Chapter 5: No recess

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"Passen, Nellio. Simon da hinten steht frei", wies der Trainer darauf hin.

Nellio hatte total das Gefühl dafür verloren, im Team zu spielen. Es war um weiten einfacher, im Sportunterricht zu spielen, als wie hier, mit allen geübten Basketballspielern. Hier wurde er ständig gebloggt, musste sein komplettes Umfeld im Blick haben. Um ehrlich zu sein, hatte er das Spielen nicht gar so ansträngend in Erinnerung.

Nellio dribbelte, versuchte sich frei zu spielen, doch ihm wurde der Ball abgenommen, bevor er passen konnte.

Der Coach pfiff das Spiel ab und es war fast so, als würde der Pfiff enttäuscht klingen.

"Wir machen Schluss für heute. Zieht euch um Jungs und Mädels", rief der Trainer.

Überwiegend schweißnass und total fertig gingen die Sportler in Richtung der Umkleiden.

"Nellio, Brown, könnt ihr noch schnell hierbleiben?", rief der Coach die beiden zu sich.

Nellio senkte den Kopf. Er war ganz und gar nicht zufrieden mit seiner Leistung. Es war schon ein bisschen peinlich, dass er das Spielen zwischen den geübten und trainierten Basketballspielern nicht gebacken bekam.

Nellio stellte sich neben Fionn vor den Trainer, dessen richtigen Namen er immer noch nicht wusste.
Ein gewisser, durchaus beabsichtigter, Abstand zwischen ihm und Fionn blieb bestehen. Es war eine einfache Sache des Komforts.

"Das Spiel nächste Woche ist wichtig und Nellio", er redete ihn direkt an. "du musst 120% geben können. Du bist wirklich gut, aber du brauchst etwas Zeit, um wieder rein zu kommen, Zeit die wir eigentlich nicht haben. Deswegen will ich, dass du mit Brown übst".

Nellio verschluckte sich an seiner eigenen Spucke. So war das aber nicht ausgemacht! Er? Üben mit Fionn? In seiner Freizeit? Es war ja schon genug diesen Heuchler in der Schule zu sehen, aber jetzt auch noch privat?

Nellio verspürte den kurzen, aber starken Drang sich von einem Hochhaus zu stürzen. Klassisch, aber dennoch dramatisch, passte zu ihm.

Mit einem Kopfschütteln erwachte er wieder aus seinen Gedanken. "Einspruch!", rief er aus, so dass es in der ganzen Halle ein Echo erzeugte. Er war selbst überrascht, wie laut es dann doch war.

"Ich bin mit der Zuteilung meines Üb-Partners unzufrieden", redete Nellio weiter, dieses Mal leiser. "Ich glaube tatsächlich, dass ich viel besser bei jemanden anderes aufgehoben wäre. Delia zum Beispiel. Ich glaube, sie könnte mir gut helfen".

"Fionn ist unser bester Spieler zurzeit und Team Kapitän".

Nellio verabscheute es wirklich, dass Fionn direkt hier stand und dieses, etwas übertriebene, Lob mithörte.

"Er wird dir am besten helfen können", hing der Coach an.

Etwas fassungslos schaute Nelio seinen Coach an, dann sah er zu Fionn, der einen neutralen Gesichtsausdruck aufgelegt hatte. Fionn merkte seinen Blick, sah zu ihm rüber, um Nellios auffordernden Blick zu sehen. Nellio ging selbstverständlich davon aus, dass Fionn auch keine Lust auf Zweisamkeit mit ihm hatte, doch dieser zuckte nur mit den Schultern.

"Also so begeistert bin ich jetzt auch nicht, aber solange wir das Spiel nächste Woche gewinnen", sagte er.

Vielleicht hatte er ja was intus. Nellio sah mit zusammengekniffenen Augen, in die von seines gegenüber, aber Fionns Pupillen schienen eine normale Größe zu haben. So eine Scheiße.

🚬...🏀

Am nächsten Tag schlenderte Nellio in Richtung der Turnhalle. Die Schule war schon zu Ende, er war bloß schnell nachhause gegangen, um etwas zum Mittag zu essen und seine Sportkleidung einzupacken.

Er betrat die Turnhalle und entdeckte als erstes Fionn, der gerade den Ball über das Spielfeld dribbelte und mit einem gekonnten Wurf im Korb versank.

"Du bist zu spät", sagte er neutral, ohne Nellio anzusehen und hob den Ball vom Boden wieder auf.

Nellio musterte ihn. Die lockere, kurze Hose und das schwarze T-Shirt. Die blonden Haare lagen, wie immer, so verwuschelt auf seinem Kopf, dass es schonwieder gewollt wirkte. Seine dunkelblauen Augen, so glänzend und tief, dass man darin versinken konnte. Es war schrecklich, wie gut Fionn aussah.

"Tut mir vielmals leid, euer Hoheit", sagte Nellio sarkastisch.

Fionn sah zu Nellio rüber, hob einer seiner perfekten Augenbrauen und meinte unbeeindruckt: "Geh dich umziehen".

Nellio deutete eine spöttische Verbeugung an und verschwand in den Umkleidekabinen.

In weniger als fünf Minuten stand Nellio in Sportklamotten und, mehr oder weniger, motiviert auf dem Hallenboden neben seinem ehemaligen besten Freund.

Fionn stellte sich genau vor ihn, mit viel zu wenig Abstand, formte die Augen zu Schlitzen und sah Nellio starr in die Augen. Fionn, der mit hoher Wahrscheinlichkeit den Verstand verloren hatte, beugte sich ein wenig vor. Nellio reagierte und beugte sich zurück.

"Was zur Hölle machst du da?", sagte Nellio mehr verwirrt als angepisst.

"Schauen, ob du high bist", antwortete Fionn konzentriert. Er hatte echt keine Ahnung, was das Thema Drogen anbelangte, so wie man unschwer erkennen konnte.

"Oh glaub mir, ich wünschte ich wäre jetzt high", kommentierte Nellio und empfand die Situation immer noch mehr als komisch.

Als Fionn immer noch nicht zurückweichen wollte, legte Nellio seine Hände auf die Schultern des sich gegenüber und schob ihn in eine, wieder aufrechte, Position.

"Ich bin quietsch nüchtern, Fio", sagte Nellio dabei und verpasste den Zeitpunkt, in den er seine Hände wieder von Fionns Schultern nehmen sollte. So blieben seine Hände auf den breiten Schultern des Blonden liegen, sie blieben beide so in ihrer Position stehen und sahen sich in die Augen.

Zum ersten Mal in der Zeit, die er heute schon mit Fionn verbrachte, wünschte er sich nicht zugedröhnt zu sein, denn high hätte er bestimmt die unglaubliche Schönheit dieser blauen Augen verpasst.

Blau, wie der tiefste Punkt des Meeres. Blau wie der Himmel kurz nach dem Sonnenuntergang. Blau wie kühle Regentropfen.
Es erschrak Nellio wie ekelhaft kitschig das alles klang.

Doch nicht nur Nellio starrte, auch Fionn tat es.

Nellio war der, der sich als erstes von diesem Anblick losreißen konnte. Er ließ seine Arme wieder sinken, ging einen Schritt zurück und sah schnell auf den Boden.
Das war ja mal richtig peinlich gewesen.

Auch Fionn riss sich danach schnell wieder zusammen und schüttelte den Kopf, als würde ihm das helfen seine Gedanken zu ordnen.

Der Blonde entschied sich dazu, das was gerade passiert war zu ignorieren und warf Nellio den Ball zu.

"Mach dich Mal warm", befahl er.

Nellio brauchte noch eine kurze Sekunde, um endgültig aus seiner Verwirrtheit zu finden.

Er fuhr sich durch die Haare, kramte sein Handy aus seiner Hosentasche und öffnete seine Nirvana playliste. Eine Musikbox hatte er schon am Anfang an den Rand der Halle gestellt und ließ jetzt seine Playliste durchlaufen. School von Nirvana war der erste Song.

"Du bist ja immer noch so ein Nirvana-Fangirl", stellte Fionn mit einem belustigtem, neckischen Ton fest.

Nellio sah Fionn an und ließ seinen Blick über seinen kompletten Körper schweifen, während er sagte: "Das war, im Gegensatz zu anderen Dingen, keine Phase". Ganz klare Anspielung auf ihre frühere Freundschaft und ein erneuter vorwurfsvoller Ton.

Fionn verdrehte die Augen und forderte Nellio dazu auf, ihm den Ball zuzupassen. Sie spielten ein wenig hin und her, manchmal wurde Nellios Haltung von Fionn korrigiert, was dem angesprochenen eigentlich gar nicht passte, aber nur mit einem Brummen quittiert wurde.

Sie kamen gut voran, übten alles Mögliche, auch wenn Nellio noch vieles konnte.
Korbwürfe übten sie zum Glück nicht. Noch nicht. Seit dem einen Korbwurf im Sportunterricht, den Nellio gemacht hatte, hatte er keinen mehr wieder gewagt. Er hatte immer noch Angst davor.

Come as you are (boyxboy)Where stories live. Discover now