Pralinen statt Rosen

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Ich sah ihn mit offenen Mund an. Ich soll was?

"Denkst du nicht, dass ich dabei nur störe? Du wirst zu tun haben. Ich will dich nicht aufhalten."

Er nahm ein Schluck von dem Kaffee und schüttelte den Kopf.

"Nein, du wirst nicht stören. Ich würde mich freuen, wenn du mich zu den Proben begleitest. Feli sagte mir, dass du das Theater liebst."

Feli ist sie eine Verräterin! Aber wie er mich ansah. Ich kann ihm das nicht abschlagen. Außerdem hat er ja recht. Ich liebe das Theater und wann bekommt man schon mal die Gelegenheit Profis bei den Proben zuzusehen? Eben so gut wie nie in seinem Leben.
Ich seufzte und ignorierte die Gewissensbisse, die sich in meinem Kopf breit machten.

"Okay, wenn du das so sehr willst, begleite ich dich gern." Ich lächelte ihn an und er strahlte wie ein kleines Kind, dem man gerade den größten Wunsch erfüllt hatte. Wir tranken also unseren Kaffee und aßen die zwei Zimtschnecken.

"Du kannst dich umsehen, wenn du magst. Ich müsste mich nur mal eben umziehen." Sagte ich und stellte das Geschirr in die Spüle. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie er frech grinste aber sein Grinsen verschwand schnell wieder. Am besten ich denke jetzt nicht darüber nach, was gerade in seinem Kopf vor ging. Männer!

Ich ließ Ryan in der Küche allein und ging hoch in mein, nun etwas ordentlicheres Zimmer.
Nun stand ich vor meinem riesigen, weißen Kleiderschrank mit großem Spiegel und stellte fest, dass ich total schrecklich aussah! Und so hat mich Ryan als wunderschön bezeichnet? Ob er vielleicht blind ist? Dieser Typ ist seltsam. Wir kennen uns kaum und dennoch ist er so offen und direkt und bittet mich zu seinen Proben zu kommen.
Aber was zieht man für eine Theaterprobe eigentlich an? Ein Abendkleid? Zu viel... Normale Sachen? Zu unangemessen. Da die Proben eh erst am Abend stattfinden würden, entschied ich mich erstmal für ein luftiges grünes Sommerkleid mit roten Rosen drauf. Meine Haare steckte ich hoch zu einem etwas ordentlicherem Dutt. Make Up tat ich jetzt noch nicht drauf. Das könnte ich heute Abend immer noch machen. Ich wollte Ryan nicht länger warten lassen.

Schnell ging ich wieder runter. Die Schmerzen ließen immer mehr nach. Vielleicht ist es nicht mal eine Bänderdehnung und ich könnte schon morgen wieder normal auftreten.

Ryan fand ich im Garten auf. Er ging langsam und elegant über den grünen Rasen und sah sich die verschiedenen Blumen an. Feli liebte ihren Garten. Wenn sie nicht gerade arbeitete, verbrachte sie ihre ganze Zeit damit Blumen zu gießen, ein- und umzupflanzen und ihren Steingarten zu vervollständigen. Manchmal half ich ihr dabei. Wobei ich kein Händchen für Pflanzen hatte. Bei mir würden sie kläglich eingehen.

"Der Garten ist hübsch." Merkte Ryan an. Woher wusste er, dass ich hinter ihm stehe? Er drehte sich zu mir um und ließ seine Augen über mich gleiten. Ich fühlte mich überraschender Weise nicht unwohl dabei. Bei Ian war es mir unangenehm. Ich mochte meinen Körper nicht und ich hatte Angst, dass Ian ihn auch nicht mögen würde.
Aber warum verglich ich Ryan eigentlich mit ihm? Er ist nicht Ian und er wird es auch niemals sein! Leider.

"Feli kümmert sich um den Garten. Ich hab kein Händchen für Pflanzen."

Er lächelte. "Dann ist ein Strauß mit Rosen wohl kein gutes Geschenk für dich. " Er sah mir direkt in die Augen. Was sollte das denn jetzt? Mittlerweile habe ich das Gefühl, er versucht irgendeine Reaktion zu provozieren.

"Zumindest nicht, wenn sie lange halten sollen." Es amüsierte ihn sehr, wie ich ihm antwortete.

"Und was sollte man dir stattdessen schenken?" Er kam langsam auf mich zu. Er spielt mit mir. Ich weiß nicht ob ich das so gut finden soll. Ian hätte das nicht gefallen. Aber Ian ist nicht mehr hier und diese Provokation ist echt verlockend.

"Pralinen. Ich liebe Schokolade."

"Also haben wir hier eine kleine Naschkatze?"
Er stand vor mir und musterte mein Gesicht. Der Blickkontakt war so intensiv, es wäre ein leichtes sich in seinen wunderschönen braunen Augen zu verlieren. Dieser Moment war so absurd. Was tue ich hier eigentlich? Flirte ich? Nein, ich habe keine Absichten mit ihm und könnte es mir auch nicht vorstellen.

Ich unterbrach den Blickkontakt, drehte mich von ihm weg und ging durch den Garten. Diese Nähe ist unangenehm und gleichzeitig sehr angenehm. Ich war verwirrt.

"Worum geht es eigentlich in deinem Stück? Du sagtest, du würdest die Hauptrolle übernehmen? Einen Agenten?"

Er lachte. Verwirrt drehte ich mich um. Was war daran wieder so lustig? Er sah mir wieder in die Augen mit diesem amüsierten Gesichtsausdruck.
"Es ist echt erstaunlich, wie schnell du das Thema wechseln kannst, wenn man dir zu nahe kommt."

Ich wurde rot. Ja, ich habe das Thema gewechselt aber was hätte ich auf seine Frage antworten sollen.

"Du bist mir nicht zu nahe gekommen." Ich versuchte mich zu verteidigen und stritt es ab. Es war für ihn viel zu leicht mich zu lesen und das gefiel mir nicht. Selbst vor Ian konnte ich wenigstens einige wenige Dinge verbergen. Aber für Ryan scheine ich ein offenes Buch zu sein. Ich kaute angestrengt auf meiner Lippe rum. Seine Anwesenheit stresst mich.

"Ach wirklich? Und warum hast du dann wieder Abstand zwischen uns gebracht?"

Verdammt. Warum machte er sich darüber solche Gedanken? Das sollte er nicht.

"Wenn ich Sie freundlich daran erinnern darf, wir kennen uns nicht, Signor Americano."

Er kniff leicht seine Augen zusammen und seine Kiefermuskulatur spannte sich an. Aber es machte mir keine Angst. Wenn Ian das tat, wusste ich, dass ihm etwas nicht passte. Ich überlegte dann immer angestrengt, was ich falsch gemacht hatte. Es war eines der Dinge, die unser Glück nicht perfekt machten, sondern es auf die Probe stellten. Aber Ryan hatte nichtsdestotrotz noch immer eine spielerischen Haltung.

"Und dennoch geben wir uns Spitznamen, Zuckerschnecke." Er zwinkerte mir zu und ich fing an zu lachen. Dieser Spitzname war so absurd.

"Oder soll ich dich lieber Nachkatze nennen."

Nun stand er wieder direkt vor mir. Er ist so gut darin, sich Menschen vorsichtig zu nähern. Das kann definitiv nicht an seinem Schauspieltalent liegen. Ich lächelte ihn amüsiert an.

"Nein, bitte nicht. Beide Namen hören sich grauenvoll an."

Er grinste und kam mir noch einen Schritt näher. "Und wie darf man dich dann nennen?"
Die Spannung zwischen uns wurde mir unangenehm. Mein Lächeln verflog und ich sah von ihm weg. Ich zuckte zusammen, als ich spürte, wie er mir eine lose Haarsträubende hinter's Ohr strich.

"Ist dir eigentlich bewusst, wie begehrenswert du bist? Du solltest nicht immer die Flucht ergreifen, wenn man dir näher kommt." Geschockt sah ich ihn an. Das war direkt. Das war sehr direkt und ich kann nicht sagen, ob ich diese Direktheit mag oder ob sie mich verschreckt.

Signor Americano - Zeit heilt alle WundenWhere stories live. Discover now