Wie schaffe ich es, dass mein Hauptcharakter nicht zu perfekt wird?

2 1 0
                                    

Das ist eine Frage, die mich bei jeder neuen Geschichte - egal ob Prosa-Arbeit oder FanFiktion - wieder beschäftigt, und auch eine Aufgabe, die mir immer wieder aufs Neue schwer fällt. Und eigentlich heißt diese Frage meiner Meinung nach nichts anderes, als: Wie mache ich den Charakter menschlich? Ich denke, die Meisten von euch wissen, dass ein Charakter sowohl Stärken, als auch Schwächen braucht, aber wie genau schafft man das? Ich selbst bin bei weitem kein Profi, was diese Frage angeht, besonders weil es (wie ich denke) auch keine einfache Antwort darauf gibt, aber ich habe mir mit der Zeit einige Ansätze und Ideen überlegt, die mir selbst immer wieder helfen, und vielleicht findet ja auch der ein oder andere von euch hier einen guten Lösungsansatz, weshalb ich das Ganze hier gerne mit euch teilen möchte.

Tipp 1: Erschaffe mehr als nur einen Charakter

Aus Erfahrung, sowohl als Leser als auch als Schreiber, weiß ich, dass viele Leute ihre Charaktere gerne so erschaffen, dass sie dem entsprechen, was sie selbst gerne wären. Oder man dichtet der Figur alle möglichen Eigenschaften an, die man selbst als positiv empfindet. Und davon dann natürlich auch sofort viel mehr, als nötig. Und warum auch nicht? Immerhin sind Geschichten teilweise auch dafür da, sich selbst ein wenig auszuleben. Nur leider haben die wenigsten Leute gerne Schwächen, und sehr schnell entsteht dann dieses Ungleichgewicht, bei dem der erfundene Charakter zu perfekt erscheint. Oder am Ende sogar widersprüchlich, weil sich die einzelnen Eigenschaften Gegenseitig ausschließen.

Der Charakter soll selbstbewusst sein? Intelligent? Bedacht? Ruhig? Mutig? Der perfekte Anführer? Kreativ? Und noch viel mehr? Ich persönlich kann das gut verstehen, aber ein solcher Charakter wäre einfach nur unwirklich. Kein Mensch ist so. Oder zumindest habe ich noch nie von einem gehört, geschweige denn jemals einen gesehen, und ich bin mir ziemlich sicher, dass es da keinem von euch anders geht. Und natürlich ist es unratsam, wirklich einen Charakter einzubauen, der all diese Eigenschaften besitzt, aber wieso machen wir nicht zwei Charaktere daraus, die sich gegenseitig vielleicht sogar ergänzen?

Charakter A ist selbstsicher und mutig, und vielleicht sogar ein wenig aufbrausend, will immer voran und steuert ununterbrochen neue Ideen bei, und B ist ruhig, ein wenig zurückhaltend, und bedacht. Wo Charakter A voran prescht, bleibt B stehen und ruft auch A zur Ordnung. Wo B sich nicht weiter traut, kann A unter die Arme greifen und eine helfende Hand reichen. Oder machen wir noch ein paar mehr Charaktere daraus. Wir haben schon A und B, aber was ist mit C? Dieser Charakter, der gefühlt einfach alles weiß, und dafür aber gesellschaftlich nichts wirklich kann? Und der kommunikative D, der C immer wieder daran erinnern muss, dass sie alle nur Menschen sind, und dass C sich doch bitte zusammenreißen und an seinem Umgang mit anderen Menschen arbeiten soll, fehlt auch noch, oder nicht?

Ich persönlich mag diese Methode, weil man damit viele Charaktere erschaffen kann, die aber erst im Team wirklich stark sind. Keiner dieser vier Leute würde es alleine wirklich weit bringen. Sie alle sind so erschaffen, dass sie auf die Hilfe der anderen angewiesen sind, und genau das macht sie - in meinen Augen - unvollkommen, nicht perfekt, und darum menschlich. Und genau so sollten Charaktere ja auch sein, oder nicht?

Tipp 2: Definiere Schwächen und Stärken neu / Erschaffe neue Situationen

Die Sache mit den Schwächen und Stärken. Sie machen deine Charaktere realistischer. Ich muss zugeben, mir selbst fiel das immer schwer, und das tut es auch immer noch. Es ist leicht, einem Charakter Schwächen und Stärken zu geben, aber man muss einen gewissen Ausgleich finden. Immer der beste in Sport zu sein ist nicht dadurch ausgeglichen, dass man kein Mathe kann. Ein Genie, das alles auf Anhieb weiß, wird nicht dadurch menschlicher, dass er/sie keinen Handstand kann. Wenn man eine Geschichte schreibt, in der lediglich die Stärken eines Charakters hervorgehoben werden, weil die Schwächen eigentlich keine Rolle spielen, dann ist es, als hätte der Charakter keine Schwächen. Denn wenn nicht darüber gesprochen wird und die Schwächen nie erwähnt werden, wie soll der Leser dann die Schwächen erkennen?

Tutorial für einen Guten CharakterWhere stories live. Discover now