Out of Character: Was ist zu beachten, damit ein Charakter nicht OOC wird?

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Beginnen wir erst einmal mit der Begriffserklärung. Die Kurzerklärung zu "Out of Character", kurz OOC, lautet: "Eine oder mehr Figuren aus der Serie benehmen sich untypisch." (siehe Glossar). Wenn also ein mürrischer und strenger Lehrer plötzlich anfängt, Süßigkeiten an seine Schüler zu verteilen und den Unterricht früher beendet, dann handelt er "untypisch" oder auch "Out of Character". Wäre er eine reale Person, würde man auch sagen "er verhält sich komisch". Und warum tut er das? Weil er sich anders verhält, als wir es von ihm gewohnt sind. Doch wie verhindere ich, dass mein Charakter "aus der Reihe tanzt"? Dazu werde ich erst einmal die Gründe erläutern, wie es überhaupt dazu kommt, dass ein Charakter OOC wird.

Also ich würde es nicht so machen, aber es ist deine Geschichte

Der häufigste Grund, warum ein Charakter OOC wird, ist, weil sich der Autor die Charaktere für seine Geschichte "zurechtbiegen" muss. Dies kann mal mehr und mal weniger auffällig sein. Wenn zum Beispiel der schüchterne, nerdige Junge, der immer nur rumgeschubst wird, plötzlich zum Schulschwarm wird und es den Mobbern mal so richtig zeigt, ist das eine ziemlich starke unerwartete Veränderung.

Ein häufiger Grund für dieses Verbiegen ist die Einführung eines Non-Canon-Pairings. Besonders wenn sich die Charaktere im Original eigentlich nicht leiden können, wird mindestens ein Charakter häufig OOC. Hierzu hat Augurey bereits ein .

Doch das ist natürlich nicht der einzige Grund. Der Autor will dem Charakter vielleicht einfach mehr Aufmerksamkeit schenken, oder (wie in unserem Beispiel vom schüchternen Nerd) auch mal als Held der Stunde präsentieren. Das ist prinzipiell nichts Schlechtes, doch das Problem dabei ist, dass die Glaubwürdigkeit verloren geht. Gerade Fanfictions werden wegen der Charaktere gelesen, die man auf weitere Abenteuer begleiten will - zumindest ist das für mich ein wichtiger Punkt. Wenn der Charakter jedoch plötzlich vollkommen anders handelt, verliert man schnell das Interesse. Doch wie verhindert man das nun?

Die Vergangenheit ist der Schlüssel zur Zukunft

Auch wenn man sich gerne in seine Geschichte stürzen will, darf man die Charaktere nicht vergessen. Der Vorteil an Fanfictions im Gegensatz zu freien Arbeiten ist, dass euch ein bestimmtes Verhalten von den Charakteren aus der Vorlage bereits vorgegeben wurde. Ihr müsst euch also den Charakter nicht komplett neu ausdenken, sondern könnt bereits mit dem arbeiten, was ihr habt. Und das ist ein größerer Vorteil, als ihr denkt. Wenn ihr eine Fanfiction zu einem Buch, Serie, Film oder was auch immer schreibt, dann kennt ihr die Vorlage wahrscheinlich ziemlich gut. Ihr wisst, wie die Charaktere früher gehandelt haben und dieses Wissen könnt ihr euch zunutze machen. Ein Charakter, der zum Beispiel Konflikte normalerweise mit Worten löst und versucht Gewalt zu vermeiden, wird wohl kaum eine Schlägerei anzetteln. Falls ihr euch unsicher seid, könnt ihr auch eine Art Charakterisierung durchführen. Schreibt die deutlichsten Eigenschaften und Charakterzüge auf, ihre Stärken und Schwächen und vor allem auch Informationen über ihre Vergangenheit. Je mehr ihr habt, desto besser. Je mehr ihr euch mit den Figuren beschäftigt, desto besser bekommt ihr ein Gefühl dafür.

Lass ihn das doch machen!

Aber wie könnt ihr eure Handlung fortführen, ohne euch die Charaktere zurechtbiegen zu müssen? Nun, ein Tipp habe ich mir von Ririchiyo aus ihrem Tutorial abgeschaut. Die ausführliche Version könnt ihr dort nachlesen, aber Tipp 1 besagt grob, man solle mehr als einen Hauptcharakter erschaffen, um vor allem die Stärken aufzuteilen. Dieser Trick lässt sich auch auf eine Fanfiction anwenden. Ich hatte eben kurz das Beispiel von einer Person genannt, die Konflikte normalerweise mit Worten löst und Gewalt lieber vermeidet. Nennen wir diesen Charakter Billy. Billy und seine Freunde stehen gerade einer Bande gegenüber und werden von ihnen provoziert. Billy wird alles daran setzen, um diesen Konflikt friedlich zu lösen. Der Autor dieser Geschichte will aber unbedingt eine Schlägerei haben, doch Billy lässt sich nicht so einfach aus der Ruhe bringen. Es wäre sehr untypisch für ihn, einfach zuzuschlagen. Anders als bei seinem Freund Adam. Adam lässt sich, im Gegensatz zu Billy, deutlich schneller aus der Ruhe bringen und hat sich schon das ein oder andere Mal irgendwo rausgeboxt. Wenn Adam jetzt wütend wird und zuschlägt, wäre das nicht komplett untypisch oder unlogisch. Eine andere Möglichkeit wäre, einen von der gegnerischen Bande zuerst zuschlagen zu lassen. An der Stelle würde dann auch Billy mit seiner Diplomatie nicht weiterkommen. Wenn eine Handlung also nicht zu der Person passt, überlegt einfach, wer die Aufgabe stattdessen übernehmen kann.

Ich bin so, weil...

Eine weitere Methode wäre eine Charakterentwicklung. Diese durchleben Charaktere in ihrer Vorlage immer und ihr führt das Ganze nur weiter. Dies ist allerdings eher eine Methode für erfahrene Autoren, aber auch als Anfänger kann man davon Teile anwenden.

Wenn ihr von eurem Plot unter keinen Umständen abweichen wollt, damit der schüchterne Junge zum Helden der Schule aufsteigt, dann könnt ihr das machen. Damit der Charakter dabei glaubwürdig bleibt, müsst ihr zwei entscheidende Dinge beachten.Erklärt warum euer Charakter jetzt so untypisch handelt. So eine Verwandlung geschieht nicht über Nacht. Gebt eurem Charakter Momente, um sich zu beweisen und nach und nach Selbstvertrauen aufzubauen, um dann schlussendlich mutig genug zu sein, sich seinen Mobbern zu stellen. Dann ist euer Charakter am Ende der Story vielleicht etwas "Out of Charakter" aber der Leser hat Verständnis und nicht das Gefühl, dass hier etwas gewaltig schiefläuft.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Macht deutlich warum euer Charakter tut, was er tut und begründet es nicht mit "der ist halt so". Aber bedenkt auch Folgendes: Ihr werdet es niemals hinkriegen, dass euer Charakter hundertprozentig "in character" ist. Meist wird euer eigener Schreibstil immer durchschimmern und das ist auch überhaupt nicht schlimm. Macht euch nicht zu sehr verrückt.

Doch auch kurzfristige, untypische Charakterhandlungen könnt ihr in eure Geschichten einbauen, solange ihr sie erklärt. Gehen wir nochmal zurück zu Billy und seinen Freunden, die der Schlägerbande gegenüberstehen. Wir hatten gesagt, dass Billy nicht der Typ für Schlägereien ist. Was ist jedoch, wenn Billy gerade etwas neben der Spur ist, weil zum Beispiel sein Vater von einem Unbekannten schwer verletzt wurde? Er hat die Nacht nicht geschlafen, hat Angst um seinen Vater, ist wütend auf den Angreifer und dann provoziert ihn diese Bande. Da kann jeder mal ausrasten, auch Billy.

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