9

2.2K 156 5
                                    

Margaret


Die Sonne stand schon hoch, als ich aufwachte. Zuerst wunderte ich mich, dass mich niemand geweckt hatte, um mir endlose Regeln Protokoll aufzuzwängen, doch dann verlief der letzte Tag einmal in meinem Kopf Revue.

Meine Finger schnellten zu meinem Hals und ich spürte den kleinen Holzanhänger der Kette. Ich hatte gestern Abend nicht widerstehen können sie anzuprobieren, doch sollte ich sie nun nicht länger tragen.

Wer weiß was für eine Bedeutung die Wörter hatten, vielleicht waren sie eine geheime Parole von Katholiken oder schlimmeres.


Katholiken...


Wer war dieser Mann, der mir das Gefühl gab ihn schon ewig zu kennen, obwohl das Einzige was ich wusste sein Name und seine Konfession war. Er verschwand nicht mehr aus meinem Kopf, sogar im Traum hatte er mich heute Nacht verfolgt. Ich sollte wohl Gelegenheit ergreifen und mehr über ihn erfahren...


Es war ein warmer Tag und so entschied ich mich für ein einfaches Leinengewand. Meine Haare ließ ich offen und sie fielen mir gewellt über die Schulter bis kurz unter die Brust.


Ich tippelte die Treppe hinunter in den Speiseraum und wurde dort schon sehnlichst von meinem Vater und unseren beiden Flüchtlingen erwartet.


"Guten Morgen Vater. Guten Morgen Mary. Guten Morgen Raphael..."

Bei Raphaels Namen brach meine Stimme weg. Sofort setzte ich mein Engelslachen gegenüber auf. Mir war es äußerst peinlich so oft an ihren Mann denken zu müssen, doch von ihr kam nur ein Giftblick zurück, der sagte, dass sie mich töten würde, wenn sie es könnte.


Aber warum? Warum konnte sie mich nicht leiden? Ich hatte ihr nichts getan und das mit Raphael waren nur schmachtende Blicke von meiner Seite.


Von den beiden Männern kam ein gutgelauntes "Guten Morgen" zurück und wir setzten uns zu Tisch.

Raphael und mein Vater waren sogleich in ein Gespräch vertieft und ab und zu versuchte Vater Mary mit einzubinden, erhielt allerdings nur knappe Gesten, wie ein flüchtiges Nicken oder Kopfschütteln.

"War übrigens eine gelungene Feier gestern Margaret, ich hoffe du verzeihst uns die Unterbrechung. Das war wirklich unhöflich von uns.", Raphael sprach förmlich und gewählt.

Als er meine Verlobung erwähnte musste ich jedoch schlucken, seit heute morgen hatte ich es geschafft sie erfolgreich aus meinen Gedanken zu verdrängen.

"Ich... ähm...ja das...nun. Wovon redest du bitte?", was redete ich nur für einen Unsinn zusammen und das obwohl ich sogar das Latinum ausgesprochen gut beherrschte, trotzdem brachte ich in diesem Moment keinen vernünftigen Satz zustande.

"Achso ehm... ich glaube, das hat außer uns niemand bemerkt.", mein Vater zwinkerte mir zu. Was wäre ich nur ohne meinen Vater?

"So Margaret ich werde heute mit Mary einige Dinge zu besprechen haben. Was hältst du davon, wenn du Raphael mal den schönen See zeigst und ihr euch Herodot genauer anschaut?", nun brachte er mich zum Stammeln.

"Ich halte das für eine großartige Idee Richard. Findest du nicht auch Margaret? Ich für meinen Teil liebe Herodot und seine Sprache."

Raphael war schneller als ich im Antworten, wobei Reden eh nie meine größte Stärke war.

Ich konnte ihm nur schnell zunicken, was ihm offenbar genügte und er sich mit Inbrunst wieder dem Gespräch mit meinem Vater widmete.


Als ich vom Tisch aufstand um meine Historien des Herodot aus der Familienbibliothek zu holen, bemerkte ich erst nicht, dass Mary mir gefolgt war.

Erst als ich ihr hasserfülltes Zischen in den geschützten Wänden der Bibliothek vernahm, schreckte ich auf.

"Ich beobachte dich. Du falsches Miststück halt dich bloß von Raphael fern. Er liebt eh nur mich."


"Aber ich verstehe nicht..."


"Oh doch du verstehst sehr wohl. Glaubst du etwa ich sehe nicht wie du ihn anstarrst. Er ist mein Ehemann, damit das ein für allemal klar ist."


"Ich weiß wirklich überhaupt nicht was du meinst. Du siehst Gespenster, wo keine sind Mary.", ich versuchte es teils ihr einzureden, aber am meisten wohl mir selbst und ihr schien das keinesfalls zu entgehen. Dumm war sie nicht.


"Ich sehe dich und ich hab mehr Macht über sich als du dir vorstellen kannst. Halte dich also von ihm fern, wenn du nicht gewaltigen Ärger haben willst."


Somit drehte sie sich auf dem Absatz um und verschwand aus dem Raum.

Wahrscheinlich ging sie zu Raphael...

Und allein dieser Gedanke löste größeres Unbehagen in mir aus, als er eigentlich sollte.

GreensleevesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt