Ein Agent!?

4 1 0
                                    

Nachdem ich ihn erklärte, dass Cantuccini Mandelgebäcke sind, die man traditionel zum Kaffee dazu aß, einigten wir uns darauf, noch einen Kaffee zu trinken.
Ich bestellte ein Caffé Crema und Ryan ein Espresso.

"Warum bist du eigentlich hier in Italien?" Fragte ich Ryan. So langsam wurde ich neugierig und ich bin aufgeregt, weil ich seit langem mit keinem Mann in meinem Alter länger als 5 Minuten gesprochen hatte.

"Ich bin geschäftlich in Rom."

Oh, also doch ein klischeehafter CEO einer bedeutsamen Firma in New York oder Washington D.C.?

"Was machst du beruflich?"
Ich nippte an meinem Kaffee, sah ihn aber trotzdem interessiert an. Er schien kurz zu überlegen und setzte dann ein siegessichere  Grinsen auf. Er lehnte sich etwas vor und meine Neugierde wurde immer größer.

"Ich...bin Agent."

Promt verschluckte ich mich an meinem Kaffee. Nach Luft ringend sah ich ihn geschockt an. Ryan lehnte sich kichernd im Stuhl zurück und wartete, bis ich mich beruhigt hatte.
Nach ein paar Sekunden bekam ich wieder Luft und konnte auch wieder reden.

"Du...Du bist was!? Darfst du das denn so direkt heraus sagen? Musst du nicht deine Tarnung aufrecht erhalten!?" Nun lachte Ryan laut auf. Ich verstand die Welt nicht mehr. Ich schaute zwar gerne Agentenfilme, wie James Bond aber ich bin mir ziemlich sicher,  dass selbst in der realen Welt Agenten getarnt bleiben sollten.
Ryan dagegen fand das alles sehr amüsant.

"Was ist daran so lustig? Das ist doch mords gefährlich!"
Aber anstatt seinen Verstand zu erreichen verstärkte ich sein Lachflash nur noch. Ich schüttelte nur verständnislos den Kopf und verschrenkte die Arme vor meinem Körper.

"Ich wüsste nicht was daran so gefährlich sein soll? Was soll schon passieren?"

Hä! Ist er wirklich Lebensmüde oder verarscht der mich gerade!?

"Also zumindest für die nächsten Wochen."

Ich stand sowas von auf dem Schlauch. Ich sah ihm mit einem Blick an, der sowas sagen soll wie :" Hör auf mich auf den Arm zu nehmen!"

"Gut okay, ich bin Schauspieler."

Mir schlief das Gesicht ein. Was bin ich doch nur für ein Schaf!? Ich saß wie ein begossener Pudel da und wurde knallrot.

"Ich...Ich dachte du...du arbeitest als Agent beim Geheimdienst oder so." Murmelte ich wie ein kleines Kind vor mich her. Ich sah beleidigt weg. Ryan dagegen schien den Spaß seines Lebens zu haben.

"Das hab ich mir schon fast gedacht, als du dich an deinem Kaffee verschluckt und mich total  geschockt angeschaut hast."

"Du findest das wohl sehr lustig. Du hast mich verarscht!"

Abwehrend aber immer noch lachend hob er seine Hände.

"Wann hab ich dich denn verarscht? Ich sagte lediglich, dass ich Agent sei. Das war in gewisser Weise nicht gelogen. Was du daraus machst, dafür bist allein du verantwortlich."

Ich drehte mich, so gut es mit dem hochgelobten Bein ging, von ihm weg und schmollte noch eine Weile wie ein kleines Kind. Nur mit Mühe konnte ich mir ein Lächeln verkneifen. Diese Situation war so skurril und wenn er nicht so Rom großes Ego hätte, würde ich mich auch ergeben und über mich selbst lachen. Aber diese Genugtuung gab ich ihm nicht.

"In welchen Filmen spielst du so mit?" Ich konnte meine Neugierde nicht verstecken. Ich bin noch nie einem Schwuspieler begegnet. Gut, ich schaue auch ganz selten Filme. Ian war kein Fan von Kinos und sowieso ließ seine Arbeit kaum Zeit für ein Kinobesuch. Er musste ja ständig in Bereitschaft sein.

"Keine Filme. Ich bin Schauspieler im Theater. Deswegen bin ich hier. Ich wurde angefragt, ob ich nicht hier in einem Theaterstück die Hauptrolle übernehmen kann."

Theater? Ich liebe das Theater. Eines der Dinge, das ich hier in Italien lieben gelernt habe.

Wir unterhielten uns noch eine Weile über seine Arbeit undich fand heraus, dass er in L.A. und New York ein sehr gefragter Theaterschauspieler ist. Jetzt wusste ich auch, woher der schicke Lamborghini herkam.
Nach dem Kaffee und einer Diskussion, in der es darum ging, wie es jetzt mit meinem Knöchel weiter gehen sollte, einigten wir uns darauf, dass Ryan mich nach Hause bracht und Feli ihren Pick Up morgen abholen musste. Lediglich die Tüten mit den Backgewürzen holte ich aus dem Auto.

Die Rückfahrt in dem Lamborghini war sehr entspannend. Niemand sagte etwas. Während Ryan sich auf den Verkehr konzentrierte, hatte ich mit der Müdigkeit zu kämpfen.
Der Tag war so nervenaufreibend und anstrengend und das spürte ich jetzt im gesamten Körper.

"Ryan?" Sagte ich seinen Namen ganz leise. Ich musste irgendwie wach bleiben. Was für ein Klischee würde ich denn erfüllen, wenn ich jetzt in seinem Sportwagen einschlafen würde, sodass er mich am Ende in mein Bett tragen müsste?
Er sah noch immer aufmerksam geradeaus dennoch  griff er einmal hinter sich und zog eine dünne Decke hervor, die er mir gab.

"Wieso..." Wollte ich gerade fragen, doch er ließ mich nicht ausreden.

"Du wirkst sehr müde. Kein Wunder bei so einem Tag. Ruh dich etwas aus."

Ich breitete die Decke aus und machte es mir auf dem Sitz bequem. Dennoch wollte ich nicht einschlafen.

"Ryan? Woher wusstest du nur doch einen kurzen Blick auf meine Kette, dass es ein Verlobungsring war?"

Ich sah ihn an, doch er starrte noch immer auf die Straße. Allerdings schien er nun das Lenkrad fester zu umklammern. Er schluckte einmal und seufzte.

"Ich war ebenfalls mal verlobt. Kurz nach dem Collage machte ich meiner damaligen Freundin einen Antrag.
Sie war von Anfang an nicht so begeistert, nahm ihn aber an. Allerdings kam es nie zu einer Heirat. Immer wieder kam etwas dazwischen. Nach 5 Jahren der Verlobung fand ich auf die schmerzlichste Art heraus, dass sie mich nur für ihr Image benutzte und betrog. Ich habe sie inflagrantie mit meinem damals besten Freund erwischt. "

" Das...Das tut mir leid."

Er sah kurz von der Straße und lächelte mich warm an.

"Letzten Endes bin ich ohne sie besser dran. Nach der Trennung stürzte ich mich in die Arbeit um mich von meinem Selbsthass abzulenken. Dadurch wurde ich sehr schnell, sehr erfolgreich. Eigentlich müsste ich ihr eher noch dafür danken. Wer weiß, wo ich jetzt wäre, wenn ich sie wirklich geheiratet hätte."

"Du hättest vielleicht jetzt schon Familie." Dieser Satz rutschte unüberlegt aus mir heraus. Ich habe mir mit Ian so sehr eine Familie gewünscht. Ein Haus in Florenz, mit Garten und einem Hund. Ich sonnte mich, während Ian mir unseren drei Kindern um die Liege herum tobte. So ein Bild hatte ich mir gewünscht. Aber so kam es nicht.

"Was hätten mir Kinder gebracht, wenn ich sie selten gesehen hätte? Ich liebe Kinder, versteh mich nicht falsch. Aber eben genau deshalb würde ich lieber jede Sekunde meines Lebens sehen wollen, als mich mit der Mutter meiner Kinder um das Sorg- und Besuchsrecht zu streiten."

Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Er hatte recht und ich bewunderte seine Reife. In diesem Moment wünschte ich ihm alles Glück der Welt und ich hoffte inständig, dass er Vater werden würde.

Vor meinem inneren Auge erschien das Bild eines Ryans, der Spielzeug auf dem Boden saß. Seine locken hingen ihm ins Gesicht und ein Hemd zierte seinen Oberkörper. Die Ärmel waren hochgekrempelt und er lächelte einen kleinen Jungen warm an. Der kleine Junge, der ihm gegenüber saß, lachte aus vollem Halse. Dieses Bild verschwand so schnell, wie es erschien und doch kam es mir in dem Moment so real und so richtig vor.

Signor Americano - Zeit heilt alle WundenWhere stories live. Discover now