Nebel

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Es ist früh am Morgen und noch dunkel vor der Tür. Ich schnappe mir meine Tasche, die mir viel zu schwer vorkommt, und trete aus der Haustür. Der Schlüssel klimpert, als ich abschließe. Schnell stecke ich mir den Schlüssel in die Jackentasche, damit ich ihn nicht verliere.
Die Tür ist zu, ich habe mein sicheres Haus verlassen. Und für den Rest des Tages gibt es nur eine Richtung - vorwärts.

Doch als ich nun zur Straße blicke, merke ich, dass ich kaum etwas sehe. Das liegt nicht nur an der Dunkelheit, sondern vor allem am Nebel, der dafür sorgt, dass ich das kleine Törchen, das mein Grundstück von der Außenwelt trennt, gerade so erkennen kann.

Ein Frösteln durchfährt meinen Körper, denn ich finde Nebel gruselig. Woher soll man wissen, das dort, hinter dieser Wand, auf einen wartet? Woher soll man wissen, ob nicht irgendetwas dort steht und lauert, um dein Leben komplett zu ändern? Mit Glück ist es eine positive Änderung, mit Pech jedoch ...

Ich atme durch und mache einen Schritt nach vorne. Und mit diesem einen Schritt beginne ich, einen Schritt weiter zu sehen.

Nachdem ich einige Meter hinter mich gebracht und mit einer Art Autopilot laufe, der sich automatisch einstellt, wenn man seit Jahren denselben Weg nimmt, kommen die Gedanken. Die Gedanken, die der Nebel mir bringt.

Denn eigentlich ist dieses Wetter die perfekte Bezeichnung für die Zukunft.
Als ich eben das Haus verließ, wusste ich nicht, was vor mir liegt. Dadurch, dass ich den Weg kenne, kann ich es ungefähr erahnen. Aber was ist, wenn sich auf dem Weg eine Baustelle befindet, die gestern noch nicht da war? Ich könnte sie nicht sehen. So lange, bis ich vor ihr stehen und ich mich mit ihr auseinandersetzen muss.
Menschen versuchen, ihren Weg, ihre Zukunft, zu planen. Doch das geht nur bedingt, so lange, bis irgendetwas Unvorhergesehenes geschieht. Etwas, das man nicht voraussehen kann, so sehr man sich auch anstrengt.

Ironischerweise bleibt mein Kopf an dem Gedanken mit der Baustelle hängen. Ich nehme mein Handy aus der Tasche und leuchte voraus.
Doch genau wie das Licht der Autos, die an mir vorbeifahren, bringt auch meine Taschenlampe nicht viel Licht ins Dunkel. Das Licht wird einfach nur zurückgeworfen, reflektiert.
Ist es gut wenn wir versuchen, unser Leben durchzuplanen? Macht es Sinn, bereits an der Haustür den Weg vor Augen zu haben? Vermutlich. Zumindest ein wenig. Doch da ist dieser Nebel, der so viele Überraschungen bietet.
Und macht es das Leben nicht schlimmer, wenn man einen genauen Plan hat, wie es aussehen soll? Es schlussendlich aber nicht so aussieht wie gedacht ...

... Oder wird das Licht vom Nebel gar nicht reflektiert, sondern tatsächlich weiter durchdrungen?
Kann man mit dem Vorhaben, seine Zukunft zu planen, wirklich etwas an ihr verändern? Und wenn man es kann, tut man es dann auch?
Oder sind wir einfach nur dem schutzlos ausgeliefert, was der Nebel für uns bereithält?
Vermutlich muss das jeder für sich selbst entscheiden.

Ich meine, Dinge in dem Nebel erkennen zu können. Dinge, die auf meinem Weg auf mich warten.
Doch was, wenn sich der vermeintliche Baum auf der anderen Seite als nichts anderes als eine weitere Täuschung herausstellt und sich in Wahrheit etwas anderes dahinter verbirgt?
Vielleicht sind die Scheinwerfer gar nicht von einem Porsche, der mich mitnimmt. Sondern von einem alten klapprigen Auto, das fast auseinanderfällt und mich überfährt. Ich weiß es nicht.
Wie auch immer, beschließe ich, ich werde das beste daraus machen.

Denn irgendwann, vielleicht schon früher als erwartet, werde ich mein Ziel erreichen.

Ich laufe weiter. Und erschließe mir immer ein weiteres Stück meines Weges.

NoëmaWhere stories live. Discover now