber... in letzter Zeit, seit Youtube richtig gut läuft, habe ich das Gefühl, dass jede, mit der ich was anfange, sich in den Typen hinter der Kamera verliebt, oder sogar nur hinter dem Geld und der Aufmerksamkeit her ist."

Er lachte kurz auf.

"Kann ja auch sein, das ich jetzt durchdrehe. Und... Ach ich weiß auch nicht. Du wusstest ja noch nicht mal richtig, was Youtube überhaupt ist." Er lacht wieder und ich schaue ihn kurz empört an.

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