1 - erster Kontakt

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Gab es etwas Schlimmeres als verliebt zu sein? Hieß es nicht, es gab nichts Schöneres als die Liebe? Aber das ist definitiv die größte Lüge, die man mir jemals aufgetischte. Seit genau zwei Jahren war ich unsterblich in Cedric Jason Ashworth verliebt. Nein, ich rede hier nicht von einer Schwärmerei für einen Superstar, obwohl es dem ganzen ziemlich nahe kam, zumindest in den Augen meiner besten Freundin Anna. Cedric war mein Superstar unter den Springreitern. Er war für mich etwas, was für andere Harry Styles war. Mit seinem Pony war er vor ein paar Jahren Europameister, deutscher Meister und Landesmeister, auch mit dem Großpferd schloss er an diesen Erfolg an, etliche Siege in Springen der schweren Klasse und weitere Meistertitel folgten. Zu dem schien er wirklich nett zu sein, egal wer in seiner nähe war, jeder strahlte. Sein Lachen war mit Abstand das schönste, denn wenn er lachte, dann bildeten sich kleine Lachfältchen um seinen Whiskey farbenen Augen, die dann noch kleiner wurden, als sie ohnehin schon waren. Seine Haarlänge war gerade perfekt geschnitten, nicht zu kurz und nicht zu lang, von seiner wohlgeformten Nasen und Lippenpartie, fing ich besser erst gar nicht an zu erzählen.

Der einzige Harken an der ganzen Sache war, dass er nicht wusste, dass ich existierte. Dafür hatte ich seinen kleinen fünfjährigen Bruder an meiner Seite. Die Eltern der beiden besaßen einen großen Turnierstall, in dem Anna ihre Pferde untergestellt hatte. Ich durfte Prinz reiten, Cedrics ehemaliges Erfolgspony. Moritz Ashworth, der zweite Sohn der Familie Ashworth, hatte mich, eines schönen Sommertages dazu auserkoren, ihn zu trainieren. Auch wenn ich nie dahinter gekommen war, weshalb er gerade mit mir seine Zeit verbringen würde. Wenn es mich aber näher zu Cedric brachte, sollte es mir nur recht sein.

Doch mein Plan, so mich Cedric zu nähern, ging gründlich in die Hose. Jetzt machte ich das schon mehr als zwei Monate und hatte noch immer kein einziges Wort mit Cedric gesprochen. Anna hatte mich deshalb sowieso schon belächelt. Stattdessen ging nun jeden zweiten Tag mit dem kleinen Moritz und seinem Shetlandpony Amy durch die Landschaft spazieren.

„Können wir endlich traben.", jammerte er. Wir waren gerade wieder auf einem unserer Trainingsritte, das erzählte Moritz stolz, wenn wir von unserem Spaziergang zurückkehrten. Ich dagegen sah das ganze als persönliches Sportprogramm, denn kaum waren wir auf einem Weg, der zum traben oder galoppieren geeignet war, wollte Moritz auch nur noch traben und galoppieren.

„Wenn dir dort vorne um die Ecke gebogen sind, dann traben wir, das weißt du doch.", erklärte ich ihm ruhig. Moritz gehörte zu der Sorte Kind, die alles bekam was er wollte. Was nicht zuletzt daran lag, dass er teneriffameerblaue Augen hatte und dazu dunkelbraune Löckchen. Er wusste auch genau, wie er seine Augen einsetzen musste, damit er alle um den Finger wickeln konnte.

„Aber ich mag jetzt traben.", jammerte er weiter. Da wir dieses Gespräch jeden zweiten Tag an der gleichen Stelle führte, beschloss ich, ihm diesmal nicht mehr zu antworten. Zu meinem Glück war Amy mehr auf mich als auf ihn fixiert. So ignorierte sie, wie so oft, seine treibenden Hilfen.

Kaum waren wir um die Ecke auf den Feldweg gebogen, joggte ich los und Amy trabte brav an. Immer wieder drehte ich mich zu Moritz, um zu sehen, ob alles gut war. Für sein Alter machte er das ganze auch schon echt gut. Daheim auf dem Platz ritt er ab und zu auch schon alleine, aber im Gelände musste ich ihn noch führen, da Amy sonst nur da stehen und grasen würde.

„Kurze Pause, dann galoppieren wir.", keuchte ich am Ende des Weges. So ganz hatte mir das Konditionstraining noch nicht geholfen. Ich schnaufte weiterhin am Ende des Weges. „Brave Amy.", lobte Moritz sein Pony. „Amy und ich sind ausgeruht, es kann weiter gehen.", erklärte er mir, nachdem wir etwa fünf Meter Schritt gegangen waren. Ich ging noch weitere fünf Meter Schritt, dann ließ ich Amy erneut antraben. Moritz schnalzte ein bisschen und schon war Amy im Galopp. Sehr zu Moritz leiden mussten wir durchparieren, da uns jemand auf einem Pferd entgegen kam.

„Wieder fleißig ab trainieren?", begrüßte uns Frau Ashworth. Strahlend nickte Moritz. „Hast du gesehen, wie ich galoppiert bin?" Wenn es nach Moritz ginge, würden wir draußen nur galoppieren. „Ja, das hast du sehr gut gemacht.", lobte sie ihn. Frau Ashworth war eine unglaubliche Frau, die es stets Verstand mit den Leuten umzugehen, ohne Geschrei und immer sachlich, dabei gab sie einem immer das Gefühl, man könnte ihr alles anvertrauen. Von ihr hatte Moritz seine blauen Augen geerbt. Außerdem war sie eine begnadete Reiterin, wie alle aus der Familie Ashworth. Moritz würde bestimmt auch mal so erfolgreich werden wie Cedric. Wenn es so weit war, konnte ich damit angeben, dass ich die Basis dafür gelegt hatte.

„Reitet ihr mit mir zurück?", fragte sie freundlich. „Jaaaa, Mama, darf ich frei reiten?" Er setzte seinen Hundeblick auf, den er so gut konnte. „Also gut mein Schatz, aber Nala läuft weiterhin neben dir." Sie konnte ihrem Sohn einfach nichts ausschlagen. Ich löste den Strick aus dem Gebiss, es dauerte keine zwei Minuten, da hatte Amy ihren Kopf schon ins Gras gesteckt. „Schnalz mal.", sagte ich zu ihm. Er schnalzte und klopfte fest mit den Beinen gegen das Sattelblatt. Ausnahmsweise reagierte Amy richtig gut darauf und trabte gleich los. „Brrrr.", rief er etwas erschrocken. Sofort rannte ich ihm hinterher. „Festhalten Moritz.", rief seine Mutter ein bisschen belustigt. Sie musste ja auch nicht dem blöden Pony hinterherrennen. Da das Pony aber ziemlich faul war, rannte es nicht weit, es machte einen Vollstopp und Moritz rutschte gerade aus weiter über ihren Hals.

„Du kannst doch später auf der Koppel wieder grasen.", schimpfte er, doch er stand gleich wieder auf. In seinem Alter hätte ich mir die Augen ausgeheult, wenn ich herunter gefallen wäre, aber Moritz würde das nicht einfallen, der schimpfte dann nur mit seinem Pony. Es war ihm schon das ein oder andere mal auf dem Platz passiert, als Amy einen einsamen Grashalm entdeckte.

Lächelnd kam seine Mutter zu uns, „es ist wohl doch besser, wenn Nala dich wieder führt." Wahrscheinlich hatte sie so etwas geahnt. Ich harkte den Strick wieder ein, damit Amy brav mitlief. Frau Ashworth unterhielt sich mit Moritz, währenddessen flogen meine Gedanken zu Cedric, ich träumte vor mich hin, wie es gewesen wäre, wenn wir ihn, anstelle seiner Mutter, getroffen hätten. Er hätte aus heitrem Himmel erkannt, dass ich die Einzige für ihn bin. Wie im Märchen eben.

„Nala? Hörst du uns zu?", fragte Frau Ashworth. Moritz stupste mich an. „Oh, Entschuldigung! Ich war mit meinen Gedanken woanders." Wie peinlich.

„Hast du etwa wieder von Cedric geträumt." Ein freches grinsen umspielte ihre Lippen. Woher wusste sie davon? War es so auffällig? Oder hatte Anna mal wieder ihren Mund nicht halten können? Womöglich wussten noch mehr davon, was wäre wenn Cedric mich doch wahrgenommen hatte, mich nur ignorierte, da ihm jemand gesteckt hatte, wie verliebt ich in ihn war und ich definitiv nicht sein Typ war. „Ich... Äh ... Nein..", stotterte ich unsicher.

„Keine Sorge, dein Geheimnis ist bei uns sicher, stimmt doch Moritz, oder?" Ich war mir sicher, irgendwann würde Moritz dieses Geheimnis gegen mich verwenden, er war zwar klein, aber für sein Alter schon ganz schön gerissen und unberechenbar.

„Äh ... ja ... das ist nett." Hoffentlich waren wir bald Zuhause. Es war irgendwie ein komisches Gefühl, dass die beiden davon wussten, außerdem hatte ich nicht vor dieses Thema zu vertiefen.

„Mama, warum träumt Nala von Cedric? Und wieso kann sie Träumen, obwohl sie nicht schläft?" Der Junge stellte eindeutig zu viele Fragen. „Das musst du sie schon selbst fragen, mein Schatz." Sanft sprach sie auf ihn ein. „Das erkläre ich dir ein andermal.", presste ich schnell mit hochrotem Kopf hervor. Zum Glück zeichnete sich vor uns nun schon der große Stall vor uns ab.

„Ich will das aber jetzt wissen." Warum musste dieses Kind so nerven. Ich mochte ihn ja wirklich gerne, aber manchmal gingen mir seine ewigen Fragereien auf die Nerven. „Du musst akzeptieren, was sie sagt, sonst wird sie es dir nie erzählen." Ein Hoch auf Frau Ashworths Weisheit. Mit einem Kopfnicken unterstreichet ich ihre Worte.

Kurze Zeit später waren wir angekommen. Frau Ashworth übergab ihr Pferd einem der Pfleger und bat mich Amy fertig zu machen, da es Zeit war für Moritz ins Bett zu gehen. Im Stall war es schon ziemlich ruhig. Da die meisten Einsteller Jugendliche waren, die noch zur Schule gingen oder studierten, kamen sie entweder vormittags, oder gleich nach der Schule. Ich war gern ein bisschen später im Stall, gerade im Sommer, da hatte ich abends meine Ruhe und konnte ungestört vor mich hinträumen. Der große Nachteil daran war, dass ich Cedric deshalb manchmal tagelang nicht sah. Aber ich versuchte das Positive darin zu sehen, denn so bekam ich wenigstens nicht mit, wenn er mit anderen flirtete.

Verliebt in einen SpringreiterWhere stories live. Discover now