Die süße Stupsnase

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Verunsichert sah ich ihn an und schwieg. Was sollte ich auch darauf antworten? Er seufzte und brachte wieder etwas Abstand zwischen uns.

"Aber ich verstehe, dass du um jemanden trauerst. Es braucht viel Zeit und Kraft, um jemanden gehen zu lassen und das schlimmste, das man einem Trauernden antun kann ist,  ihn unter Druck zu setzten."

Ich wurde hellhörig. Er verstand es? Er wusste wie ich mich gerade fühlte. Zum ersten Mal sagt mir jemand, dass er meine Lage versteht und er mich nicht unter Druck setzten wird. Ich lächelte ihm dankbar an. Ob mir dieser Mann tatsächlich gut tun wird?

"Gut. Ich bin nicht so galant in Themenwechsel aber ich versuch es mal. Also Serena, wie verbringst du deine Zeit, wenn du mal nicht in der Bäckerei arbeitest oder jungen, attraktiven Männern umhaust?"

Und da war es wieder. Seine selbstbewusste, aufreißerische Art und dieses verführerische Lächeln. Ich musste kichern. Dieser Mann konnte die Stimmung innerhalb von Sekunden ändern. Ob es an seinen Schauspielfähigkeiten liegt? Oder ist er vom Charakter so sprunghaft und aktiv?

"Meine Freizeit verbringen ich entweder damit neue Rezepte auszuprobieren und zu verfeinern oder ich Besuche Molly und Milly."

"Wer sind Molly und Milly?" Ryan runzelte die Stirn. Ich grinste und wies ihn an mir zu folgen. Wir verließen das Haus und liefen ein Feldweg entlang. Es war angenehm warm und die Sonne strahlte nur so auf uns herab. Nicht eine Wolke war am Himmel zu sehen. Ryan lief schweigend neben mir und betrachte die Landschaft.

"So etwas sieht man nicht oft in L.A. oder New York, hab ich recht?"

Ryan grinste und nickte. "Es ist so wunderschön und ruhig hier. Kein Wunder, dass du dir diesen Fleck der Welt für dein Zuhause ausgesucht hast."

"Vor Allem die Ruhe brachte mich hier her. Hier existiert keine Hektik, wie in den großen Metropolen. Hier kann man durchatmen."

Wir liefen weiter an den Feldern vorbei, bis wir zu einer Weide kamen. Von weitem sah ich Molly und Milly dort stehen. "Dort sind sie." Sagte ich und zeigte mit dem Finger auf die beiden. Ryan fing an zu lachen und ich grinste ihn stolz an.

"Was? Ich dachte Molly und Milly seien Freunde aus dem Dorf hier."

Nun lachte auch ich. "Das sind sie doch auch. Wer sagt, dass man nur menschliche Freunde haben kann?"

"Das stimmt zwar. Aber ich wäre nie im Leben darauf gekommen, dass es Kühe sein könnten!" Wir lachten beide und gingen zum Zaun der Weide. Molly und Milly kamen gleich angelaufen, um uns zu begrüßen. Sie ließen sich streicheln und genossen die Krauleinheiten hinter den Ohren.

"Wer ist wer?" Fragte Ryan interessiert.
"Molly ist die weiß-braune und Milly die weiß-schwarze. Sie gehören einem Bauer. Es sind seine letzten beiden Kühe. Seine Ernte Erträge werde immer schlechter und er kann die ganzen Kosten nicht mehr decken. Feli und ich vermuten, dass er zusätzlich viel Schulden bei der Mafia hat und deswegen seinen Bauernhof nicht mehr halten kann." Ich wurde traurig, wenn ich darüber nachdachte, was mit den beiden wohl passieren wird.

"Du denkst, dass er sie verkaufen oder schlachten wird, wenn er seinen Bauernhof aufgeben muss?"
Ich nickte traurig. 

Wir blieben noch eine Weile bei den beiden Milchkühen und verwöhnten sie. Keiner von uns machte Anstalten diese friedliche Atmosphäre zu zerstören. Erst als sich mein Magen meldete, entschieden wir zu gehen und im Dorf in einer kleinen Pizzeria essen zu gehen. Während des Spazierganges hatte ich bemerkt, dass Ryan immer darauf beharrte, dass ich immer meinen Arm in seinen hakte. Den ganzen Weg über machte ich mir Gedanken darüber und ignorierte Ryans amüsiertes Lächeln. Irgendwann kam ich auf die Idee, dass er das vielleicht tut, damit er mich zur Not stützen könnte, wenn ich ein weiteres Mal umknicken würde. Aber ich traute mich nicht, ihn zu fragen, die Nähe war auf eine seltsame Art und Weise unangenehm intim und dennoch so angenehm beruhigend. Mein Herz stolperte einige Male, wenn Ryan seinen Blick auf mich richtete, mich betrachtete, während ich in Gedanken versank und dann mit einem amüsierten Schnauben wieder nach vorne sah. 

An der Pizzeria angekommen, saßen wir uns draußen an einen Tisch. Mein Knöchel schmerzte von der Belastung und ich gab mir die größte Mühe, nicht das Gesicht vor Schmerzen zu verziehen. 

"Wenn die Schmerzen zu groß sind, kann ich den Kellner bitten und ein Beutel Eis zu geben oder ich bringe dich nach Hause und du kannst dich etwas ausruhen."

Ich sah ihm in die Augen und musste feststellen, dass sein Blick fest und voller Ernsthaftigkeit war. Wenn mich meine Menschenkenntnisse nicht täuschten, entdecke ich sogar sowas wie Sorge in seinem Blick. Er machte sich Sorgen. Er machte sich um MICH Sorgen. 

"Woher weißt du...?" Weiter kam ich nicht, denn prompt unterbrach er mich und lächelte etwas verschmitzt. 

" Wir mögen uns zwar noch nicht lange kennen aber du rümpfst jedes Mal deine niedliche Stupsnase, wenn du Schmerzen hast, es aber nicht zugeben willst. Auf dem Weg hier her, hast du das ebenfalls gemacht und an der Weide auch." 

Ich starrte ihn mit leicht offenem Mund an. Stalkt er meine Mimik!? Es ist schon fast gruselig, wie leicht er mich lesen konnte. Ich lief rot an und wandte meine Blick von ihm ab um auf die Karte zu sehen. 

"N..Nein...geht schon, danke." 

Wieder Schnaubte er amüsiert, starrte mich aber noch immer besorgt an. Ich konnte es über der Karte hinweg sehen. Unter diesem intensiven Blick wurde ich unruhig und ich rutschte etwas auf meinem Stuhl hin und her. Dabei schmerzte mein Knöchel wieder und dieses Mal bemerkte ich sogar, wie ich die Nase rümpfte. 

"Da! Siehst du, du hast Schmerzen." Merkte Ryan an. Ich stöhnte genervt auf. 

"Möchtest du mich die ganze Zeit beobachten und jedes mal ein Kommentar abgeben, sobald sich meine Mimik verändert oder möchtest du Pizza essen?" Ich war gereizt. Nicht, weil Ryan so nervtötend und rechthaberisch drauf war, obwohl dass auch dazu beitrug. Nein, ich war wütend auf mich selbst, weil ich einfach kein Pokerface besaß. 

"Schon gut, schon gut. Brauchst ja nicht gleich die Krallen ausfahren, kleine Naschkatze." Er hob kapitulierend die Hände, ehe er die Karte nahm und sie ausgiebig studierte. Er tat das mit so einer leidenschaftlichen Konzentration, dass ich nur die Augen verdrehte und lächelte. 

Der Kellner kam und nahm unsere Bestellung auf. Ich hatte schnell bemerkt, wenn es ums Essen ging, hatten Ryan und Ich den gleichen Geschmack. Deswegen wunderte es mich überhaupt nicht, dass nach kurzer Zeit zwei Margherita Pizzen vor uns auf den Tisch platziert wurden. 

Mein Magen rebellierte schon heftig und ich genoss das erste Stück der Pizza, dass in mein Mund landete so sehr, dass ich die Augen schloss. Erst als ich Ryan leise Lachen hörte öffnete ich sie wieder. 

"Waf?" Fragte ich ihn mit vollem Mund. Es war mir im Moment so egal, wie ich aussah, alles was ich wollte war Essen. 

"Mir ist zwar klar, dass du eine Genießerin bist aber nicht, dass du eine so leidenschaftliche Person bist."  Er sagte es mit einem, kaum hörbaren zweideutigen Unterton, sodass ich abermals die Augen verdrehte. Ich sagte nichts zu dieser Anmerkung und genoss einfach weiter meine Pizza. 

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⏰ Last updated: Oct 13, 2022 ⏰

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Signor Americano - Zeit heilt alle WundenWhere stories live. Discover now